Название | Erna geht zu Fuss |
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Автор произведения | Dirk Bausch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745013566 |
Wir verabredeten einen neuen Termin. Keinen Freitag und keinen 13. Inzwischen waren die Haare am Bein wieder nachgewachsen. Mit bangen Gefühlen kam der Termin. Ich wäre froh gewesen, wenn sie zu einem anderen Kollegen gegangen wäre. Aber sie hielt große Stücke auf mich und so ging der Kelch nicht an mir vorüber. Manchmal ist mir schon der Gedanke gekommen unliebsame Patienten oder Operationen an einen Kollegen zu überweisen, den ich nicht leiden kann. Aber das konnte ich Anne und Bunny nicht antun.
Wir fangen also an, wie normal. Der Hund schlief ein und mein flaues Gefühl verschwand. Die OP verlief ohne Vorkommnisse. Keine Narkoseprobleme und auch die Heilung verlief optimal. Es zeigt sich also, auch wenn man nicht abergläubisch ist, kann einem ein Freitag der 13. ziemliche Probleme bereiten. Und die Sache mit sogenannten Glückstagen stimmt auch nicht. Seit dieser Zeit bin ich zwar nicht abergläubisch geworden, aber an einem Freitag den 13. führe ich keine geplanten Operationen mehr durch.
Schwäne sind auch nur Menschen
Wieder einmal bekomme ich an einem sonnigen Sonntag im Juli einen Anruf von der Feuerwehr. Solche Anrufe versprechen meist einen aufregenden aber abwechslungsreichen Einsatz. Leider sind diese Aktionen oft sehr langwierig. Der Mann am anderen Ende der Leitung ist fast dankbar, mich gefunden zu haben. Ich erfahre nun, dass auf einem Badesee in einer Nachbargemeinde ein Schwan den Köder eines Anglers mit samt dem Haken verschluckt hat. Das Ende der Angelsehne hängt noch aus dem Schnabel.“ Vielleicht können sie den Schwan einfangen und den Haken herausziehen“ War der gut gemeinte Rat des Anrufers. Na ja, so einfach wird es wohl nicht werden. Mit Ziehen kann ich nur noch größeren Schaden anrichten. Ich packe mir alles, was eventuell notwendig werden könnte, zusammen und fahre los. Der Badesee ist ein beliebtes Ausflugsziel in unserem Kreis. Die eine Seeseite wird als öffentliche Badewiese genutzt, während auf der anderen Angler und Spaziergänger ihre Entspannung suchen. Die Schwäne benutzen beide Seeseiten. Als ich eintreffe, steht dort ein Feuerwehrwagen um den sich fast alle Badegäste versammelt haben. Ich „liebe“ solche Menschenaufläufe. Ich bahne mir also einen Weg durch diese Menschentraube. Es wird ein zäher Kampf, da ich die Worte „Ich bin Arzt, lassen mich durch“, vermeide. Wir besprechen die Situation. Die Feuerwehr hat ein Schlauchboot. Ich bestücke mein Blasrohr mit einem Pfeil und steige in das Boot. Vorsichtshalber nehme ich einen großen Kescher mit. Ich hatte noch nie einen Schwan in Narkose gelegt und so gingen mir allerlei Gedanken im Kopf umher. Wie viel wiegt so ein Tier, wohin schießt man den Pfeil und wenn er dann einschläft, geht er dann unter? Wir jagen über den See. Es gibt viele Schwäne und so dauert es einige Zeit bis wir den, mit der Angelsehne aus dem Schnabel, ausgemacht haben. Es gelingt, den Schwan von den anderen abzusondern. Ich will ihn lieber in der Nähe vom Ufer betäuben, um ein Ertrinken zu vermeiden. Und tatsächlich geht das gestresste Tier sogar an Land. Mir gefällt das sehr gut. Aber einer der zuschauenden Angler treibt den Schwan wieder ins Wasser. Ich muss meinen Unmut unterdrücken. Denn gerade komme ich in eine gute Schußposition und glücklicher Weise treffe ich gleich beim ersten Mal. Der Schwan schläft ein und geht nicht unter. Somit war die erste Hürde genommen. Ich transportiere das schlafende Tier in die Praxis. Als erstes mache ich eine Röntgenaufnahme, um die Lage des Angelhakens zu bestimmen. Gut für den Schwan, der Haken sitzt genau in der Mitte des langen Halses. Da ich den Haken nur operativ aus dem Muskel der Speiseröhre ohne Schaden entfernen kann, muss der Patient in den OP. Nun wird die Narkose durch eine Narkosemaske vertieft. Die eigentliche OP ist nicht so schwer. Ich finde den Haken schnell. Dann beginnt die langwierige Prozedur des schichtenweisen Zunähens. Nun wird die Narkose abgeschaltet. Ich beschließe, meinen Patienten noch zwei Tage zur Beobachtung in der Praxis zu behalten. Der Schwan erholt sich auffallend schnell und frisst problemlos. So kann ich ihn wieder zu seinen Verwanden und dem See bringen. Ich wickle ihn in eine Decke und bringe ihn ans Ufer. Diesmal ist der Menschenauflauf nicht so groß. Als der Schwan auf das Wasser zuläuft, geschieht etwas völlig unerwartetes. Aus der Gruppe der auf dem See schwimmenden Schwäne kommt ein Tier genau auf uns zu. Im Wasser treffen beide Tiere aufeinander. Nun begann ein kaum zu beschreibendes Begrüßungsritual. Die beiden Tiere umarmten sich fast. So wie ein altes Ehepaar, das lange getrennt war. Dann schwammen sie beide nebeneinander zu den übrigen Schwänen. Für mich war das der beste Lohn meiner Arbeit.
Silvester
Es ist der 31. 12. und ungefähr acht Uhr abends. Wir wollen gerade losgehen und unsere Verabredung treffen. Ich gebe zu, es ist selten, viel zu selten dass wir ausgehen. Meine Frau geht gerne aus. Ich dagegen bin froh mal meine Ruhe zu genießen. Ich muß mir deshalb oft zynische Bemerkungen gefallen lassen. Manchmal geht sie auch mit ihren Freundinnen allein weg. Aber irgendwie kommt immer was dazwischen. So auch diesmal. Wir sind also in Hut und Mantel und da, da klingelt das Telephon. Das klingeln löst bei mir das übliche Magenkrampfen aus. Ich ahne nichts Gutes. Aber vielleicht ist es nur ein verfrühter Gruß zum neuen Jahr. Diesmal gebe nicht ich meiner Frau die schuld an dem störenden Anruf, sondern ich werde Opfer ihrer sarkastischen Bemerkungen. “Du wolltest ja sowieso nicht weg gehen. Bestimmt hast du dir eine Kuh bestellt” Etwas ärgerlich sage ich “ Ja eine mit einem ganz großen Euter.” Zwischenzeitlich hat das Telephon nicht aufgehört zu läuten und ich hebe ab. Nun erfahre ich, dass mein großer Nachbarkollege zwar Notdienst hat, aber in Warnemüde Sylvester feiert. Und eine Boxerhündin Schwierigkeiten bei der Geburt hat. Ich lamentiere über die laxe Dienstauffassung meines Kollegen und höre mich sagen: „Na dann kommen sie mal her.“ Meine Frau guckt, als hätte sie in eine Zitrone gebissen und zieht sich stampfend zurück. Ich ärgere mich. Über meine großzügige Zusage, meinen unzuverlässigen Kollegen und nicht zuletzt über meine Frau. Als es klingelt, steht sie dann aber in Arbeitssachen in der Praxis und sagt: “ Dann lass uns mal anfangen!” Die Boxerhündin gehört einer hübschen Krankenschwester aus unserem Krankenhaus. Sie heißt Corinna Schiffer. Ich kenne sie schon lange, aber nie war sie Patientin bei mir. Sie ging immer zu dem großen Kollegen, der immer der “Beste” ist. Heute hat sie ihren Freund mitgebracht. Er ist bestimmt zehn Jahre jünger als sie. Beide sind aufgeregt wie bei der eigenen Geburt. Nach den üblichen Begrüßungen und Entschuldigungen kann ich mich meiner Patientin widmen. Die Hündin presst in regelmäßigen abständen aber bisher ist kein Welpe geboren worden. Obgleich Corinna als Schwester in der Gynäkologischen Abteilung des Krankenhauses arbeitet, ist sie völlig hilflos. ich beginne mit der Untersuchung. Erstmal Ultraschall dann eine vaginale Exploration. Der erste Welpe liegt quer und versperrt den natürlichen Ausgang. Die Hündin muß auf den Tisch und ich versuche die Fehllage zu beheben. Mit viel Mühe und einer Unmenge von Verrenkungen und Flüchen gelingt es. Der erste Welpe ist da aber tot. Das war auch nicht anders zu erwarten. Das Ergebnis meiner Handlung befriedigt Corinna und Freund Thomas nicht. Da erscheint meine Frau mit frischem Kaffee. Ein Lichtblick. Ich hege die Hoffnung, dass die restlichen Welpen nun von allein auf die Welt kommen und genieße meinen Kaffee. Vielleicht können wir doch noch die Verabredung ein- halten. Wir kommen zwar zu spät, aber immerhin. Die wenigen Gastgeber rechnen nie damit, dass wir pünktlich kommen. Schließlich bin ich der Meinung, wenn der Tag noch stimmt, bin ich pünktlich!
Als der Kaffee alle ist, hat sich nichts weiter getan. Nicht mal der Hauch einer Wehe zeigt sich. Ich erinnere mich an ein berühmtes Zitat. Lass alle Hoffnung fahren... Die Hündin ist so geschafft von den vorangegangenen Strapazen, dass sie keine Kraft für weitere Wehen hat. Ich muß die Hündin stabilisieren und mit Oxitocin-Injektionen die restlichen Welpen ans Tageslicht befördern. Wobei Tageslicht irgendwie unpassend ist. Jeder einzelne Welpe benötigt seine eigene Oxitocin-Injektion. Als alle zwölf da sind, ist es zwölf Uhr. Wir haben allen Grund ein Fläschchen zu öffnen. Und so feiern wir Sylvester zu 17.. Irgendwie wurde es ganz lustig. Corinna ging später wieder zu dem anderen Tierarzt. Ich war ein bisschen verärgert. Zwischenzeitlich hat sie sich entschlossen, sogar ihr Pferd von mir behandeln zu lassen.
Der schönst Moment am Tag
Nach einem anstrengenden Tag gehen meine Frau und ich endlich zu Bett. Es ist fast zwölf Uhr