Название | Infiziert : Die ersten zehn Tage |
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Автор произведения | Felix Fehder |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742793355 |
Er wollte, und nachdem sie ein paar Kurze gegen die Schüchternheit getrunken hatten, genoss Angelika den ersten Sex mit einem anderen Menschen seit Monaten. Sie schliefen gleich mehrere Male miteinander. Georg legte seine Zurückhaltung anscheinend mit seinen Kleidern ab und konnte gar nicht genug bekommen. Angelika hatte erst beim dritten oder vierten Mal einen Orgasmus und der war auch nur sehr klein, aber die Körperlichkeit, das Verlangen eines Mannes zu spüren, waren definitiv etwas, das ihr lange gefehlt hatte.
Am nächsten Morgen summte sie zufrieden vor sich hin, während sie sich für die Arbeit anzog. Georg stand unter der Dusche. Vielleicht war noch Zeit für einen gemeinsamen Kaffee, bevor sie zum Werk fahren müssten.
Auf der Arbeit fühlte sie sich innerlich beschwingt, aber körperlich schwach. Ihre Kollegen sahen sie an, als würde etwas mit ihr nicht stimmen. Durfte man nicht mal einen Abend Party machen? Die fragenden Blicke wurden ihr bald zu bunt und sie war froh, als sie endlich allein in ihrem kleinen Labor war. Vor dem Mittagessen, das sie immer in der Kantine einnahm, beschloss sie, ihr Make-Up aufzufrischen, um weniger aufzufallen. Vor dem Spiegel im Bad wurde ihr jedoch klar, dass es diesmal nicht reichen würde, die Augenringe zu verstecken: Ihr gesamtes Gesicht hatte eine graue Farbe angenommen. Sie war nicht einfach blass oder so, sie wirkte eher wie voller grauem Schimmel. Sie rieb ihre Wangen, um etwas Rot hervorzulocken, hatte aber keinen Erfolg. Sie streckte sich selbst die Zunge raus und fand auch diese grau belegt.
Und nun? Wenn sie zum Werksarzt ging, würde man sie wohl unter Quarantäne stellen. Ihrem Hausarzt konnte sie nicht von der Arbeit mit dem Virus berichten. Ich melde mich einfach krank, gehe nach Hause und warte ab. Vielleicht ist es nur eine Grippe. Die Wunde an ihrer Hand schmerzte nicht und war auch nicht geschwollen. Trotz der dunklen Färbung um den Schnitt, wertete sie dies als ein gutes Zeichen.
Sie huschte aus dem Bad auf den Flur in Richtung ihres Labors. Niemand war zu sehen, die meisten Kollegen saßen beim Essen in der Kantine. Sie öffnete ihre Tür, trat hindurch und atmete erleichtert auf, als sie hinter ihr ins Schloss fiel.
„Frau Dr. Makel?“
Angelika fuhr zusammen. Hinter ihrem Versuchstisch saß Jennifer Lang und schielte in ein Mikroskop.
„Schöne Arbeit. Diese Proben sehen gut aus.“
„Ich – hallo Frau Lang – gestern war noch nichts zu sehen.“
„Nicht?“ Lang musterte sie. „Sie sehen krank aus – geht es Ihnen nicht gut?“
„Also, nein, ich wollte gerade...“
Lang zog ihr Telefon aus der Tasche und drückte ein paar Tasten.
„Lang hier. Ich brauche Dr. Mangala in Labor 7.13. Sofort.“ Sie legte den Hörer weg. „Setzen Sie sich doch.“
Angelika gehorchte. Während sie warteten, hatte sie den Eindruck, von Lang ausführlich angeschaut zu werden. Sie musterte Angelika mit dem Blick eines Naturforschers, der eine neue Tierart betrachten würde.
Dr. Mangala stellte sich als ein freundlicher, älterer Herr heraus. Wie Angelika schon befürchtet hatte, bestand er darauf, dass sie in Quarantäne verlegt wurde, bis sie herausgefunden hatten, ob sie sich mit dem Virus angesteckt, oder einfach nur eine Grippe hatte.
In einem winzigen, bis zur Decke in weiß gefliesten Zimmer auf der Krankenstation spritzte er ihr ein Antibiotikum und ein Beruhigungsmittel, und wies sie an zu versuchen, etwas zu schlafen. Was sollte sie auch sonst tun? Hier gab es nicht mal einen Fernseher. Nur das Bett und eine Garderobe, auf der ihre Kleidung hing. Dr. Mangala hatte darauf bestanden, dass sie einen Krankenkittel anzog. Immerhin lief ihr Nickerchen noch unter bezahlter Arbeitszeit.
Sie wachte auf, weil jemand an ihrem Bett stand.
„Georg!“
„Wie geht’s?“
„Schlecht“, gab Angelika zu, „ich glaub, ich hab Fieber. Und meine Hand tut weh. Und ich hab Hunger.“
„Das wird schon wieder.“
„Du darfst gar nicht hier sein.“
Er winkte ab. „Habe mich eingeschlichen. Die können mir doch nicht verbieten, Dich zu sehen.“
Angelika lächelte ihn an. Endlich hatte sie jemanden wie ihn gefunden. Jemanden, der sie auch liebte, wenn es ihr schlecht ging.
„Danke.“
Er grinste schelmisch. „Ach, ich weiß schon, womit Du Dich revanchieren kannst.“
Er trat an ihr Bett und beugte sich zu ihr herunter. Sie roch seinen Schweiß, seinem Atem und in ihr erwachte etwas. Etwas dunkles, hungriger als sie. Georg strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und näherte seine Lippen den ihren. Nein, tu das nicht. Er öffnete den Mund ein wenig und sein Geruch ließ den Drang in ihr zu stark werden, um gegen ihn zu kämpfen. Sie erwischte mit ihren Schneidezähnen seine Unterlippe. Er zog den Kopf sofort weg.
„Was!?!“
Er tippte sich mit dem Finger gegen die Lippe. Sie hatte ihn nicht richtig erwischt und er war nicht ernsthaft verletzt, blutete aber etwas. Er bemerkte das Blut an seinem Finger, wurde blass und streckte den Finger nach ihr aus.
„Wenn Du mich liebst, dann sagst Du niemandem was hier passiert ist!“
Sie wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Gurgeln hervor.
Er war an der Tür. „Niemandem – bitte.“
Angelika war wieder allein.
Wovor hatte er solche Angst? Es klopfte und Jennifer Lang trat mit einer Spritze in der Hand ein.
„Sie werden in ein Labor verlegt, Schätzchen. Sie erweisen ihrem Land einen großen Dienst.“
2: INDUSTRIEGEBIET ZECHENGLÜCK, DONNERSTAG, 30.07.2013, 18:12 UHR
Martina Kraft schritt den Bauzaun ab, der um das Werksgelände gezogen worden war. Auf der anderen Seite folgten ihr stöhnend drei Infizierte. Immer, wenn sie näher an den Zaun trat, um eine Stelle, an der zwei Zaunelemente miteinander verbunden waren, genauer zu überprüfen, geiferten die Infizierten und versuchten, Martina mit den Händen zu erreichen.
Heute Nacht war der Verfall der Infizierten nicht mehr zu übersehen. Fast alle trugen Spuren von Verwesung und waren graublau angelaufen. Martina fand ihre Augen am schwersten zu ertragen. Der Blick war leer, ohne jede Regung. Nur wenn sie näher an den Zaun trat, blitzte darin etwas Neues auf: Hunger.
An die ständige Begleitung während der Zaunwache hatte sie sich mittlerweile gewöhnt. Anfangs hatte sie große Probleme mit dem Anblick der Gefangenen hinter dem Zaun, aber das hatte sich nach ein paar Tagen gelegt. Außerdem war ihr Auftrag leichter geworden. In den ersten Tagen musste sie noch alle paar Stunden irgendwelche Spritzen verabreichen. Der Hunger nach Menschenfleisch machte es zwar recht leicht, die Infizierten an den Zaun zu locken, aber ab dann wurde es unangenehm: Sie musste sich einen Arm greifen, ihn möglichst weit durch den Zaun an sich heranziehen und die Spritze hineinjagen. Die Infizierten zeigten auf den Einstich keinerlei Reaktion. Die einzige Regung, ja die einzige Verhaltensweise, die sie an den Tag legten, war diese wahnsinnige Gier nach Fleisch. Lebendem Fleisch. Versuche, die Infizierten mit Schweine- oder Hühnerfleisch zu füttern, waren vergeblich. Die größte Sorge der Fabrikleitung war, dass die Eingesperrten sterben könnten. Nicht an der Krankheit an sich – da wurde man nicht müde, von einer baldigen Heilung zu sprechen – sondern an Hunger oder weil sie sich gegenseitig verletzten. Diese Sorge löste sich in Luft auf, als am Zaun Infizierte auftauchten, die Verletzungen aufwiesen, mit denen sie eigentlich weder stehen noch laufen können sollten, im Gegenteil: Sie müssten tot sein. Die hingeworfenen Fleischbrocken wurden nicht angerührt und vergammelten überall auf dem Gelände verteilt. Danach sah man häufiger tödlich Verletzte und die Fütterungen wurden eingestellt.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie einen Schrei hörte. Dann einen zweiten. Das kam von innerhalb des Zauns. Sie rannte los, in