Название | Die denkwürdigen Erlebnisse des Artur Gordon Pym |
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Автор произведения | Edgar Allan Poe |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746750101 |
Henderson ließ die Jolle herab und sprang mit den beiden, die mich zuerst am Ruder erblickt hatten, hinein. Sie waren eben aus dem Lee des Schiffes (der Mond schien noch mit hellem Lichte), als dieses lange und kräftig anluvte und Henderson im selben Moment seiner Mannschaft zurief, sie solle rückwärts rudern. Immer wiederholte er ungeduldig den Ruf: »Rückwärts! Rückwärts!« Die Leute folgten so rasch wie möglich dem Befehl, aber inzwischen war das Schiff vollkommen mit dem Bug im Wind, trotz aller Anstrengungen der Bemannung, die Segelfläche zu verringern. Obwohl es ein höchst gefährliches Beginnen war, packte Henderson die Großrüsten, sobald sie in seinen Bereich kamen. Ein neuer Stoß brachte die Steuerbordseite des Fahrzeuges fast bis zum Kiel übers Wasser hinaus, und nun erkannte man den Grund seiner Besorgnis. Ein menschlicher Körper hing auf eigentümliche Art an dem glatten und leuchtenden Schiffsboden (der »Penguin« war vollständig mit Kupfer belegt) und schlug mit jeder Bewegung des Schiffsleibes heftig dagegen an. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen, während das Schiff hin- und herstieß und das Boot überflutet zu werden drohte, wurde ich aus dieser gefährlichen Lage befreit und an Bord gebracht. Einer der Schiffsnägel war durch das Kupfer gedrungen, an diesem hatte ich mich gefangen, als ich unter dem Rumpf dahinglitt. Der Nagel hatte den Kragen meiner grünleinenen Jacke und meinen Nacken durchbohrt, sich zwischen zwei Sehnen durchgedrängt und war hinter dem linken Ohr wieder hervorgekommen. Man legte mich ins Bett, obwohl das Leben aus mir geschwunden schien. Es gab keinen Wundarzt an Bord. Doch erwies mir der Kapitän jede Aufmerksamkeit – gewiß, um in den Augen der Mannschaft sein früheres abscheuliches Benehmen wiedergutzumachen.
Inzwischen war Henderson wieder vom Schiff abgestoßen, obgleich der Wind sich zum Orkan gesteigert hatte. Nach einigen Minuten bemerkte er einige Trümmer unseres Bootes, und bald darauf versicherte einer der Leute, er höre in den Zwischenpausen des Sturmes Hilferufe. Trotz wiederholter Signale, durch die Block sie zur Rückkehr aufforderte, suchten die braven Seeleute rastlos weiter. Es ist kaum zu glauben, daß solch schwache Jolle auch nur für einen Augenblick der drohenden Zerstörung entging. Doch war sie für den Walfang gebaut und, glaub' ich, mit Luftkästen versehen, wie man sie bei den Rettungsbooten findet, die an der Küste von Wales in Gebrauch sind.
Nach längerem vergeblichem Suchen beschloß man endlich, an Bord zurückzukehren. Kaum war dies ausgesprochen, als von einem dunklen Gegenstande, der eilig vorüberschwamm, ein matter Ruf nach Hilfe ertönte. Man holte den Gegenstand rasch ein. Es war das Halbdeck des »Ariel«. Neben ihm schwebte in Todesnöten Augustus. Er war durch ein Tau mit dem schwimmenden Deck verbunden. Dieses Tau hatte ich, wie erinnerlich sein dürfte, ihm selbst umgelegt und an einem Ring befestigt; und offenbar wurde dies die Ursache seiner Rettung. Der »Ariel« war leicht gebaut, und im Untergehen brach er auseinander; das Verdeck der Kambüse wurde durch die hereinrasende Flut hochgehoben, und Augustus entging so einem grauenvollen Tode.
Es dauerte mehr als eine Stunde, bevor er von sich zu erzählen oder den Unfall, der dem Boot widerfahren war, zu begreifen vermochte. Endlich kam er völlig zu Bewußtsein und sprach viel von dem, was er auf den Wellen empfunden hatte. Als er zuerst von seinem Rausch erwachte, fand er sich unter der Oberfläche, wurde mit unfaßbarer Schnelligkeit herumgewirbelt und fühlte einen Strick, der sich mehrfach um seinen Hals wand. Einen Augenblick später schoß er nach oben, sein Kopf schlug gegen etwas Hartes, und er wurde abermals bewußtlos. Als er noch einmal zu sich kam, war er im Besitz seiner Vernunft; doch blieb diese noch arg umwölkt und verworren. Er wußte jetzt, daß ein Unfall sich ereignet hatte und daß er im Meer schwamm, obwohl sein Mund frei war und er ohne viele Mühe Atem schöpfen konnte. Wahrscheinlich trieb das Halbdeck um diese Zeit vor dem heftigen Winde, und er wurde, auf dem Rücken liegend, von jenem geschleppt. Natürlich hätte er nicht lange in dieser Lage verharren können und wäre jedenfalls zuletzt ertrunken. Eine mächtige See schleuderte ihn über das Deck; hier hielt er sich fest, von Zeit zu Zeit nach Hilfe schreiend. Gerade vor seiner Entdeckung durch Herrn Henderson hatte er, gänzlich erschöpft, die Trümmer losgelassen und sich in sein Schicksal ergeben. Während er um sein Leben kämpfte, entschwand ihm jegliche auch noch so blasse Erinnerung an den »Ariel« und die Ursachen seines Unheils. Ein unbestimmtes Gefühl des Schreckens, der Verzweiflung hielt alle seine Sinne umfaßt. Als man ihn endlich bergen konnte, verließ ihn die Fähigkeit zu denken, und er kam, wie erwähnt, erst nach einer Stunde dazu, seinen Zustand zu erkennen. Was mich anbetrifft, so wurde ich am Rande des Grabes (nachdem jedes andere Mittel während dreieinhalb Stunden umsonst versucht worden war) durch eine gründliche Abreibung mit in heißem Öl gebadetem Flanell gerettet. Diese Kur hatte Augustus vorgeschlagen. Die Wunde am Nacken erwies sich trotz ihres garstigen Aussehens als ungefährlich, und ich erholte mich rasch von ihren Wirkungen.
Der »Penguin« lief um neun Uhr morgens in den Hafen ein, nachdem er noch einen heftigen Sturm, wie man ihn an unserer Küste selten antrifft, glücklich bestanden hatte. Augustus und ich erschienen zum Frühstück bei Barnard; erfreulicherweise wurde es, wegen des Festes vom Abend vorher, etwas spät aufgetragen. Die mit am Tisch saßen, waren zu müde, um unser klägliches Aussehen zu bemerken; aufmerksamer Beachtung wäre es freilich nicht entgangen. Aber Schuljungens können in der Verstellung Wunderbares leisten, und ich glaube in der Tat, daß kein einziger unserer Freunde in Nantucket die leiseste Ahnung hatte, die von einigen Seeleuten in der Stadt berichtete Schauermär von einem Fahrzeug mit dreißig bis vierzig Menschen, das sie auf dem Meer übersegelt hätten, habe auch nur die geringste Beziehung zum »Ariel«, meinem Gefährten oder mir selbst. Wir beide haben seitdem oftmals die Angelegenheit besprochen, jedoch niemals, ohne zu schaudern. In einem unserer Gespräche gestand mir Augustus ganz offen, daß er noch nie in seinem Leben ein so marterndes Gefühl der Verzweiflung empfunden habe, als da er an Bord unseres kleinen Bootes erkannte, daß er vollständig bezecht und unter dem Einflusse dieses Rausches die Besinnung zu verlieren im Begriff war.
Zweites Kapitel
Wo es sich um Vorliebe und Abneigung handelt, sind wir niemals imstande, aus den einfachsten Tatsachen Schlüsse zu ziehen. Man sollte denken, daß ein Ereignis wie das oben geschilderte meine keimende Leidenschaft für das Meer vollkommen zerstört haben müßte. Ganz im Gegenteil: ich empfand noch nie ein so brennendes Verlangen nach den wilden Abenteuern eines Seemannslebens wie in der Woche, die auf unsere wundersame Errettung folgte. Dieser kurze Zeitraum erwies sich lang genug, um alle Schatten jenes gefährlichen Erlebnisses zu verscheuchen und alle angenehmen, aufregenden, farbenglühenden Momente, all das Malerische ins hellste Licht zu stellen. Meine Gespräche mit Augustus wurden immer häufiger und immer reicher an Interesse. Er hatte eine Art, seine Ozeangeschichten (von denen gewiß mehr als die Hälfte erlogen war) zu erzählen, die wohl dazu angetan schien, auf einen Menschen mit meinem begeisterungsfähigen Gemüt und meiner düsteren