Pfarrer Gustav und das Inferno von Mainz. Tommi Tunker

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Название Pfarrer Gustav und das Inferno von Mainz
Автор произведения Tommi Tunker
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847654940



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und einen String-Tanga zu tragen, auch das hatte der Engel befohlen.

      Das war quasi der erste Befehl des Engels, dass alle seine Aufträge in dieser sozusagen "Arbeitskleidung" erledigt werden mussten. Anfangs war es ungewohnt, aber seit einiger Zeit fühlte er sich viel besser, ja er fühlte sich geradezu grandios, er fühlte sich, ....als wären nun beide Geschlechter in seinem Leib vereint! Sein eigenes Geschlecht und das Andere, das Fehlende, das schmerzlich Vermißte, das in frühen Morgenträumen durch seinen Körper wild rauschende ebenso. Ein wunderbarer, durchaus erotischer Gedanke. Und vor allem ein Gedanke, den der Vatikan bislang mit keinem Tabu belegt hatte. Oder kennen Sie etwa ein elftes Gebot "Du sollst keine Netzstrümpfe tragen!?“

      Na also.

      Deshalb wurde dieser Trick auch von vielen Priestern angewendet, wie er durch seine Gespräche im Internet-Chat-Room von Pater Beatus Usus erfahren hatte.

      Das Sprechen mit dem Engel hatte Pfarrer Gustav vor einigen Monaten entdeckt, er würde diese laue Sommernacht nie vergessen.

      Das ganze passierte eher zufällig beim Studium eines Buches für alte chinesische Körperübungen, die da heißen: "TAI FONG WENG TU FONG WENG TENG". Diese Studien betrieb er schon seit einigen Wochen, wobei diese Übungen so weit gingen, auch kleine Körperregionen wie die Finger, die Zehen und vor allem das Gesicht als wichtigstes Organ des Ausdrucks mit einzubeziehen.

      Und eine dieser Übungen hieß "die Maske des Xu Lim".

      Pfarrer Gustav wusste nicht, wie nachhaltig diese Übung sein Leben verändern sollte.

      Die Übung an sich war schwierig genug, er brauchte lange, bis er sie auch nur ansatzweise richtig interpretierte.

      Dabei musste man sich nämlich erst in die sogenannte Wu Jong-Hocke stellen, also wie bekannt mit weit ausgedrehten Beinen in leichter Hocke. Ferse an Ferse, die Füße sollten 180° nach außen zeigen, die kleinen Zehen werden dabei mit 90° nach oben gestreckt.

      Aber das kennen Sie ja.

      Dann aber musste man am Gesicht arbeiten, der eigentlichen Maske. Man musste die Nase extrem hochziehen, die Augenbrauen in der Mitte zur Nase mit aller Kraft herunterziehen, dabei die Augenbrauenflügel links und rechts außen mit aller Kraft hochziehen, den linken Mundwinkel des mit gefletschten Zähnen geöffneten Mundes musste man soweit es geht herunterziehen, dabei sollte der Unterkiefer soweit vorgeschoben sein, dass die unteren Vorderzähne in die obere Lippe bissen, die Halssehnen müssen extrem angespannt sein, so dass sie hervortreten, der Stirnbereich musste gerunzelt sein, und dabei musste man im Takt des eigenen Pulsschlages mit den Ohren wackeln.

      Die Zunge muss mit einer Rolle nach oben ausgestreckt werden, und zudem müssen die Hände mit der Handfläche nach außen vor das Gesicht gehalten werden, wobei einige der Finger extrem angespannt ausgestreckt sind, und einige Finger krampfartig eingerollt.

      Die Stimme muss dabei einen per Kopfstimme erzeugten möglichst konstanten hohen Fistelton erzeugen, der durch die eingerollte Zunge in feinen Schwebungen moduliert wird – solange der Atemvorrat ausreicht.

      Dies ist die vollständige „Maske des Xu Lim“. Im Buch war eine Abbildung eines Meisters mit einem schwarzen Gürtel zu sehen, der gerade eine perfekte Xu-Lim-Maske machte. Diese Übung machte Pfarrer Gustav immer vor einem Spiegel, das aufgeschlagene Buch vor sich, um irgendwann einmal die Schwarze-Gürtel-Perfektion des Xu Lim - Meisters zu erreichen, der zum Foto erstarrt in seiner ganzen Hässlichkeit und gerade deshalb eindrucksvoll vor sich hin maskierte.

      Kapitel 1.6.

      Und genau dabei hatte Pfarrer Gustav eines nachts jenes grandiose Erlebnis.

      Jenes Erlebnis, das die Welt verändern sollte. Zumindest die Welt in Mainz.

      Jedenfalls die Welt des Pfarrers Gustav, und das war schon weltbewegend genug.

      Immer schon hatte sich bei dieser Übung ein starkes Sirren in seinem Kopf eingestellt, das immer harmonischer wurde, je mehr er sich an den perfekten Xu Lim herangrinste. Das allein war schon schön, aber das Sirren wurde zu einem Akkord, und dieser Akkord wurde immer harmonischer, je mehr er seine Maske perfektionierte - und irgendwie auch immer himmlischer. Deshalb machte Pfarrer Gustav diese Übung oft und mit besonderer Inbrunst.

      Bis eines Tages plötzlich etwas Sensationelles passierte: Der Akkord baute sich gerade auf, wurde harmonischer und intensiver, er war gerade auf dem Gipfel der Glückseligkeit - dies zeichnete sich auch in Form einer wachsenden Ausbuchtung unter der Soutane deutlich ab - als sich plötzlich eine donnernde Stimme in seinem Kopf meldete:

      "HALLO, PFARRER GUSTAV!"

      Vor Schreck brach seine ganze schöne Maske zusammen, um ein Haar wäre er beim Umfallen aus der Wu Jong Hocke in den Spiegel gefallen, so fiel er aber nur gegen den Stuhl, den er mitriss und dabei mit den hochschnellenden Füßen die Tischdecke herab zog mit allem, was sich gerade so darauf befand: Der halb leeren Weinflasche, dem halb leeren Glas etc. Aber sonst war nichts passiert. Beim Aufrappeln sortierte er sich und sah sich um, doch es war niemand da. Er wischte hastig die Flüssigkeiten auf, die Rote und auch die Gelbe, und begann dann, zu sinnieren und vor allem sich umzusehen. Doch es war nach wie vor niemand da!

      "Wer spricht denn?" fragte er vorsichtig, ein paar schüchterne "Hallos" rufend - doch niemand antwortete.

      Er sah sich dann noch in seiner ganzen Wohnung um - es war niemand da! Er sinnierte und grübelte, das alles ging nach der dritten Flasche Messwein an diesem Abend schon erheblich langsamer, aber fand keine Erklärung. Er beschloss also, wieder in die Maske des Xu Lim zu gehen und dabei weiter nachzudenken.

      Wieder stellte sich das Sirren ein, der Akkord baute sich auf, als er gerade die Zunge einrollte, da fühlte er schon irgendwie, dass dieser Akkord und die Stimme wohl zusammengehörten. Und tatsächlich: Der Akkord erreichte den vollen Umfang, die volle Harmonie, und die Stimme ertönte:

      "HALLO, PFARRER GUSTAV!"

      Diesmal zuckte er nur ein klein wenig, bemühte sich aber, die Maske zu halten. "Wer spricht denn da?" versuchte er zu sagen, aber wegen der angespannten Maske kam nur ein

      "EEÄÄ IIKK EÄÄ AA" heraus.

      "DU MUSST SCHON ETWAS LAUTER SPRECHEN!“ donnerte die Stimme.

      Wahnsinn!

      Die Stimme antwortete!

      Er brüllte also noch einmal, den Spiegel vollspukend: "EEÄÄ IIKKK EÄÄÄ AA!"

      Diesmal war es richtig laut, Pfarrer Gustav freute sich darüber, aber verständlicher wurde es nicht. Das schien aber die Stimme nicht zu stören, denn Sie antwortete fast feierlich:

      "NUN KANN ICH DICH GUT VERSTEHEN! ICH WERDE MICH NUN DIR OFFENBAREN, UND NUR DIR: ICH BIN DER ENGEL IRIEL!"

      Wieder fiel Pfarrer Gustav komplett aus der Wu Jong Hocke, ganz zu schweigen von der Xu Lim-Maske, die komplett auseinanderfiel und nahtlos in die Pfarrer-Gustav-schau-mal-blöd-Maske überging.

      Die kam häufiger vor, die konnte er auch ohne Spiegel.

      Wahnsinn! Ein Engel hatte zu ihm gesprochen! Wahnsinn!

      Aber wer war denn der Engel Iriel? Gabriel, den kannte er, und Uriel, den auch, und Ariel, den Waschpulverengel... aber Iriel? Sofort ging er zu seiner kleinen klerikalen Bibliothek, und sucht das Nachschlagewerk, wo etwas über Engel drinstand, um seinen neuen Kontakt wenigstens besser zu kennen.

      Aber er fand nirgends einen Engel namens Iriel.

      Selbst im Internet suchte er, aber auch hier fand er keinen Hinweis auf einen Engel Iriel

      Also beschloss er, ihn zu fragen.