Faro. Ole R. Börgdahl

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Название Faro
Автор произведения Ole R. Börgdahl
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847621034



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      »Und mein Vorgänger?«

      »Sie meinen Oberleutnant Rath? Der I WO ist erst in Lorient an Bord gekommen.«

      »Dieser Rath hat wohl ganz oben Führsprecher, habe ich zumindest gehört. In einem Jahr vom Leutnant zum Kapitänleutnant will schon was heißen.«

      »Das kann ich nicht beurteilen, Herr Oberleutnant. Die Leute kommen und gehen und das gilt eben auch für die Offiziere.«

      Kuhnle nickte. »Ich habe gesehen, dass Sie sich freiwillig zur Marine gemeldet haben.«

      »Jawohl, Herr Oberleutnant. Mein Vater musste sogar noch unterschreiben. Ich wollte zur See fahren, aber mit Seefahrt ist es dann nicht gleich was geworden. Die haben mich recht schnell zur Fachausbildung nach Kolberg geschickt, an die Torpedoschule. Danach zu den U-Booten nach Danzig zur 2. Ausbildungsflottille. Als die Zweite an die Front ging, bin ich noch in Danzig geblieben. Aus dem Rest von uns wurde die 25. Flottille gemacht. Ich bin sogar noch mit nach Drontheim gegangen.«

      »Im Zivilberuf sind Sie Schlosser?«

      »Jawohl, Herr Oberleutnant, Schlosser, ich habe in Hamburg auf einer Werft gelernt. Da bekommt man eben die Sehnsucht, auch auf den Schiffen zu fahren, an denen man mitgebaut hat.«

      »Hamburg. Dann doch bestimmt bei Blohm & Voss?«

      »Jawohl, Herr Oberleutnant. Ich war aber bei einer anderen Firma angestellt. Wir haben Pumpen gebaut und ausschließlich für Blohm & Voss gearbeitet. So war ich fast drei Jahre auf der Werft, habe einige dicke Pötte gesehen, wie sie vom Kiel bis zu den Aufbauten hochgezogen wurden. Die Pretoria, die Windhuk, die Admiral Hipper, die Wilhelm Gustloff und natürlich auch die Bismarck«

      »Sie haben an der Bismarck gebaut?«

      »Jawohl, Herr Oberleutnant. Bei der Kiellegung der Bismarck im Juli ’36 war ich gerade ganz frisch Lehrling. Im Februar ’39 war ich dann sogar beim Stapellauf dabei. Ich war da aber schon im Arbeitsdienst und habe mir extra einen Tag freigenommen. Ich habe den Führer gesehen und auch die Taufpatin des Schiffes, soll eine Enkelin des alten Fürsten gewesen sein. Beim Untergang der Bismarck Ende Mai 1941 war ich gerade in Drontheim. Die Flottille hat beim Abendbrot davon erfahren. Ich seh uns noch da sitzen. Naja, danach hat keiner mehr einen Bissen runtergekriegt. Mehr als zweitausend Kameraden hat die Bismarck mit nach unten genommen. Ein verdammter Scheiß, entschuldigen Sie, Herr Oberleutnant.«

      »Ne, ne, ist schon richtig. Ich bin damals auf einem Zerstörer gefahren. An dem Tag lagen wir im Stützpunkt in Gotenhafen. Ich kannte sogar ein paar Leute von der Bismarck.«

      Sie schwiegen für ein paar Sekunden. Michael drückte seine Zigarette aus. Kuhnle bot ihm eine Zweite an, aber Michael lehnte ab. »Ich rauche nur gelegentlich, ist auch besser so, wenn man U-Boot fährt.«

      »War für mich auch eine böse Erfahrung, als ich zu den U-Booten kam. Unser Stabsarzt in Memel, ich war bis vor zwei Wochen noch bei der 24. Ausbildungsflottille in Memel, auf jeden Fall hatte der Arzt dort ein Mittelchen, mit dem man übers Rauchen hinwegkommt. Hat bei mir nicht ganz so funktioniert. Erzwungene Enthaltsamkeit hilft da am Ende besser.«

      Michael nickte. Kuhnle steckte das Zigarettenetui wieder in seine Manteltasche. Er überlegte.

      »Bei der Fünfundzwanzigsten ist doch Hashagen Flottillenchef?«

      »Jawohl, Herr Oberleutnant, habe ihn persönlich kennengelernt, er hat mir sein Buch signiert. Ich hab’s schon als Schüler gelesen, als ich noch nicht ahnen konnte, einmal selbst U-Boot-Mann zu sein.«

      »Ja, ja, Hashagens Buch, habe ich natürlich auch gelesen. Ist schon sonderbar, damals wie heute geht es gegen England. Und es gab damals auch schon Angriffe auf Scapa Flow. Die waren nur nicht so ein Paukenschlag wie der von Prien.«

      »Der Herr Kaleun hat Prien gekannt«, sagte Michael.

      Kuhnle nickte und die beiden Männer schwiegen wieder für ein paar Sekunden. Kuhnle räusperte sich schließlich.

      »Habe auch gelesen, dass Sie Fußballer sind, Torwart, Sie haben für Victoria Kolberg in der Gauliga Pommern gespielt.«

      »Jawohl, Herr Oberleutnant, allerdings nur Ersatztorwart. Aber ich muss Sie enttäuschen, ich habe kein einziges Ligaspiel gemacht, nicht einmal eine Einwechselung.«

      »Naja, aber dabei sein ist alles, oder?«

      »Jawohl, Herr Oberleutnant.« Michael lächelte.

      »Und haben Sie ein Idol, also einen Torwart?«

      Michael überlegte nicht lange. »Hansi Klodt, von Schalke. Ich komme zwar aus der Nähe von Hamburg aber für mich spielt Schalke den besten Fußball im Reich und Hansi Klodt ist der beste Torwart, den wir haben.«

      »Mag was dran sein, Schalke hat dieses Jahr doch auch schon wieder die Meisterschaft geholt.«

      Michael nickte. »Hansi Klodt war aber in diesem Jahr nicht dabei, er steht im Feld, soviel ich weiß.«

      *

      Manfred Keicher hielt seine rechte Hand in die Höhe. »Hast du schon mein neustes Abzeichen gesehen?«

      Michael verstand erst nicht, dann erkannte er den goldenen Trauring. Er schüttelte den Kopf. »Das hast du nicht wirklich gemacht.«

      »Doch, noch vor Heiligabend auf dem Standesamt und dann am ersten Weihnachtstag schön in der Kirche, hinterher mit ’ner Feier und mit Gästen und so.«

      »Ihr bekommt ein Kind?«, fragte Michael.

      »Äh, nein, also bisher nicht.« Manfred Keicher stutzte. Dann lachte er. »Nicht, was du denkst, man kann doch auch so einen Grund haben, zu heiraten. Warum soll man bis nach dem Krieg warten? Nach dem Krieg findet man dann wieder etwas, warum man die Hochzeit verschiebt und dann wird nie was daraus. Nein, nein, ich fühle mich so einfach besser, und wenn was passiert, ist Klärchen versorgt, darüber sollte man auch nachdenken.«

      »Na dann, Fredi, herzlichen Glückwunsch.«

      »Danke, danke, irgendwann geb ich auch mal Kuchen aus oder ein paar Bierchen.« Keicher kramte in seiner Jackentasche. »Hier, ein Foto von der Braut und dem holden Bräutigam.« Er gab Michael die Aufnahme, die das Paar vor dem Kirchenportal zeigte.«

      »Alle Achtung, in Farbe, hast es dir ja was kosten lassen.«

      »Hab ’nen Kumpel, der das gemacht hat. War gar nicht so teuer. Aber sag’ selbst, so ein Hochzeitsfoto hat nicht jeder, was?«

      Michael nickte anerkennend. »Und das ist deine Klärchen?«

      »Jawohl, Herr Obermaat, Frau Klara Keicher, bitte sehr.«

      *

      Die kleinen Holzkisten stapelten sich links neben der Stelling. Oberleutnant Linden hatte sich ein Pult und einen klapprigen Holzstuhl besorgt und saß über seinen Listen gebeugt. Ein Matrose griff erst auf Anweisung eine der Kisten und brachte sie hinüber aufs Boot zum Maschinenluk. Unten wartete ein weiterer Matrose, nahm die Kiste in Empfang und stellte sie im Diesel-Maschinenraum ab. Maschinen-Maat Keicher kniete auf einer der Kokosmatten, die als rutschfeste Unterlage über den stählernen Bodenplatten frisch verlegt waren. Keicher hatte sein System. Er war für die Stauung der Ersatzteile zuständig. Das Täfelchen auf dem Kistendeckel trug die Kennung des Bootes, die Flotillennummer und die Bezeichnung des Ersatzteils. Keicher überlegte. Die Treibölpumpen wollte er immer griffbereit haben. Es mussten noch vier Stück kommen und eine Kiste nur mit Dichtungen. Neben dem Leitstand der Diesel-Maschine gab es einen Stahlschrank. Keicher stellte die Kiste selbst hinein und machte sich eine Notiz. Der Matrose ging zurück zum Luk und nahm die nächste Lieferung in Empfang. Anderthalb Stunden später waren alle Maschinenteile an Bord und verstaut. Die dritte Wache und die Freiwache belebten nun den Bunker. Sie machten mit dem Beladen des Bootes weiter. Jetzt kam die Munition. Geschosse für die Zehn-Komma-Fünf-Zentimeter Kanone, Granaten für die Drei-Komma-Sieben-Zentimeter Flak, Spreng- und Brandgranaten sowie Gurtmunition für das Zwei-Zentimeter Maschinengewehr. Oberleutnant Kuhnle war als erster Wachoffizier