Название | Menschen, Göttern gleich (Roman) |
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Автор произведения | H. G. Wells |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746746524 |
12
Mehrere Utopen nannten den Erdlingen ihre Namen. Ihre Stimmen erschienen Mr. Barnstaple seltsamerweise alle gleichklingend, und ihre Worte waren so deutlich, als ob sie gedruckt wären. Die braunäugige Frau hieß Lychnis. Ein Mann mit einem Bart, der vielleicht gegen vierzig Jahre alt sein mochte, hieß entweder Urthred oder Adam oder Edom, es war sehr schwer, trotz der Deutlichkeit seiner Aussprache, den Namen mitzubekommen. Es war so, wie wenn große gedruckte Buchstaben zögerten. Urthred erklärte, daß er Ethnologe und Historiker sei und daß er wünsche, soviel wie nur irgend möglich über unsere Welt zu erfahren. Er machte auf Mr. Barnstaple den Eindruck, als hätte er eher das sichere Auftreten eines irdischen Finanzmannes oder eines großen Zeitungsgewaltigen, als die Schüchternheit, die in unserer Alltagswelt den Gelehrten auszeichnet. Ein anderer ihrer Gastgeber, Serpentin, war auch ein Mann der Wissenschaft, wie Mr. Barnstaple zu seiner Überraschung erfuhr; denn auch er benahm sich wie ein großer Herr. Er bezeichnete sich als etwas, was Mr. Barnstaple nicht erfassen konnte. Zuerst klang es wie ›Atom-Mechaniker‹ und dann, recht sonderbar, klang es wie ›Molekular-Chemiker‹. Dann wieder hörte Mr. Barnstaple, wie Mr. Burleigh zu Mr. Mush sagte: »Sagte er nicht, er sei ›Physio-Chemiker‹?«
»Mir schien es, als ob er sich einen ›Materialisten‹ genannt hätte!« erwiderte Mr. Mush.
»Ich dachte, er sagte, daß er irgend etwas abwäge«, bemerkte Lady Stella.
»Ihre Betonung ist merkwürdig«, sagte Mr. Burleigh. »Manchmal sind sie fast lauter, als angenehm ist, und dann entsteht wieder eine Art Lücke zwischen den Lauten.«
Als das Mahl beendet war, begab sich die ganze Gesellschaft in ein anderes kleines Gebäude, das offenbar für Unterrichtszwecke und Diskussionen bestimmt war. Es hatte eine halbkreisförmige Apsis, an deren Innenwand eine Reihe weißer Tafeln angebracht war, die anscheinend bei gewissen Gelegenheiten dem Vortragenden als Schreibtafeln dienten, da schwarze und farbige Stifte und Lappen zum Abwischen in passender Höhe unter den Tafeln auf breiten Marmorgesimsen lagen. Der Vortragende konnte, während er sprach, den ganzen Halbkreis Punkt für Punkt abschreiten. Lychnis und Urthred, Serpentin und die Erdlinge setzten sich auf eine halbkreisförmige Bank unterhalb dieses Vortragspodiums; auf den Sitzen vor ihnen war noch Platz für etwa achtzig bis hundert Leute. Alle Plätze waren besetzt, und dahinter standen einige anmutige Gruppen vor einem Hintergrund rhododendronartiger Büsche, zwischen denen Mr. Barnstaple grüne Alleen durchschimmern sah, die zu dem glitzernden Wasser des Sees hinunterführten.
Sie waren zusammengekommen, um über diesen außerordentlichen Einbruch in ihre Welt zu sprechen. Was konnte vernünftiger sein, als darüber zu sprechen? Konnte man sich etwas Phantastischeres, Unmöglicheres ausdenken?
»Komisch, daß es hier keine Schwalben gibt!« sagte Mr. Mush plötzlich Mr. Barnstaple ins Ohr. »Ich möchte gerne wissen, warum es hier keine Schwalben gibt?«
Mr. Barnstaple wandte seine Blicke dem leeren Himmel zu.
»Keine Mücken oder Fliegen«, riet er.
Es war sonderbar, daß er die Schwalben nicht schon früher vermißt hatte.
»Ssssssst«, flüsterte Lady Stella, »er fängt an!«
13
Diese unglaubliche Konferenz begann. Sie wurde eröffnet durch den Mann, der sich Serpentin nannte; er stand vor seinen Zuhörern und schien eine Rede zu halten. Seine Lippen bewegten sich, und seine Hände bekräftigten seine Ausführungen. Sein Ausdruck wechselte mit dem Vortrag. Und dennoch konnte Mr. Barnstaple einen ganz leisen Zweifel nicht unterdrücken, ob Serpentin auch wirklich sprach. Irgend etwas Sonderbares war an der ganzen Sache. Manchmal fand das, was gesagt wurde, einen ganz besonderen Widerhall in seinem Kopf, manchmal war es undeutlich und unfaßbar wie ein Gegenstand, den man durch getrübtes Wasser sieht, manchmal gab es Lücken absoluter Stille, obwohl Serpentin immer noch seine feinen Hände bewegte und auf seine Hörer blickte – als ob Mr. Barnstaple für Augenblicke oder Minuten taub geworden wäre … Und doch war es ein Vortrag, der zusammenhängend war und Mr. Barnstaples Aufmerksamkeit fesselte.
Serpentin hatte die Art eines Mannes, der sich die größte Mühe gibt, ein ziemlich verwickeltes Problem so einfach wie nur möglich darzulegen. Und wirklich legte er nach jedem Satz eine Pause ein.
»Es war schon lange bekannt«, begann er, »daß die Dimensionen, ebenso wie irgend etwas anderes, das man zählen kann, in unbegrenzter Anzahl möglich sind!«
Ja, Mr. Barnstaple hatte das verstanden, aber für Freddy Mush erwies es sich als zu schwierig.
»O Gott!« sagte er, »Dimensionen!« Er ließ sein Monokel fallen und gab es auf, weiter zuzuhören.
»Für die meisten praktischen Zwecke«, fuhr Serpentin fort, »konnte man das Universum und das Bewegungssystem, in dem wir uns befanden und von dem wir einen Teil bildeten, als eine Erscheinung in einem Raum von drei geradlinigen Dimensionen ansehen, als eine Erscheinung, die durch eine vierte Dimension, die Zeit, einer stetigen Veränderung unterworfen ist, welche Veränderung in Wirklichkeit ein Gleichgewichtszustand war. Ein solches Bewegungssystem war also notwendigerweise ein Gravitationssystem.«
»Ah«, sagte Mr. Burleigh spitz, »entschuldigen Sie, ich seh’ das nicht ein!«
Er folgte also jedenfalls auch der Rede.
»Jedes Universum, das sich im Gleichgewicht befindet, muß notwendigerweise der Schwerkraft unterworfen sein«, wiederholte Serpentin, als ob er eine selbstverständliche Tatsache behauptete.
»So wahr ich lebe, ich kann das nicht einsehen«, sagte Mr. Burleigh, nachdem er einen Augenblick überlegt hatte. Serpentin dachte eine kleine Weile nach. »Es ist so!« sagte er und setzte seine Rede fort. »Unser Geist«, fuhr er fort, »hatte sich so entwickelt, daß er die Dinge auf diese Weise wahrnahm, sie als wirklich akzeptierte, und es bedurfte einer durch große Anstrengungen gestützten Analyse, um sich darüber klar zu werden, daß dieses Universum, in dem wir leben, sich nicht nur geradlinig, sondern sozusagen mit Krümmungen und Verzerrungen in eine Anzahl anderer, lange Zeit unvermuteter, räumlicher Dimensionen erstreckte. Außer in seine drei räumlichen Hauptdimensionen erstreckte es sich nach jenen anderen ebenso, wie sich ein dünnes Blatt Papier, das praktisch zweidimensional ist, nicht nur infolge seiner Stärke, sondern auch durch seine Falten und Krümmungen in eine dritte Dimension erstreckt.«
»Werde ich taub?« flüsterte Lady Stella, deutlich hörbar. »Ich verstehe kein Wort von alledem.«
»Auch ich nicht«, sagte Pater Amerton.
Mr. Burleigh gebot den beiden Unglücklichen mit einer Handbewegung Schweigen, ohne seine Augen von Serpentins Gesicht abzuwenden.
Mr. Barnstaple zog die Stirn in Falten, umfaßte seine Knie, krampfte die Finger zusammen und bemühte sich verzweifelt, zu hören.
Er mußte hören – natürlich hörte er!
Serpentin fuhr fort, zu erklären, daß, ebenso wie es für eine Anzahl praktisch zweidimensionaler Universen möglich sei, in einem dreidimensionalen Raum nebeneinander zu liegen wie Blätter Papier, sich im mehrdimensionalen Raum, über den der schlecht ausgerüstete menschliche Geist nur langsam und mühevoll Kenntnis erwirbt, eine unzählbare Menge praktisch dreidimensionaler Weltenkörper nebeneinander befinden und annähernd parallel durch die Zeit bewegen könnten. Das tiefsinnige Werk von Monopetros und Kephalos habe schon seit langem die gesündeste Basis für die Annahme geschaffen, daß es eine sehr große Zahl solcher Raum-Zeit-Universen gebe, die untereinander parallel und ähnlich seien – sehr, aber doch nicht völlig ähnlich –, so, wie die Blätter eines Buches einander gleichen. Alle seien von Dauer, jedes sei ein Gravitationssystem.
(Mr. Burleigh schüttelte den Kopf, um zu zeigen, daß er dies