Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Название Das Vermächtnis aus der Vergangenheit
Автор произведения Sabine von der Wellen
Жанр Языкознание
Серия Das Leben
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750224247



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nichts passiert und komischerweise interessierte er sich dafür, wie wir beide letztendlich zusammengekommen sind. Eure Eltern hatten ihm das wohl schon bei ihren Besuchen erzählt. Er wollte wissen, was alles in den letzten zwei Monaten passiert ist und er tat so, als wären wir die besten Freunde. Er war mir fast schon ein wenig unheimlich“, erzählt Marcel.

      Erik hört aufmerksam mit, was mich nervös macht.

      „Das glaube ich dir“, raune ich bei Marcels Ausführungen nur. „Bei mir machte er auch so einen seltsamen Spruch, als wüsste er gar nicht, was wirklich passiert ist. Und meine Mutter hat mich angerufen und mich aufgefordert mit ihnen heile Familie zu spielen. Ich habe dankend abgelehnt. Aber Julian musste ich versprechen, dass er mich mal anrufen darf.“

      „Anrufen! Mehr aber auch nicht. Zumindest nicht, bis ich ihn auf Herz und Nieren abgecheckt habe“, brummt Marcel und erklärt mir, dass er sich weiterhin mit ihm treffen wird, um zu erfahren, was er vorhat und ob ich wirklich jetzt vor ihm sicher bin. Marcel ist so lieb und ich würde ihn am liebsten umarmen. Aber es ist Erik, der mir das Handy aus der Hand nimmt und Marcel dafür dankt, dass er so unerschütterlich zu mir hält und dass er Julian für uns im Auge behalten will.

      Mir kommen fast die Tränen, als Erik zu Marcel sagt: „Ey Alter! Wenn du mir hilfst, sie zu beschützen und aufpasst, dass Julian nicht wieder etwas Krummes dreht, dann hast du was bei mir gut!“

      Mir wird in diesem Moment klar, dass Erik solche Angst hat, mich nicht beschützen zu können, dass er selbst den Teufel mit ins Boot holen würde. „Ihr darf nichts passieren!“, zischt er mit einer Eindringlichkeit, dass ich seine Angst um mich fast körperlich spüre.

      „Verlass dich darauf, dass ich tun werde, was ich kann“, höre ich Marcel antworten und Erik bedankt sich nochmals bei ihm und gibt mir das Handy zurück.

      Ich kann kaum sprechen und flüstere ergriffen, weil die beiden sich so für mich ins Zeug legen: „Danke Marcel. Danke für alles.“

      Es dauert einen Augenblick, bis Marcel mir antwortet: „Hast du mal Der kleine Prinz gelesen? Meine Schwester ist mir eine Zeit lang damit ziemlich auf die Nerven gegangen. Aber einen Spruch daraus habe ich niemals vergessen: Man ist zeitlebens für das Verantwortlich, was man sich vertraut gemacht hat. Ich denke, ich sollte mich für immer für dich verantwortlich fühlen, weil du mir der vertrauteste Mensch bist, den es gibt.“

      Ich sehe bedrückt Erik an. Ihn müssen Marcels Worte genauso treffen wie mich. Ich kann nichts antworten und eine Träne läuft mir über die Wange, bevor ich es verhindern kann. Mein Herz schmerzt und ich bin einen Moment wirklich betroffen. Aber ich sehe an Eriks Augen, dass es ihn genauso trifft, dass Marcel mir das sagt und er erwidert verunsichert meinen Blick.

      Ich weiß, ich muss das Gespräch schnell beenden. „Danke Marcel. Danke, dass du uns hilfst. Wir bleiben in Verbindung, okay? Bis bald und einen schönen Abend!“

      „Das wünsche ich euch auch“, antwortet Marcel etwas enttäuscht, dass ich nach seinen Worten nur noch schnell das Gespräch beenden will. „Bis bald!“

      Ich lege das Handy schnell weg und stürze mich regelrecht in Eriks Arme.

      Er sieht mich etwas irritiert an und ich murmele an seiner Brust: „Und ich bin jetzt zeitlebens für dich verantwortlich.“

      Er hält mich fest umschlungen und antwortet leise: „Ja, bitte.“

      Erik kann mich mit seiner Art, die so viele Facetten hat, immer wieder fassungslos machen. Aber wenn er mir zeigt und zugibt, wie sehr er mich braucht, dann übertrifft das alles … und keiner braucht mich so sehr wie er.

      Am Montagmorgen gehen Ellen und ich zusammen zum Bus. Ellen erzählt mir von ihrem Wochenende und ich spüre ihre tiefe Zuneigung zu Daniel bei jedem Satz, den sie von sich gibt.

      „Es ist richtig schön, wie sehr ihr beiden euch aufeinander eingeschworen habt“, sage ich und hake mich bei ihr unter.

      Sie wird ernst. „Ja, ich hätte auch nicht gedacht, dass er es für mich sein wird. Aber er ist so lieb und besonnen. Genau das Gegenteil von mir. Manchmal verstehe ich nicht, was er an mir findet.“

      „Das weiß ich bei Erik und mir auch nicht“, sage ich und kann sie nur zu gut verstehen.

      Der Blick, den sie mir zuwirft, macht mich stutzig. Leise sagt sie: „Erik kann froh sein, dass er dich hat. Und er ist es auch. Ein wenig zu sehr sogar!“

      „Wie meinst du das?“, frage ich sie irritiert und lasse sie los.

      Sie scheint unschlüssig zu sein, ob sie mir dazu etwas sagen soll. Doch meinem fragenden Blick nicht länger standhaltend, raunt sie: „Er ist von einem Extrem ins andere gefallen. Daniel sagt, er macht sich damit voll fertig. Er hat Angst um dich und Angst, dass du ihn nicht mehr ertragen kannst. Wenn er nicht bei dir ist und sieht, dass alles in Ordnung ist, dann dreht sich alles in seinem Kopf nur um dich. Und dass du dich in einen anderen verlieben könntest, ist für ihn mittlerweile sein schlimmster Albtraum. Echt extrem!“

      Jedes Wort, das sie sagt, erwärmt mein Herz. Wenn es tatsächlich so ist, kann ich mich zu den glücklichsten Menschen auf diesem Planeten zählen.

      Ellen sieht meine leuchtenden Augen und schüttelt den Kopf. „Das klingt nur gut, solange ihr in trauter Zweisamkeit zusammen seid. Daniel und ich möchten lieber nicht erleben, wenn es irgendwann nicht mehr so ist.“

      Wir müssen über die Straße laufen, um den Bus noch zu erreichen, der gerade auf die Bushaltestelle zurollt.

      Ellens Worte können mich nicht beunruhigen, weil ich mit Erik immer zusammenbleiben werde. Wenn er mich lässt …

      Nachmittags gehe ich zu Alessia und sie mustert mich sorgenvoll. „Geht es dir denn wirklich gut? Du siehst immer noch nicht besser aus als am Freitag“, sagt sie besorgt.

      Ich winke ab und versichere ihr: „Nein, es ist wirklich alles in bester Ordnung. Ich fühle mich wirklich gut.“

      „Wenn du meinst! Ich wollte gerne einkaufen und mit den Jungs ins Kino gehen. Meine Tochter muss heute arbeiten“, sagt sie und schenkt mir ein Lächeln.

      „Ich schaffe das schon! Kein Problem“, beteuere ich und sie geht.

      Aber ich spüre den ganzen Nachmittag, dass ich doch noch etwas an Elan und Kraft eingebüßt habe, obwohl ich mir ständig einrede, dass alles, was mich bisher bedrückt und verängstigt hat, weg ist. Julians Verhandlung ist vorbei. Er hat sein altes Leben wieder und das ist weit weg von mir und Tim, der mich abgeschrieben zu haben scheint. Von ihm hörte ich bisher nichts mehr. Erik und Marcel lieben sich zwar nicht gerade, sind aber auch keine Feinde mehr. Und Erik beginnt langsam einzusehen, dass nicht alles nur mit Drogen zu überstehen ist. Er ist stark und klug und nicht mehr allein. Er kann es auch ohne schaffen. Und ich kann mich endlich meinem Leben widmen und mich um mich selbst kümmern. Meine Schule geht vor und mein Job. Und über allem steht Erik … ganz oben auf meiner Prioritätenliste.

      Als ich die letzten Gäste mit Cappuccino und Eiskaffee versorge, bekomme ich eine SMS von ihm, dass ich im Cafe auf ihn warten soll. Ich darf auf keinen Fall ohne ihn gehen.

      Mir war schon klar, dass ich abgeholt werde, weil auch Ellen schon mittags völlig entsetzt darüber war, dass ich allein zum Cafe gehen wollte. Schon da dämmerte mir, dass ich keinen Schritt mehr allein vor die Tür machen werde, bevor nicht ganz klar ist, dass mir keinerlei Gefahr droht.

      Erik ist noch nicht da, als ich die kleinen Blumenvasen auf den Tischen gieße. Das soll mein letzter Einsatz hier sein, bevor ich gehe.

      Unschlüssige sehe ich auf die Uhr und beschließe, ihm noch ein paar Minuten zu geben, bevor ich ihn anrufe.

      In dem Moment geht die Tür auf und ich sehe ihn ins Cafe treten. Sofort nehme ich meine Jacke und Schultasche und gehe zu ihm.

      „Alles in Ordnung?“, fragt er und sieht sich um.

      „Natürlich! Ich kann auch allein nach Hause gehen. Wirklich!“, sage ich und gebe ihm einen Kuss.

      „Nein!