Название | Im Reich des silbernen Löwen III |
---|---|
Автор произведения | Karl May |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746794440 |
»Ja, sprich sie mir einmal vor, aber ohne Fehler!« forderte ich ihn auf.
»Die Ungläubigen«, das ist nämlich die Ueberschrift der hundertneunten Sure des Koran. Sie lautet: »Sprich: o ihr Ungläubigen, ich verehre nicht das, was ihr verehret, und ihr verehret nicht, was ich verehre, und ich werde auch nie verehren das, was ihr verehret, und ihr werdet nie verehren das, was ich verehre. Ihr habt eure Religion, und ich habe die meinige.« In der deutschen Uebersetzung bietet dieser Text ja gar keine Schwierigkeiten; aber um so mehr muß derjenige aufpassen, der das arabische Original recitieren will. Ein Betrunkener bringt das gar nicht fertig; darum wird dieses Kurankapitel als Sura el Imtihan bezeichnet und auch sehr oft angewendet. Man fordert den Betrunkenen, welcher leugnet, betrunken zu sein, auf, diese Sure herzusagen. Bringt er das fehlerlos fertig, so hat er bewiesen, daß er nüchtern ist; verspricht er sich aber dabei, so ist sein Zustand zweifellos die Folge übermäßigen Trinkens. Jeder Muhammedaner kennt diese Eigenschaft und diese Anwendung der hundertneunten Sure, und auch dem Kahwedschi war sie bekannt. Kaum hatte ich das Wort betrunken ausgesprochen, so bot er mir an, durch diese Sure zu beweisen, daß er es nicht sei. Nachdem ich ihm meine Zustimmung dazu erteilt hatte, nahm er sich zusammen und begann:
»Sprich, o – o ihr Un – Ungläubigen, ich verehre, verehre – nicht euch, und ihr was mich, was euch, was mir; ihr verehret mich und ich euch, und ihr – ihr habt – habt meine Religion – Religion – ich habe eure – und ich – ich verehre – verehre mich nicht!«
»Dazu hast du auch ganz und gar keine Veranlassung!« lachte ich, denn im Arabischen war die von ihm angerichtete heillose Verwirrung noch viel lächerlicher als in der deutschen Uebersetzung, welche ich hier gebe. »Du kannst die Sure nicht richtig sagen und bist also betrunken!«
»Be – be – be –« stammelte er. »O Hazret – der Raki – Raki – und hei – heißes Zucker – Zuckerwasser – wasser!«
»Und nun du betrunken bist, weißt du nicht, was ich bin!« warf ich ihm vor.
»Was – was – o, ich weiß – weiß sehr gut! Hazret bist – bist Sill – Sill – hoher Sill – sehr, sehr hoher Sill!«
»Das ist dein Glück, daß du wenigstens das noch siehst. Weißt du aber auch, daß du hier diesem Sill« – ich deutete bei diesen Worten auf Halef – »den Brief gegeben hast, welchen Ghulam bekommen soll?«
»Brief –? Nein – nein – nicht gegeben; habe noch!«
»Weißt du, von wem er ist, dieser Brief?«
»Von – von Esara el – el Awar, der ihn geschrieben und – und mir – mir gegeben hat.«
»Wo ist Esara jetzt?«
»Nach Kor – Korna, wo – wo er wohnt.«
»Und weißt du wirklich ganz gewiß, für wen der Brief bestimmt ist?«
»Für – für Ghulam el – el Multasim.«
»Und wo Ghulam sich jetzt befindet?«
»In – in – Straße nach – ah – ah!«
Da war es mit seiner Beherrschung zu Ende. Er fiel um, schloß die Augen und lag nun wieder so betäubt wie vorher.
»Es ist aus, Sihdi,« sagte Halef.
»Du wirst nun nichts mehr von ihm erfahren, denn er hat –«
»Still!« unterbrach ich ihn. »Komm wieder mit hinunter!«
Wir stiegen die Leiter hinab und kehrten zu Lindsay zurück, welcher sich erkundigte, ob wir noch etwas erfahren hätten. Halef antwortete:
»Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß aus dem Betrunkenen noch etwas herauszubringen sei; dem Effendi ist es aber doch geglückt. Freilich, ich hätte mir die Fragen nicht getraut, die er ausgesprochen hat.«
»Warum nicht?« erkundigte ich mich.
»Weil ich sie für unvorsichtig gehalten hätte. Der Kahwedschi mußte doch hören, daß du nichts wußtest, und daraus schließen, daß du dich zwar für einen Sill ausgiebst, aber keiner bist.«
»Er mußte das hören? Mußte er das wirklich?«
»Ja.«
»Er hat es aber nicht gehört. Und noch viel weniger hat er einen Schluß gezogen; sein Zustand war ja ein solcher, daß er gar nicht folgerichtig denken konnte. Er erkannte nicht einmal seinen Gast in mir!«
»Das weißt du jetzt, wußtest es aber nicht vorher!«
»Sei gnädig gegen mich, lieber Halef! Ich gönne dir es zwar ganz gern, mir auch einmal einen Fehler, eine Unvorsichtigkeit nachweisen zu können, aber dieses Mal befindest du dich im Irrtume. Schon ehe ich den Betrunkenen zu Worte brachte, sah ich es ihm an, wie weit ich gehen könne. Sodann sprach ich im Tone eines Vorgesetzten, der hören will, wie weit der Untergebene unterrichtet und ob er bei Besinnung ist. Meine Fragen hätten den Kahwedschi, selbst wenn er weniger betrunken gewesen wäre, gewiß nicht auf den Gedanken gebracht, daß ich nicht zu den Sillan gehöre. Er hatte ja schon vollständig vergessen, dir den Brief gegeben zu haben. Grad so wird er, wenn er aus seiner Betäubung erwacht, gar nicht mehr wissen, daß ich bei ihm gewesen bin und mit ihm gesprochen habe. Ich werde meinen Ring, zufrieden mit dem Resultate, jetzt wieder in die Tasche stecken.«
»Bist du wirklich zufrieden?«
»Ja.«
»Ich aber hätte doch noch sehr gern gehört, wo Ghulam zu finden ist. Es ist schade, daß er grad dabei wieder in den bewußtlosen Mangel an Besinnung zurückkehrte, aus welchem du ihn vorher zum mangelhaften Hersagen der Sure der Ungläubigen aufgeweckt hattest!«
»Ich verlange nicht mehr, als er geben konnte. Wir haben den Namen und den Wohnort des Absenders erfahren und wissen sogar, daß er einäugig ist, was uns unter Umständen von Vorteil sein kann. Und wir wissen nun, daß Ghulam bloß ein Name und keine Standesbezeichnung ist. Der Mann heißt Ghulam el Multasim. Multasim bedeutet Pächter im allgemeinen und auch einen Staatsgutspächter im besonderen. Da in Persien die Zölle verpachtet sind, so ist dieser Ghulam wahrscheinlich ein Zollpächter.«
»Ja, Sihdi, wenn du aus seiner verworrenen Rede so bestimmte Schlüsse ziehst, so können wir, falls diese richtig sind, allerdings zufrieden sein.«
»Ich bin überzeugt, daß meine Vermutungen mich nicht irre führen. Vielleicht hat das, was wir hier erfahren haben, gar keine Folgen, keine Bedeutung für uns, aber da wir einmal schon so tief in die Geheimnisse der Sillan eingedrungen sind, so wollte ich auch die jetzige Gelegenheit benützen, etwas, und sei es noch so wenig, zu erfahren. Man weiß nicht, wozu es nützen kann.«
Da ergriff Lindsay das Wort:
»Nun redet doch endlich auch einmal eine Silbe mit mir! Sitze da, wie ein Waisenknabe, um den sich kein Mensch bekümmert, und verstehe nichts von alledem, was da gesprochen wird.«
»Sobald wir auf dem Schiffe sind, wird Halef alles erzählen,« tröstete ich ihn.
»Well! Bin schrecklich neugierig darauf. Ist übrigens nun Zeit, an Bord zu gehen. Wollen wir?«
»Ja. Aber wir müssen bezahlen, und der Wirt wird schwer aufzuwecken und dazu zu bringen sein, uns richtig zu sagen, was wir ihm schulden.«
»Ist ganz leicht abzumachen. Schreiben auf einen Zettel, was wir bekommen haben, schätzen das nach unserer Weise ab, wickeln das Geld in den Zettel und stecken es ihm in die Tasche. Nicht?«
»Ich halte das auch für das beste und kürzeste.«
»Well, werde das also machen. Ich zahle, Ihr nicht!«
Er riß ein Blatt aus seinem Merkbuche, notierte die Getränke darauf und wickelte das, was er dafür geben wollte und was jedenfalls nicht zu wenig war, hinein. Dann gingen wir in den Hof zu unsern Pferden, und er stieg die Leiter hinan, um dem Wirte den Betrag in die Tasche zu stecken.
Während