Название | Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt |
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Автор произведения | Jürgen Ruszkowski |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847605492 |
Der „Alte“ begrüßte Neptun nun ganz herzlich mit einigen markigen Sätzen und versicherte ihm, dass er und seine Besatzung sich von seinem Besuch sehr geehrt fühlten! Für die Zeit der Inspektion übergab der Kapitän dem Meeresgott das Kommando über die BARBARA; als äußeres Zeichen dafür überreichte der Neger dem Neptun symbolisch das Holz-Steuer. Neptun bedankte sich beim Kapitän und machte ihm klar, dass bei der jetzt folgenden Äquator-Taufe das wichtigste für ihn und seine Mitarbeiter der prompte und stetige Getränke-Nachschub sei!
Die ganze „Tauf-Gang“ war inzwischen schon gut „unter Dampf“; Neptun befahl seinen „Mannen“: „Auf Station!“ und nahm auf seinem Thron Platz, seine Thetis setzte sich neben ihn auf ihr „Thrönchen“. Der Pastor sprach nun noch ein paar Worte zu uns „Ungetauften“ und sparte dabei nicht mit Kraftausdrücken; dann mussten wir uns wieder flach auf den Bauch legen.
Die richtige „Folter-Arie“ konnte nun beginnen.
Man muss sich die ganze Zeremonie nun etwa wie einen Hindernis-Lauf mit mehreren Hindernissen unterschiedlicher Schwierigkeit (Stationen) vorstellen.
Da ich in nächster Zukunft wieder auf Wache musste, hatte ich die Startnummer eins. Außerdem muss ich gestehen, dass man mich zwar nicht gerade mit Samthandschuhen anfasste; ich hatte aber den Eindruck, dass ich im Gegensatz zu einigen anderen Täuflingen etwas milder behandelt wurde. Es könnte damit zu tun gehabt haben, dass ich als F.O./Verwalter u. a. verantwortlich für die Heuer-Vorschüsse und Kantine war; einige der Akteure hielten sich da bei mir wohl ein kleines bisschen zurück. Zudem hatte ich (wie vorher erwähnt) selbst schon einen guten „Glimmer“, so dass mich das alles nicht sonderlich „juckte“!
Auf das Kommando des Pastors „Ab zur Taufe!“ wurde ich von zwei Polizisten hochgerissen und zur 1. Station geschleift. Es war ein ca. 4 m langer an beiden Enden offener leinener „Windsack“ von ca. 75 cm Durchmesser, da musste ich nun erstmal durchkrabbeln. Als ich bäuchlings voraus darin verschwunden war bekam ich von achtern mittels eines Deckwasch-Schlauches einen satten Strahl Seewasser, von oben und von den Seiten gab es Hiebe und Tritte und von vorne kam noch ein nicht ganz so harter Wasserstrahl. Ich will nicht gerade behaupten, dass ich „in Panik“ kam, aber das Wasser stieg ziemlich schnell und es stellte sich schon eine gewisse Platzangst bei mir ein. Jetzt zahlte sich die militärische Ausbildung der „Gangarten“ beim Bund aus - ich robbte ziemlich schnell durch den Sack!
Am anderen Ende wurde ich von den Polizisten sofort wieder beidseitig geschnappt und es folgte die (übrigens bei jeder Station obligatorische) Frage: „Was schreibst du freiwillig?“ Das hieß soviel wie: Wie viele Flaschen Bier gibst du „freiwillig“ aus - wenn du zu geizig bist, wird diese Station wiederholt! ½ Kiste war hier mein Obolus, es wurde dem Pastor zugerufen, er notierte penibel!
Nun ging's mit Eskorte zügig weiter zur zweiten, der Krankenstation mit Doktor und Sanitäter. Ich musste mich auf eine aus Stauholz grob zusammengezimmerte Pritsche setzen, dann begann der Doktor mit der „General-Untersuchung“. Er klopfte mich erstmal mit seinem Gummihammer von den Füßen bis zum Hals nicht sonderlich zärtlich ab, seine Kommentare dazu waren auch nicht gerade als akademisch zu bezeichnen: „Scheiß-Reflexe, zu fett, Saufleber usw.“ Der „Pfleger“ hatte mir inzwischen die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, in meiner derzeitigen Lage nahm ich das gar nicht bewusst wahr! Nun nahm sich der liebe Doktor mit Hilfe seines Pflegers meinen Kopf vor; die Ohren wurden schön mit „Staucherfett“ vollgeschmiert, die Nase etwas hin und her gebogen und alle (außer mir) hatten furchtbar viel Spaß!
Der „Arzt“ war wirklich sehr um meine Gesundheit besorgt, deshalb musste ich auch noch meine Medizin schlucken. Die wurde nun in Form einer „Pille“ in der Größe einer kleinen Frikadelle „verabreicht“. Der Pfleger drückte mir links und rechts mit beiden Händen die Kiefer auseinander und der nette „Doc“ schob mir die „Pille“ zwischen die Zähne. Es war fürchterlich, ich konnte mich nicht wehren und musste die „bittere Medizin“ schlucken, besser gesagt „runterwürgen“.
Sie schmeckte grauenhaft; laut späterer Aussage des Kochs bestanden die „Tabletten“ aus durchgedrehten Fischabfällen, Sägemehl, viel Salz, Pfeffer, Tabasco und div. anderen „Indrigenzien“; nur mein gesunder Magen und die vorherigen vielen „Scotch“ ersparten mir sofortiges Erbrechen.
Was nun folgte, war (im Nachhinein überdacht) eigentlich das „perfideste“ an der ganzen Taufe. Ich hatte – Gott sei Dank - diese „Kiste“ während der Vorbereitungen durchschaut und wusste, dass sie harmlos war. Ich versichere aber, dass alle mir nachfolgenden Täuflinge „wie am Spieß“ gebrüllt haben, als sie hier an der Reihe waren.
Neben der Krankenstation stand hinter einem mit Persenning bis zum Boden abgedecktem Bohlentisch der „Schmied“ und hantierte mit einem langen Brenneisen, das am Ende die Form eines kleinen Kreuzes hatte und in einem alten mit glühender Holzkohle gefüllten Ölfass heiß gehalten wurde. Ein Neger assistierte ihm. Ich war inzwischen von unseren „Medizinern“ mit meinen gefesselten Händen bäuchlings auf die Pritsche gedreht worden, Kopf nach unten ohne Sicht zum Schmied. Der lief nun mit dem rot glühenden Brenneisen vor meine Pritsche, fuchtelte mir mit dem Eisen vorm Gesicht herum und erklärte sinngemäß, dass ich unwürdiger, dreckiger, nichtsnutziger Schmierfink nun das „Kreuz des Südens“ auf alle Ewigkeit in den A... (Hintern) gebrannt bekommen würde.
Dann trat er aus meinem Blickfeld hinter mich, die Badehose wurde mir über die Hinterbacken gezogen und dann verspürte ich einen heftigen Schmerz auf meiner rechten Po-Backe; es zischte ordentlich und ich brüllte „pflichtgemäß“.
Trotz meines „Insider-Wissens“ war ich etwas geschockt, die anderen „Deliquenten“ versicherten anschließend glaubhaft, sie hätten in dem Moment geglaubt, sie wären „gebrannt“ worden.
Hinter seinem Tisch hatte der Schmied noch ein identisches Eisen in einem Eimer mit Eiswasser verborgen, das eiskalte Eisen wurde dem Täufling auf die Hinterbacke gedrückt, gleichzeitig hielt der Neger das heiße Eisen in ein mit einem Öl/Wasser gefülltes Gefäß, so dass es schön zischte und nach verbranntem Fett stank. Ob man nun ein eiskaltes oder glühend heißes Teil auf die nackte Haut gesetzt bekommt, der erste ans Gehirn gegebene Reflex ist der gleiche: Schock-Schmerz! Wenn dann noch Zischen und Gestank hinzukommt, meint jeder, er hätte wirklich ein Brandzeichen erhalten! Es war schon eine wirklich gemeine Geschichte! Nach der „Frage“ schrieb ich freiwillig 1 und ½ Kiste, der Pastor notierte!
Hose übern Hintern und weiter ging's zum Sterngucker! Dort wurde ich auf einen Hocker gesetzt, der Sterngucker stülpte mir einen nach oben offenen Glaskasten über den Kopf, der am Hals mit einer Gummi-Manschette zugezogen wurde. Nun musste ich nach oben zum Himmel gucken und bekam das große „Papp-Teleskop“ abwechselnd mit der Frage vor die Augen gehalten, ob ich denn wohl das „Kreuz des Südens“ sehen würde. Gleichzeitig wurde Wasser in den Glaskasten gekippt, welches nun langsam über Mund und Nase stieg. Da kam schon etwas Panik auf; ich sah jede Menge „Sterne“ und konnte nur „Zwei Kisten!“ prusten, der Pastor notierte!