Название | Der Diktator oder Mr. Parham wird allmächtig |
---|---|
Автор произведения | H. G. Wells |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746744438 |
In Mr. Parhams Miene mischten sich Entzücken und Widerstreben. »Sie werden mich nicht zum Tanzen bringen«, sagte er.
Das Gedränge der Menschenmenge ringsum schob sie dicht an ihn heran. Wie lieblich war das Gesicht, so nahe gesehen! Keck, blauäugig! Die Augenlider waren entzückend gebildet. Der weiche, schön geschwungene Mund reizend! »Ich werde Sie zum Tanzen bringen. Und ich könnte Sie zu allem Möglichen bringen. Wissen Sie warum?«
Sie biß kräftig in ein Schinkenbrötchen und fuhr schmatzend fort:
»Weil Sie mir gefallen.«
Sie nickte bekräftigend mit dem Kopf. Mr. Parhams strahlendes Lächeln kam diesmal mühelos. »Ich fürchte, ich werde keinerlei Widerstand leisten«, sagte er und fügte mit der Miene eines Schwerenöters hinzu: »Es ist gar nicht meine Art. Er war hingerissen von ihr. Ja, dieses Geschöpf war etwas anderes als die so absichtlich geistreiche Miss Pomander Poole, an die er fortan keinen Gedanken mehr verschwenden wollte. Mochte sie aller Welt Sandwiches ins Gesicht klatschen!«
Miss Gaby Greuze machte sich klug und bedachtsam an ihre Aufgabe. Nichts auf der Welt ist so abgeschlossen und intim wie ein Zwiegespräch inmitten einer schmausenden und schwatzenden Menge. Der Lärm, den Sir Bussys Gäste machten, war bereits mit Windesrauschen in einem Walde metallischer Blätter verglichen worden. Nun kam noch das Klappern von Tellern, Schüsseln und Bestecken hinzu. Diese Fülle ineinander schmelzender Klänge, dies metallische Lautgewebe in der Luft schuf gleichsam eine Laube, einen Schlupfwinkel für Mr. Parham und seine liebliche Gefährtin. Er brauchte aus diesem geheimen Versteck hervor nur den Arm auszustrecken, um die Champagnerkaraffe zu fassen, Salate aller Art in Schüsselchen, köstliche Leckerbissen in Aspik und erlesenes Obst. Dann reichte er ihr seine Beute dar, und sie lächelte ihm aus ihren so überaus lieblichen Augen Dank zu und bediente sich. Schließlich verließen sie die Tafel Arm in Arm und suchten schalkhaft ein »ruhiges Winkelchen«, wo sie ihm die Grundbegriffe des modernen Tanzes beizubringen gedachte, ehe er sich in den Tanzsaal wagte. Sie vertrugen sich wunderbar. So oft sein klassisch schönes Gesicht sich herbeugte, um ihr Nichtigkeiten zuzuflüstern, liebkoste ihr seidenweiches Haar seine Wangen.
Etwas in diesem Erlebnis gemahnte Mr. Parham an Horaz und die leichteren Schöpfungen der lateinischen Dichter – also konnte es, das fühlte er, nichts durchaus Gemeines oder Schlechtes sein. Es gab Augenblicke, da nur seine klassische Erziehung, das Bewußtsein seines Ranges als Universitätslehrer und die Furcht vor den überaus zahlreichen unerwarteten Ecken und Spiegeln ringsum, sowie vor den überall auftauchenden Bediensteten des Savoy, aber auch, wir müssen es zugeben, eine gewisse ernste Gediegenheit seines Wesens ihn davor bewahrten, das so aufreizend liebliche Geschöpf in die Arme zu nehmen und ihm zu zeigen, was ein Mann von Bildung und Geist auf dem Gebiete leidenschaftlicher Zärtlichkeit zu leisten imstande war.
»Nun vergessen Sie ja nicht, was ich Ihnen gesagt habe«, schärfte ihm Miss Gaby Greuze ein, während sie ihn wieder in den Trubel der Gesellschaft zurückführte; »wenn Sie schön aufpassen, wird es sehr gut gehen. Bis zum nächsten Tanz wollen wir einmal zugucken. Setzen wir uns hierher, und ich will inzwischen eine Limonade trinken.«
Mr. Parham lächelte bei dem Gedanken, was wohl seine Studenten sagen würden, wenn sie ihn jetzt hätten sehen können. Er saß neben seiner Gefährtin, den Arm vertraulich auf die Lehne ihres Stuhles gelegt, und sprach wie ein intimer Freund mit ihr.
»Sir Bussy dünkt mich ein Wunder«, sagte er, indem er in das Menschengewühle blickte.
»Ein recht ärgerliches Wunder«, meinte sie. »Er wird nächstens einmal eine Backpfeife erwischen.«
»Das will ich nicht hoffen.«
»Er würde trotzdem weiter grinsen. Er könnte wirklich was Besseres auf der Welt tun, als die Leute ausnützen – wo er so viel Geld hat.«
»Ich bin eben erst in den Kreis der Plutokraten gezogen worden«, sagte Mr. Parham.
Sie verstand ihn offensichtlich nicht, blickte aber umso respektvoller zu ihm auf.
»Also jetzt«, sagte sie und erhob sich in der Absicht, mit Mr. Parham loszutanzen, sowie etliche andere Paare sich auf der vorläufig noch kahlen Tanzfläche eingefunden haben würden. Sie hatte starke Arme, wie Mr. Parham erstaunt merkte, und auch einen starken Willen, und die Instruktionen, die sie ihm erteilt hatte, waren gut und klar gewesen. Mr. Parham hatte die Kunst des modernen Tanzes so weit begriffen, wie es seiner Wesensart nach überhaupt nur möglich war. »Bussy ist da drüben«, sagte sie und steuerte quer durch den Saal auf ihren Gastgeber zu.
Er stand ganz allein in der Nähe der gestikulierenden Negerkapelle und schien sein ganzes Interesse auf die unerwarteten Übergänge in ihrer Musik zu konzentrieren. Die Hände tief in den Hosentaschen, wiegte er verträumt den Kopf. Mr. Parham und seine Partnerin tanzten zweimal lächelnd an ihm vorüber, ehe er ihrer gewahr wurde.
»Nu!« sagte Sir Bussy, indem er endlich aufblickte. »Es hat keine Stunde gedauert!«
»Ist er das?« fragte sie triumphierend.
»Das ist er«, entgegnete Sir Bussy.
»Sie haben verloren.«
»Nein. Aber Sie haben gewonnen. Ich bin ganz zufrieden. Und ich gratuliere Ihnen, Parham. Ich wußte es ja, daß Sie einen vortrefflichen Tänzer abgeben würden. Wenn man Sie nur an die richtige Lehrerin weist. Man lernt niemals aus im Leben. Wie gefällt sie Ihnen? Sie stellt den alten Velasquez in den Schatten, was?«
»Auf diese Beleidigung hin gehe ich in den Speisesaal und esse Sie arm«, erwiderte Miss Grenze. Zum zweiten Male hatte sie den Sinn einer Bemerkung nicht erfaßt. Sie ließ sich von ihrem Partner wieder in den Speisesaal führen, ohne den Tanz beendet zu haben. Er hätte gern sein Leben lang mit ihr weiter getanzt, doch allem Anscheine nach hatte sie nunmehr ihren Zweck erreicht.
Sie wurde erstaunlich böse. »Man hat Bussy gegenüber immer das Gefühl, als ob man nicht gegen ihn aufkäme«, sagte sie, »auch wenn man eine Wette gewonnen hat. Aber ich will ihn nächstens einmal klein kriegen – koste es, was es wolle. Er bringt einen auf Gedanken …«
»Auf was für Gedanken?« fragte Mr. Parham.
»Habe ich Ihnen denn erzählt …« überlegte sie, und ein sonderbarer Ausdruck zeigte sich plötzlich in ihren Augen. Sie betrachtete Mr. Parham prüfend.
»Sie können mir alles sagen«, meinte er.
»Ach, das will viel heißen. Nein – vorläufig sage ich Ihnen nichts. Wahrscheinlich niemals.«
»Ich kann warten und hoffen«, sagte Mr. Parham mit dem Gefühl, daß das alles oder nichts bedeuten konnte.
Im Speisesaal verlor Mr. Parham seine Gefährtin. Er verlor sie, während er über ihre sonderbaren Äußerungen nachdachte. Was ihr dabei im Sinn gelegen hatte, sollte er erst beträchtlich später erfahren. Es tauchte ganz plötzlich eine Schar junger Mädchen auf, die ihr glichen, aber nicht so wunderhübsch waren; sie umringten sie, drängten sich liebkosend an sie und riefen: »Liebe Gaby! Süße Gaby! Allerschönste Gaby!« Eine Art Berufsschwesternschaft von Tänzerinnen oder jungen Schauspielerinnen. Er wurde von ihr getrennt und wäre fast wieder mit Miss Pomander Poole zusammengeraten, ehe er die Gefahr merkte.
Eine Zeitlang blieb er einsam. Er versuchte, aufs neue in die Nähe seiner allzu beliebten Gaby zu gelangen, jedoch vergebens. Ein widriges Geschick trieb ihn immer wieder zu Pomander Poole hin und sie zu ihm. Ein unbewußtes dramatisches Bedürfnis in ihr, eine Neigung, in Gebärden zu denken, machte es ihm nur allzu klar, daß sie nicht die geringste Lust verspürte, sich nochmals in ein Gespräch mit ihm einzulassen. Es sah aus, als ob sie ihre Gebärden mit Worten begleitete, doch war er glücklicherweise nie so nahe, daß er hätte verstehen können, was sie sagte. Dann stieß er plötzlich auf Lord Tremayne, der ihm in herzlichstem Tone zurief: »Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wie Sie über Westernhanger denken.«
Mr. Parhams augenblickliche Spannung löste sich, als der junge Mann hinzufügte: »Aber jetzt ist es ja zu spät, also wollen wir uns nicht