Ziegelgold. Tom Brook

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Название Ziegelgold
Автор произведения Tom Brook
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844215175



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forderte wild mit den Armen rudernd bei der Schiedsrichterin eine Auszeit. Er versammelte seine Mannschaft am Beckenrand und machte seine Mannschaft noch mal heiß für die Endphase des Spiels. Dabei zeigte er öfter auf Alex. Nach Ablauf der Auszeit waren noch 21 Sekunden zu spielen.

      Wiederanpfiff. Welle hatte den Ball und spielte auf Tom. Der schwamm auf der rechten Seite in die Bremer Hälfte. Alle Gegenspieler versammelten sich vor ihrem Tor. Noch 12 Sekunden. Tom passte auf Luca, der den Ball sofort an Alex weitergab. Alex fing ihn mit der rechten Hand, sprintete auf das gegnerische Tor und drehte sich blitzschnell um. Er erkannte, dass der Bremer Torwart zu weit vor dem Tor stand. Kraftvoll zog er den rechten Arm zurück und visierte die linke Ecke des Tores an. „Vorsicht Alex!“, schrie Tim mit einem blutigen Taschentuch vor der Nase vom Beckenrand. Zu spät. Der Bremer Verteidiger griff Alex brutal von hinten in den Wurfarm. Alex schrie auf vor Schmerz. Der Pfiff kam diesmal sofort. Die Schiedsrichterin zeigte unmissverständlich die Herausstellung des Verteidigers und einen Strafwurf an. Der Bremer Trainer rastete nun völlig aus und warf seine Sonnenbrille auf den Boden. Die Zuschauer sprangen auf. Die Uhr zeigte 4 Sekunden Restspielzeit.

      Alex griff sich schmerzverzerrt an die rechte Schulter. An einen Strafwurf war nicht zu denken. „Welle wirft“, sagte er bestimmt. Kein Mitspieler wagte zu widersprechen. Welle nahm den Ball und schwamm zur Fünf-Meter-Linie. In der Halle war kein Laut zu hören. Welle holte kraftvoll aus. Tim biss am Beckenrand vor Aufregung in sein Taschentuch. Welles kräftiger Arm schnellte wie eine Stahlfeder nach vorne. Der Ball verließ seine Hand. Im gleichen Augenblick schoss der gegnerische Torwart torpedoartig aus dem Wasser. Er ahnte die richtige Ecke. Mit Brachialgewalt hämmerte Welle die Kugel aufs Tor. Um Zentimeter verfehlten die Fingerspitzen des Torwarts den Ball, dann schlug der Keeper laut aufs Wasser auf. Tor! 10 : 9! Die Zuschauer sprangen jubelnd von ihren Sitzen. Den Schlusspfiff der Schiedsrichterin bekam in der Halle kaum noch jemand mit.

      Alle wollten Alex auf die Schulter klopfen, als er aus dem Wasser kam. Er hatte das Spiel noch mal herumgerissen. Tims Vater hatte Falke angerufen, der sofort wieder in die Halle kam. „Na, so wie das aussieht, braucht ihr mich ja gar nicht“, sagte er lachend und schickte seine Jungs unter die Dusche.

      Im Foyer der Halle standen bereits die begeisterten Eltern und warteten auf die erfolgreichen Sportler. Tims Opa war auch dabei und lud Tim und Alex zur Belohnung zu „Apfelkuchen mit Schlagsahne satt“ ein. „Aber erst“, mischte sich Falke ein, „gehen wir alle zu Paolo. Los Jungs. Ich geb `ne Pizza aus.“ Unter großem Jubel verließ die Mannschaft die Schwimmhalle.

      6

      Sonntag 15:28 Uhr

      „Mensch Opa, dein Apfelkuchen ist Weltklasse“, schmatzte Tim und nahm noch einen großen Löffel Schlagsahne. „Toll“, nuschelte Alex mit vollem Mund, „dass Sie für unseren Sieg extra einen Kuchen gebacken haben.“ Tims Großvater schmunzelte. „Na, so ganz stimmt das ja nicht. Ich hatte gestern Besuch und dafür hatte ich den Kuchen gebacken. Jetzt im Herbst weiß ich ja gar nicht, wohin mit den vielen Äpfeln. Leider hat Herr Dr. Eyken nur ein Stück gegessen.“

      Alex ließ vor Schreck die Kuchengabel fallen. „Dr. Eyken?“, stammelte er ungläubig. „Mensch Alex, der freundliche Mann, der uns gestern nach Hause gefahren hat. Du hast vielleicht ein Gedächtnis“ sagte Tim vorwurfsvoll. Alex war noch gar nicht dazu gekommen, Tim von der teuren Armbanduhr zu erzählen. „Ja, ja, schon klar. Was wollte der denn?“, fragte er betont beiläufig, als er unter dem Küchentisch seine Gabel suchte. „Dr. Eyken sucht Nachkommen von ehemaligen Arbeitern und Angestellten der Ziegelei. Er schreibt wohl irgendeine wissenschaftliche Arbeit darüber. Er fragte, ob ich noch Aufzeichnungen von meinem Vater, also deinem Uropa habe“, lautete die Antwort oberhalb des Tisches. „Und, haben Sie?“, kam prompt die nächste Frage unterm Küchentisch hervor. Alex fiel es zunehmend schwerer, möglichst unauffällig zu fragen. Tims Opa beugte sich unter den Tisch und nahm die Tischdecke zur Seite, um Alex sehen zu können. „Jo, habe ich.“ war seine kurze Antwort.

      Alex knallte wuchtig an die Tischkante, als er den Kopf hochriss. Super, dachte er, nach drei verstauchten Zehen und einer Schulterzerrung kommt jetzt auch noch eine Gehirnerschütterung dazu. „Alles klar?“, fragte Tim besorgt, als Alex mühsam wieder zum Vorschein kam und sich den Kopf hielt, um die Größe der sich ankündigenden Beule abzuschätzen. „Junge, Junge. Ihr seid ja genauso neugierig wie der Doktor. Irgendwo im Stall muss noch ein alter Lederkoffer stehen. Dr. Eyken wollte morgen früh vorbeikommen, um zu sehen, ob er für ihn brauchbare Unterlagen enthält.“ Alex und Tim sahen sich stumm an.

      Nachdem die drei noch über das Wasserballspiel am Vormittag diskutiert hatten, drängte Alex zum Aufbruch und zog Tim förmlich vom Sofa. „So, wir müssen jetzt weiter. Wir haben in 20 Minuten eine Mannschaftsbesprechung. Vielen Dank für den leckeren Kuchen.“ Tim sah seinen Freund irritiert an. Falke hatte heute morgen nichts von einer Mannschaftsbesprechung gesagt. Doch bevor er fragen konnte, war Alex schon mit ihm draußen.

      Vor der Haustür riss Alex Tim zur Seite, damit sie nicht vom Küchenfenster aus gesehen werden konnten. Bevor Tim fragen konnte, was denn los sei, zog Alex sein Handy aus der Jacke. „Warte, ich erzähl dir gleich alles!“, sagte er und tippte eine Nummer ein. Während er auf die Verbindung wartete, sah er Tim verschwörerisch an.

      „ - - - Äh. Hallo. Ich hätte gerne die Nummer der Universität in Oldenburg. - - - Ja. - - - Das Institut für Geschichte bitte. - - - Gerne - - - Danke. - - - Hallo. Ich hätte gerne Herrn Dr. Eyken gesprochen. - - - Ja, ich weiß, dass Sonntag ist. - - - Ja, ich warte. Danke. - - - Schönen guten Tag, Herr Professor Hagen, tut mir leid, Sie am Wochenende bei der Arbeit zu stören. Ich hätte gerne Herrn Dr. Eyken gesprochen. - - - Ja - - - Ja. - - - Oh, das wusste ich nicht. - - - Das tut mir leid. - - - Nein, nicht so wichtig - - - Danke! Auf Wiederhören!“

      „Das ist echt der Hammer“, stammelte Alex, nachdem er das Gespräch beendet hatte. „Was denn? Mensch, nun mach es nicht so spannend.“ Tim hüpfte vor Ungeduld von einem Bein zum anderen. „Stell dir vor. Dr. Eyken ist letztes Jahr im September auf einer Studienreise in Florenz an einem Herzinfarkt gestorben.“ Tim sah ihn entgeistert an. „Wie, gestorben? Letztes Jahr? Und gestern...? “ „...hat uns jemand komplett verarscht“, beendete Alex den Satz.

      Alex berichtete von der teuren Armbanduhr und dem Gespräch mit seinem Vater. „Wir müssen unbedingt den Koffer von deinem Uropa finden, bevor der falsche Doktor wiederkommt“, sagte er dann. Tim sah in empört an. „Frechheit, meinen Opa so zu verarschen. Warum gibt der Mann nicht seine richtige Identität an?“, fragte er etwas ratlos. „Na, liegt das nicht auf der Hand? Der hat irgend etwas zu verbergen. Ich nehme an, weil er vermutet, dass der Goldschatz von Deependaal noch irgendwo in der Ziegelei verborgen ist“, antwortete Alex. Tim pfiff durch die Zähne. „Okay, dann müssen wir den geheimnisvollen Koffer nur vor diesem Betrüger finden. Komm, lass uns mal in der Scheune nachsehen. Einen großen Lederkoffer sollten wir eigentlich finden“, sagte Tim nach einer kurzen Überlegung. Die Beiden schlichen vorsichtig zur grünen Holztür des ehemaligen Stalls. Sie hatten oft in der Scheune gespielt, als sie noch jünger waren. Die ehemaligen Boxen der Kühe waren immer noch voll gestellt mit allerhand Gerätschaften, Gartenmöbeln und alten Fahrrädern. Hier hat sich in den letzten Jahren nichts verändert, dachte Alex, als er sich im Halbdunkeln umsah.

      „Wir sollten zuerst oben suchen. Wenn mein Opa nicht genau weiß, wo sich der Koffer befindet, liegt er sicher irgendwo oben herum. Da kommt er nur selten hin. Ich besorge uns nur noch schnell eine Taschenlampe“, flüsterte Tim und suchte in einer alten, mit Farbflecken überzogenen Kommode. Nach einem kurzen Funktionstest stieg er mit der Taschenlampe im Mund die alte Holzleiter am Ende des Stalls hoch. Jeder Tritt wurde dabei von einem lauten Knarzen begleitet. Ab und zu blieb Tim stehen, um sich fluchend die Spinnweben aus dem Gesicht zu wischen. Alex blickte nach oben und wartete, bis sein Freund angekommen war. Zwei Leute auf einmal traute er der altersschwachen Leiter nicht zu. Ein lautes Husten und eine große Staubwolke, die Tim aufgewirbelt hatte, waren für Alex das Zeichen nachzukommen. Mutig stieg er nach oben. Das er Höhenangst hatte, wussten nur er und seine Eltern. Und so sollte es auch bleiben.

      Oben angekommen befanden sich die beiden Freunde in circa vier Meter Höhe