Название | Glaube & Ansichten – Beiträge zur zeitgenössischen deutschen Geschichte |
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Автор произведения | Joachim Gerlach |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737530033 |
Der kleine Opel, viertürig und flink, übertraf dann auch all unsere Erwartungen und setzte uns zur Geburtstagsfeier in Potsdam in ein den neuen gesellschaftlichen Umständen entsprechendes gebührendes Licht. Wir fuhren ihn bei bester Zufriedenheit ohne jegliche Störungen drei Jahre, bis ein wildgewordener Skoda-105-Fahrer, von dem man mir später sagte, dass sogar allerhöchste Vorsicht geboten sei, wenn man seiner in der Kaufhalle mit einem Einkaufswagen ansichtig würde, ihn an einem schönen Samstagmorgen im geparkten Zustand in rasanter Fahrt bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 kmh und der völligen Ignoranz einer knapp davor gelegenen gleichberechtigten Kreuzung aufs Horn nahm und in die Luft schleuderte. Kopfüber landete der Corsa auf dem Dach. Personenschaden keiner, das Auto Totalschaden. Im gleichen Zug demolierte der Ritter der Landstraße zwei weitere an gleicher Stelle geparkte Fahrzeuge, davon eines gleichermaßen totalgeschädigt. Sein Skoda hatte auch arg gelitten. Nur er, der flotte Fahrer, blieb nahezu unverletzt und eilte nach vollbrachter Tat ohne den Schrottplatz auch nur noch eines Blickes zu würdigen von hinnen. Nein, er hätte, von Nacheilenden festgehalten und zur Rede gestellt, überhaupt keine Zeit, sich dem Fortgang seiner Zertrümmerungen zu widmen. In wenigen Stunden führe sein Bus in den Urlaub nach Bayern, da wäre zu Hause bei Gott noch einiges vorzubereiten. Seine Versicherung vergütete uns den Schaden mit 17.000 D-Mark, 2000 mehr als wir für den Corsa selbst gezahlt hatten. Das war ein guter Deal, und wir wurden noch Monate danach von Leuten mit Autos, die sie gern alt gegen neu getauscht hätten, befragt, ob wir wüssten, wo denn der rasante Automobilist wohne und in aller Regel entlang führe.
Mit den 17.000 Mark erstanden wir eine gebrauchten Toyota, der hatte gerade einmal 30.000 Kilometer auf den Reifen. Mit dem befuhren wir die Tschechei und die Slowakei, und er leistete uns störungsfrei die besten Dienste, bis er nach wiederum drei Jahren auf der A9 kurz vor Leipzig zwischen die Mahlsteine geriet. Diesmal allerdings mit Dagi und mir an Bord. Nacht war es schon und wir auf dem Weg von Potsdam nach Hause, wenn ich mich recht erinnere, wieder einmal von einer der alljährlichen Geburtstagsfeiern meiner Schwiegermutter. Die Autobahn in alle Richtungen zugestopft infolge der unendlichen Baustellen im Rahmen des Aufbaus-Ost. Nur hin und wieder die Chance, mit ein bisschen mehr Gas zügig voranzukommen. In einer solchen Beschleunigungsphase passierte es: Nach kurzzeitiger flotter Fahrt plötzlich wieder nur noch rote Bremslichter, und ich hatte alle Mühe, dem vor mir Fahrenden nicht aufzusitzen. Dann plötzlich ein hartes Geräusch, und ich bekam bei aller Bremskraft den Wagen nicht zum Stehen und dachte, ein technisches Problem sei die Ursache. Die Zeit lief wie tausendfach verlangsamt. Ich sah den Toyota auf den vor mir fahrenden Audi auffahren, die Motorhaube sich hochfalten und fand mich wieder rücklings auf dem nach hinten geklappten Sitz. Dagi gleichermaßen. Was war nur geschehen? Ich rappelte mich auf, half auch Dagi in die Senkrechte, beide scheinbar ohne sichtbaren Schaden. Dann, allmählich zu mir kommend, beschloss ich, auszusteigen, dem Aufgefahrenen meine Entschuldigung darzubieten und den Crash zu besichtigen. Wie ich gerade die Tür öffnete und noch nach einer einigermaßen vernünftigen Entschuldigungsformel suchte, wurde die Tür von außen gänzlich aufgerissen und vor mir stand ein hektischer junger Mann, der stammelnd von sich gab: Es tut mir wirklich leid, ich bin Ihnen wohl soeben hinten aufgefahren! So stellte sich heraus, dass das harte Geräusch daraus resultierte, und wir auf den Vorderwagen aufgeschoben wurden, weswegen ich ich auf die Bremse drücken konnte wie ein Wahnsinniger, ohne dass es Effekte zeigte.
Dieser Unfall war ein Glück im Unglück, denn er kaschierte in wunderbarer Weise den argen Blechschaden an der Beifahrertür, den mir beim Rechtsüberholen ein Fahrer im BMW mit Regensburger Kennzeichen zufügte, und den wir mangels Finanzkraft für 600 Mark an der Steuer vorbei nur oberflächlich verkitten und lackieren ließen. Bemerkenswert an diesem Unfall war, dass der Regensburger nach dem Crash keine Anstalten machte, sein Fahrzeug zu verlassen. Ausgelassen ruhig verblieb er darinnen, drehte bei meinem Nähern nur etwas die Scheibe herab und fragte im besten Fränkisch, wie ich mir das denn nun weiter vorstelle. Das schaffte Schuldgefühle, allerdings nur bei mir, und ich gestand ihm 50 West-Mark zu, zahlbar auf der Stelle, um für die kaum sichtbare Schramme an seinem Plastik-Stoßfänger zu büßen. Dass der Regensburger ganz höchstwahrscheinlich selbst erheblich Schuld an der Karambolage trug, kam mir erst später in den Sinn. Sein, wie man heutzutage sagt, ausgesprochen cooles Verhalten nötigt mir noch heute Respekt ab, aber ich habe es selbst nie zu dieser Meisterschaft gebracht.
Wir erhielten nach dem Auffahrunfall auf der A9 umgehend einen Leihwagen, ich glaube es war ein Fiat, den wir nach kurzer Fahrt mit einer von der Gegnerversicherung bezahlten Taxe am nahe gelegenen Leipziger Hauptbahnhof abholten, und mit dem wir die Heimreise ohne weitere Störungen fortsetzten. Der Toyota indes erwies sich als Schrott, und die Versicherung des Verursachers löhnte 11.000 Märker. Davon kauften wir, (der Sachzwang, der Sachzwang!, nunmehr auch berufsbedingt, denn ich musste als Geschäftsführer unserer kleinen GmbH, welche mit den Tschechen zu handeln versuchte, zuweilen bis an die Grenze zur Ukraine vorstoßen) nach diversen Probefahrten mit allerlei Fahrgerät - ein Renault Lagune war darunter und wohl auch ein Opel Astra - einen Mazda 303, den mit den Schlupfaugen. Farbe weiß, Tachostand 70.000 Kilometer. Und hatten Glück. Denn wir schlossen mit dem Kauf eine Gebrauchtwagenversicherung ab, die wir schon nach kurzer Betriebszeit der Neuerwerbung in Anspruch nehmen mussten: der rechte Vorderradantrieb lief aus dem Ruder, kurz darauf auch der linke, was uns keinen Penny kostete, den Auto-Händler allerdings seine Versicherung.
Den Mazda überließen wir nach dreijähriger Fahrt, ich fuhr nunmehr einen Passat mit allen Raffinessen als Dienstwagen, unserm Sohn, der seinen Opal Kadett wiederum seiner studierenden Schwester überließ. Über deren Fahrabenteuer mit dem Opel-Kadett wären ganze Bände zu beschreiben, was allerdings den Rahmen dieser Geschichte erheblich sprengen würde. Den Mazda veräußerte unser Sohn Jahre später bei einem Händler in Frankfurt, am Main versteht sich. Zum Nulltarif, als er sich einen fahrbaren Untersatz zulegte, für den man zu früheren Zeiten wohl einen Waffenschein benötigt hätte.
Mit dem Passat, stolze 120 PS unter der Motorhaube, inklusive Klimaanlage, ABS, Servolenkung und jede Menge Airbags (die ich nie benötigte) kurvte ich als EDV-Beauftragter eines deutschlandweit agierenden Baumaschinenunternehmens vier Jahre lang durch die Gegend und lernte so Land und Leute kennen, was mich unter anderem lehrte, dass die Mehrzahl der Wessis durchaus ganz vernünftige Kerle sind, auch wenn sie hin und wieder infolge Nichtwissens zur Arroganz neigen. Dies bis zur Entlassung kurz vor meinem 55. Lebensjahr. Dagi hatte sich, da der Passat und ich an den Wochentagen nicht zur Verfügung standen, inzwischen einen roten VW Polo zugelegt, und der tat seine Dienst zu ihrer vollsten Zufriedenheit. Anzumerken wäre eine kleine Karambolage, die sich mit dem Polo im Stadtzentrum ereignete und eigentlich nicht der Rede gewesen wert wäre. Ich erwähne sie nur, weil hier zum wiederholten Male (und auch noch später in ähnlichen Fällen) deutlich wurde, dass die von uns bis dahin für dringend unentbehrlich gehaltene Kfz-Rechtsschutzversicherung eigentlich zum Fenster hinausgeworfenes Geld war. Diese Versicherung brachte mir allerdings Jahre später satte 10.000 Mark ein, allerdings nicht aus einem Vorfall mit dem Auto sondern mit dem Fahrrad, von welchem ich durch einen Hund übel zu Fall gebracht wurde
Das Damoklesschwert einer langjährigen, bis zur vorzeitigen Verrentung andauernden, wahrscheinlich in Hartz- IV mündenden Arbeitslosigkeit senkte sich jedoch, einem Wunder gleich, nicht weiter, Ein gleichermaßen deutschlandweit vernetztes Unternehmen fing mich auf, in dessem Auftrag ich die folgenden fünf Jahre noch mehr an Land und Leuten kennenlernte sollte als bisher. Das beförderte auch meinen persönlichen Einigungsprozess der beiden deutschen Staaten, des wie gehabt beibehaltenen und des umgestülpten beigetretenen, weiterhin nachhaltig positiv. Fortan waren die Straßen und Autobahnen von Flensburg bis Augsburg, vom Breisgau bis zum Oderbruch mein Arbeitsplatz, jedenfalls zur guten Hälfte, und der Dienstwagen mein Büro. Zuerst fuhr ich einen Ford Mondeo. Den übernahm ich als Interimslösung