Название | Die Sozialdemokratie |
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Автор произведения | Karl Glanz |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750231153 |
Das Jahr 1888 hat sich viel besser angelassen, als beim Beginn desselben von den politischen Wetterwarten aus prophezeit worden und als die Völker Europas in banger Sorge um die nächste Zukunft befürchtet haben. Ungestört und ungetrübt blieben ihnen die Segnungen des Friedens erhalten, und jene nervöse Überreizung, die vor einem Jahre den "Ernst der Lage" als unmittelbar bedrohlich erscheinen ließ, ist einer ruhigeren Auffassung der internationalen Beziehungen und der Gefahren, welche dieselben bergen mögen, gewichen. Man konnte sich keineswegs sicher fühlen, ob nicht bereits die nächsten Monate den gefürchteten "schrecklichsten Krieg des Jahrhunderts" bringen könnten. In den letzten Wochen vor der Jahreswende war aus Anlass russischer Truppenverschiebungen nach der Westgrenze jene noch in aller Gedächtnishaftende Erregung entstanden, welche, eine so tiefgreifende und nachhaltige Wirkung in ganz Europa hervorgerufen hat. Einerseits war es der Gedanke, eines Angriffes Bedacht genommen werden musste, der den Ausblick in die kommenden Tage getrübt, und andererseits hatte die in Sicht gestellte Eventualität eines Krieges bei Allen, verwegene Hoffnungen gemacht. Wohl war die mitteleuropäische Liga als Hort des Friedens bisher mit Erfolg bemüht gewesen, diese bösen Gelüste in Schranken zu erhalten und durch die Wucht der ihr zu Gebote stehenden Verteidigungsmittel den Widersachern die äußerste Vorsicht aufzuzwingen. Aber der dauernde Bestand dieser Friedensliga selbst wurde von ihren Feinden angezweifelt. Bei ihnen hatte sich seit Jahr und Tag die Meinung festgesetzt, dass die stärkste der drei verbündeten Militärmächte, das deutsche Reich, erst noch seine Probe der inneren Haltbarkeit zu bestehen habe, wenn die ehrwürdige Gestalt des greisen Kaisers, nicht mehr unter den Lebenden weilen würde. Das hohe Alter des Kaisers Wilhelm, die tückische Krankheit, an welcher sein nächster Nachfolger unrettbar dahinsiechte, rückten diese Zeit einer vermeintlichen Erprobung der Lebenskraft des deutschen Reiches in nahe Zukunft. In Paris, in Moskau und Petersburg machten die Kriegsschürer kein Hehl aus ihren Erwartungen, welche sie auf den voraussichtlich binnen kurzer Zeitfrist erfolgenden doppelten Thronwechsel in Preußen-Deutschland setzten; wie auf einen inneren Zwiespalt im Reiche, glaubten sie auch aus eine Entfremdung zwischen den beiden Kaiserhöfen von Berlin und Petersburg rechnen zu können. Nur die persönliche Freundschaft und Hochachtung des Zaren für den erlauchten Verwandten und Freund seines verewigten Großvaters und Vaters bestimmen Kaiser Alexander III. vorläufig noch nicht ganz rücksichtslos jene Politik der freien Hand einzuschlagen, welche die Dränger sich als eine Politik der Aggression dachten und ihre revanchistischen französischen Bewunderer als eine Gewähr für die Verwirklichung des Koalitionsgedankens. Unausgesetzt waren beide Teile tätig bei ihrer Maulwurfarbeit, in welchem der Thronwechsel in Berlin erfolgen sollte, jene Minen zu legen, welche nach dem Hinscheiden des greisen Kaisers, sie in die Luft sprengen sollten. Die Katastrophe in Berlin, welche den Gegnern der Friedenspolitik die Früchte ihrer langen, mühseligen und viel verschlungenen, offenen und versteckten Agitation reifen sollte, trat ein. Kaiser Wilhelm I. erlag der Last seiner Jahre und dem Schmerz über das tragische Schicksal seines edlen Sohnes und dieser nach hunderttägiger Regierung seinem furchtbaren Leiden; die Krone ging auf den jugendlichen Enkel des ersten Kaisers im neuen Reich, des Siegers von Sedan, des als Friedensfürst verehrten Seniors der Souveräne über. Die Erwartung, das neue Reich werde seine Begründer nicht überdauern, so dutzendfach von angeblich berufenen Politikern und Diplomaten den Organen der Gegner der Friedensliga entwickelt, war durch die augenfällige Tatsache, wie der zweimalige Thronwechsel sich vollzogen hat und nach demselben . in frischer Kraft das Regiment, den überlieferten Grundsätzen entsprechend, weitergeführt wurde, gründlich enttäuscht. Nicht weniger glaubten daran das ihre Hoffnung verloren sei, denn sie wähnten die Kluft zwischen Berlin und St. Petersburg sich weiter zu öffnen, doch das Gegenteil war der Fall. Noch gaben aber die Kriegspropheten ihre Sache nicht verloren. Die Idee einer russisch-französischen Koalition zum musste als vertagt erklären werden, daraufhin drehte man den Spieß um. In den Reden der Kriegspartei wurde von einer in Aussicht stehenden Verbindung Russlands und Deutschlands gesprochen auf Kosten der Friedensliga. Die Besuche des Kaisers Wilhelm in Wien und in Rom und die hierbei erfolgten feierlichen Kundgebungen der fortbestehenden ungeschwächten Solidarität des Friedensbündnisses der drei Zentralmächte entkräfteten auch diese Märchen; es schwanden nunmehr für die internationale Kriegspartei die letzten Illusionen, welche sie bezüglich der Folge eines Thronwechsels in Berlin gehegt hatte. Damit erschien die Lage wieder geklärt und die Aussicht auf eine fernere Erhaltung des Friedens so weit gesichert, als derselbe nicht bedroht wird durch die alle zeit rege Rivalität der Staaten und Nationen, welche, so lange Menschen leben auf der Erde und den Kampf ums Dasein führen, sich in irgend einer Form geltend machen wird.
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Das Jahr 1900 wird entscheiden, ob Österreichs Verfassung nicht ein toter Buchstabe ist, ob das feudal kapitalistische Parlament die Fähigkeit besitzt, die konstitutionellen Rechte auszuüben. Vor der Zukunft braucht es niemanden bange sein, auch dann nicht, wenn der § 14 das Parlament ersetzen, auch nicht, wenn ein Staatsstreich geführt werden sollte. Denn es kann in Österreich nicht besser werden, bis es nicht noch schlechter geworden ist. Mögen die Schwarzen die Oberhand gewinnen, möge die Verfassung mit Füßen getreten werden, dem Volke Österreichs darf es nicht bange sein, früher oder später muss es besser werden. Von diesem Parlament hat das Volk auch für den Fall der Arbeitsfähigkeit nichts als neue Steuern zu erwarten. Besser eine einsichtsvolle absolutistische Regierung als diese Volksvertretung. So dachten die Österreicher zu Beginn 1900.
Der freie Mann, der keine Pflichten, keine Rücksichten hat, mag ungestört seinen Liebhabereien nachgehen und sich das Leben nach seinen eigenen Grundsätzen zurechtlegen. Wer Pflichten zu erfüllen hat, dem nötigt die Pflicht zunächst die Grundsätze seines Verhaltens auf: sie wandelt den Hochmut in Bescheidenheit und die Schüchternheit in Selbstbewusstsein, sie räumt auf mit den Vorurteilen und den Idealen, sie zwängt den Geist in die Logik der Tatsachen. Und diese Logik beherrscht in unseren Tagen auch die Politik. Furchtbar sind die Anforderungen gewachsen, welche an die Staaten gestellt sind für ihre Sicherheit nach innen und außen, für das geistige und materielle Wohlbefinden ihrer Bürger. In gleichem Maße sind auch die Ansprüche gewachsen, welche die Staaten an ihre Bürger stellen müssen.
Österreichs Volk seufzte unter dem Druck der Steuerschraube, die Industrie blieb zurück, die Zollschranken wurden ausgedehnt, und das Alles aus Rücksicht auf Galizien und Ungarn. Hinweg mit diesen Volksvertretern, die durch eine Hintertreppenpolitik ihre eigenen Interessen schützten, die Volksinteressen preisgebend. Hinweg mit den Kapitalisten, Feudalen und Klerikalen, die Sonderinteressen verfolgten, die Volksrechte mit Füßen traten. Entweder eine wahre Volksvertretung oder gar keine — das war ihr Wunsch zur Jahreswende 1900. Und wenn im kommenden Jahr das Abgeordnetenhaus aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben werden würden, dann könnte die Regierung — sobald sie ehrlich sein sollte — das freie Wahlrecht schützen: denn ohne dieses wird nicht das Volk, sondern das Kapital, der Adel und die Kirche vertreten und der alte Zustand wird wieder hergestellt sein. Also weg damit.
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Das Jahr 1899 hatte nur ein Ereignis von weittragender Bedeutung gebracht — der Kalif ist endgültig vernichtet worden und damit ist Zentral-Afrika wohl erlöst und der europäischen Kultur eröffnet. Möchte doch auch österreichischer Unternehmungsgeist sich an der ökonomischen Erschließung Afrikas beteiligen Der abgeschlossene sogenannte Samoavertrag beseitigte alte Differenzpunkte zwischen den drei großen germanischen Kolonialreichen England, Nord-Amerika und Deutschland und war zu begrüßen. Wenn der Verfall der Türkei sich auch offenkundig gemacht hatte, so war das ziemlich alles, was sich 1899 an wirklich politisch bedeutsamen Dingen zugetragen hatte.
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