Название | Ströme meines Ozeans |
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Автор произведения | Ole R. Börgdahl |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847621058 |
Heute werden wir an Mutter denken, denn es ist ihr Geburtstag. Unsere Glückwünsche hat sie hoffentlich schon erhalten. Den Brief habe ich bereits vor Wochen abgeschickt. Es ist wichtig, dass sie ihn gelesen hat. Für den heutigen Tag habe ich mir nämlich etwas Besonderes ausgedacht. Die Kinder sollen ihrer Großmutter etwas singen. Mutter wird es natürlich nicht hören können, wie auch, aber ich finde, es ist trotzdem eine schöne Idee. Ich habe Mutter davon geschrieben, unser Vorhaben angekündigt. Ich schaue auf meine treue Schiffsuhr, die mir die Zeit in Europa anzeigt. In einer halben Stunde ist es soweit. Mutter kennt die Uhrzeit, sie soll dann ganz stillsitzen und die Augen schließen und sich vorstellen, dass sie uns singen hört. Sie soll mir unbedingt berichten, wie es war. Ich hoffe dies alles klingt nicht zu albern.
Papeete, 22. September 1897
Victor und ich haben über die Neuigkeiten im fernen Europa gesprochen. Vor gut einem Monat hat sich unser Staatspräsident Monsieur Faure zu einem offiziellen Besuch beim russischen Zaren in Kronstadt eingefunden. Alles dreht sich um das Bündnis zwischen Frankreich und dem Russischen Reich, eine Militär-Allianz, wie Victor mir erklärt hat. Russland ist schon seit ein paar Jahren unser Bündnispartner. Mit Faures Besuch wurde es jetzt noch einmal bekräftigt. Der Besuch gilt auch als Signal an andere Nationen.
Papeete, 5. Oktober 1897
Victor hatte Colonel Dubois vor ein paar Wochen geschrieben. Victor wollte wissen, wie über ihn geredet wird, ob sich die Verleumdungen dieses Leverne herumgesprochen haben. Ich war erst gegen den Brief, was soll schon sein, es gibt doch keine Beweise. Victor ist Christ, es ist doch unerheblich, als was seine Mutter zur Welt gekommen ist. Victor wurde christlich erzogen, er ist ein guter Christ. Colonel Dubois Antwort ist jetzt eingegangen. Es gab ein ganz einfaches Fazit: Keiner spricht über Victor, die Leute erinnern sich an ihn, aber keiner spricht über ihn. Ich möchte über dieses Thema jetzt auch nichts mehr hören.
Papeete, 18. Oktober 1897
In den letzten beiden Jahren habe ich Schwester Jolanta nur wenig gesehen. Der Orden betreibt außerhalb Papeetes eine Schule und dort unterrichtet sie. Ich denke mir, es ist eine lohnende Aufgabe, mit Kindern zu arbeiten. Von den Neuigkeiten war ich dann doch schon überrascht. Es ist eben schwer einzuschätzen, was wirklich in einer Ordensschwester vorgeht. Schwester Jolanta jedenfalls wohnt jetzt in einem Hotel in Papeete und sie wartet auf eine Passage nach Europa. Ich habe sie kurz gesprochen, ich habe sie besucht und Thérèse und Julie mitgenommen. Schwester Jolanta wird nicht nur Tahiti verlassen, sondern auch aus ihrem Orden austreten. Sie hofft in Frankreich als Lehrerin arbeiten zu können. Ich habe sie nicht weiter nach dem Warum gefragt, ich will sie aber bestimmt noch einmal vor ihrer Abreise besuchen.
Papeete, 22. Oktober 1897
Ein Brief von Anne, von einer glücklichen Anne. Sie hat ihr Kind bekommen, schon vor sechs Wochen. Es ist ein Mädchen und Anne hat sie Marlène genannt. Den Namen des Vaters hat sie mir noch immer nicht verraten und ich rechne auch nicht damit ihn jemals zu erfahren, ich will es auch nicht. Es ist Annes Weg, sie muss sich jetzt um ihr Kind kümmern, es aufziehen.
Papeete, 1. November 1897
Auch in diesem Jahr ist mir das Postglück hold geblieben. Der Brief kam schon gestern und ist voll mit Glückwünschen, auch von den Tanten und Onkeln. Die Eltern waren vor einigen Wochen wieder zu Besuch in London. Mutter schreibt über eine Fahrt durch einen Tunnel, der unter der Themse verläuft. Der Tunnel wurde erst in diesem Jahr eröffnet. Mutter war es geradezu unheimlich und sie hat innerlich gehofft, dass die Droschke so schnell wie möglich die andere Seite erreicht. In dem Tunnel war es muffig und feucht, was nicht wundert, wo doch ein riesiger Fluss mit seinen Wassermassen darüber verläuft. Vater war dagegen so begeistert, dass er die Kutsche mehrfach anhalten ließ, um sich die Wandungen des Tunnels anzusehen, was Mutter jedes Mal beunruhigte, da sie dem Schlund, wie sie schreibt eigentlich so schnell als möglich entkommen wollte. Am Ende war sie allerdings auch stolz darauf, die Themse unterquert zu haben. Der Grund des Londonbesuchs war aber ein anderer. Vater ist mit einem Zuckerfabrikanten befreundet. Mr. Henry Tate ist wie die Eltern in Liverpool ansässig, hat aber jetzt seine wohl bedeutende Kunstsammlung der britischen Krone überantwortet, woraufhin eine neue Kunstgalerie in London eröffnet wurde. Mutter und Vater hatten eine Einladung, eine Unternehmung, die Mutter mehr zusagte als die Tunneldurchfahrt. Dann schreibt Mutter natürlich noch über ihren Geburtstag. Ich habe selbst schon nicht mehr an das Ständchen gedacht, dass Thérèse und Julie ihrer Großmutter gegeben haben, aus der Ferne gegeben haben. Mutter hat morgens pünktlich um zehn ganz still auf der Couch im Salon gesessen und die Augen geschlossen. Es gab keine Ablenkung, Vater war schon im Kontor, Miss Hutchinson beim Einkauf. Mutter schreibt, dass sie sich vorstellen konnte, wie die Kinder singen. Ich musste lächeln, Mutter hat es so beschrieben, als wenn sie ganz fest daran geglaubt hat. Ich denke, das ist auch das Wichtigste. Wir werden es jetzt jedes Jahr wiederholen, auch zu Vaters Geburtstag. Mutter muss dafür sorgen, dass auch er ganz fest daran glaubt.
Papeete, 12. November 1897
Schwester Jolanta hat gestern das Schiff genommen, jetzt ist sie schon auf den Weiten des Ozeans. Ich wünsche ihr alles Gute. Ich habe sie vor ein paar Tagen noch einmal besucht, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Ich wollte Schwester Jolanta für die Kinder gewinnen, als Erzieherin, wenigstens für ein oder zwei Jahre. Sie hat zwar gezögert, aber ihr Entschluss stand dann doch fest, sie verlässt Tahiti. Sie muss auch nach Frankreich, denn sie will ja aus ihrem Orden austreten. So haben wir uns verabschiedet. Ich bin ein wenig traurig, obwohl ich Schwester Jolanta die letzten beiden Jahre gar nicht mehr gesehen habe.
Papeete, 17. November 1897
Ich habe selbst nicht darauf geachtet, aber jetzt wurde mir erzählt, dass die Post über San Francisco nach Tahiti kommt. Folglich geht der Postverkehr dann quer durch den amerikanischen Kontinent und schließlich über den Atlantik nach Europa. Diese neue Verbindung soll einige Wochen Zeitersparnis bringen, schon nach einem Monat kann ich so einen aus Gayton abgesendeten Brief erhalten. Leider ist es wohl nur ein Versprechen, denn die erste Dampferverbindung nach San Francisco, mit der ich meine Post verschicken wollte, findet nicht statt.
Papeete, 3. Dezember 1897
In den letzten Wochen waren wir häufig an unserem Weiher. Die Mädchen haben zwar noch immer nicht das Schwimmen erlernt, wofür sie ja auch noch zu klein sind, aber es gibt ein neues Vergnügen. Der Weiher wird von einem Wasserfall gespeist. Victor kann dort, wo die Fluten in den Weiher stürzen, noch stehen und er hat sich mit den Mädchen im Arm unter den Wasserfall gestellt. Erst war es den beiden nicht geheuer, aber dann hat es ihnen großen Spaß gemacht, obwohl das Wasser eher kalt war.
Papeete, 22. Dezember 1897
Unseren Hochzeitstag haben wir ausnahmsweise einmal drei Tage zu früh begangen. Gestern hatte sich Victor freigenommen und wir haben die Kinder den ganzen Tag in Fanaas Obhut gelassen. Den Tag hatten wir also für uns, nur für uns.
1898
Papeete, 9. Januar 1898
Victor kennt einen Fischer, der uns jetzt eingeladen hat, mit ihm hinaus auf See zu fahren. Heute am Sonntag, am Nachmittag, haben wir das Angebot angenommen, natürlich ohne die Kinder. Ich hatte zum Glück schon in der Messe am Vormittag ausführlich gebetet. Es war allerdings nicht notwendig. Die See war ruhig und unser Fischer verstand sein Handwerk. Victor hat ihn Otoo genannt, aber ich bin beim Monsieur Otoo geblieben. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich erst gar nicht auf das Boot, es war mir zu klein. Es hat mich schon Überwindung gekostet, aber ich konnte Monsieur Otoo ja auch nicht beleidigen. Ich habe meine Angst heruntergeschluckt und später dann nicht mehr daran gedacht, auch weil es einfach herrlich war. Natürlich fischt Monsieur Otoo nicht auf einem Sonntag, zumindest