Streiten verbindet. Rudolf Hopmann

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Название Streiten verbindet
Автор произведения Rudolf Hopmann
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783738042870



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die Dauer gesehen eine Belastung dar, der abgeholfen werden sollte und kann, weil an deren Beseitigung sie ein Interesse haben muß. Das Problem in dieser Situation besteht darin, daß der Betroffene erkennen und anerkennen muß, daß eine Beratung sinnvoll und hilfreich ist.

      Bild 5Abbildung : Vorhandensein und Wahrnehmung von Konflikten.

      Viel schwieriger wird die Sache, wenn eine Konfliktlücke auftritt. Das Nichtwahrnehmen eines Konfliktes kann für ein Individuum schwerwiegende Folgen haben: Wenn ein Mensch blind für Konflikte ist oder immer wieder die Konflikte ignoriert, die er mit der Mitwelt hat, sieht er eine Gefahr nicht kommen und läuft in sie hinein. Diese Blindheit kann verschiedene Ursachen haben. So könnte der Betreffende ein übertriebenes Harmoniestreben haben. Vielleicht liegt das an einer fehlgegangenen Erziehung, daran, daß er aus einem Elternhaus kommt, welches voll von Harmoniestreben war: „Friede, Freude, Eierkuchen“. Wir alle streben nach Harmonie, denn wir wollen in Frieden mit unseren Mitmenschen und unserer Mitwelt leben. Dann tendieren wir dazu, Konflikte unter den Teppich zu kehren, wir verdrängen sie. Unter gewissen Umständen kann das auch ganz bewußt geschehen und vorteilhaft sein. Das ist dann keine falsche Konflikteinschätzung, sondern einfach ein bewußtes und willentliches Darüberhinweggehen, das in richtiger Einschätzung einer Person oder eines Umstandes Prioritäten setzt und entsprechend dienlich sein kann. Manchmal ist das ganz gut so und eine kluge Verhaltensweise wenn auch kein zielgerichtetes Handeln zur Konfliktlösung.

      Eine weitere Ursache für Konfliktlücken kann individuelles Fehlverhalten sein, das darin gründet, daß Menschen nicht Streiten lernten und infolgedessen nicht ihre Interessen durchsetzen können, weil sie zu Hause unterdrückt oder verhätschelt wurden. Vielleicht erkennen diese Menschen die Konflikte und leiden darunter, weil sie nicht mit ihnen umgehen können. Entweder verdrängen sie dann die Konflikte oder sie schieben sie auf andere Menschen oder Umstände ab. Das Verdrängen eines Konfliktes geschieht häufiger als man denkt. Jedem Menschen wohnt eine Tendenz inne, Unangenehmes beiseite schieben zu wollen, sich nicht damit beschäftigen zu müssen oder anderen in die Schuhe schieben zu können.

      Menschen, die blind für Konflikte sind, die von Anderen vom Zaun gebrochen werden, besitzen oftmals nicht die gehörige Empathie für ihre Mitwelt. Sie leben gefährlich, denn ihre Mitwelt kann sie drangsalieren und manipulieren, ohne daß von ihnen eine Gegenwehr zu erwarten ist. Ihre Konfliktlücke wird frech und unverhohlen ausgenutzt, dem Bossen und Mobben ist Tür und Tor geöffnet. Menschen, die sich im Umgang mit Konflikten schwer tun, haben vielfach nicht gelernt, daß Konflikte unausweichliche Situationen im Leben darstellen, die bewältigt werden wollen, und denen man sich stellen muß. Es sind arme Menschen, denen man im Prinzip keinen Vorwurf machen sollte. Ihre lebensschwache Verhaltensweise (schamlos) auszunutzen, ist nicht recht.

      Andererseits können diese Menschen mit ihrer Konfliktlücke sehr unangenehm für die Mitwelt werden, denn sie können auch nicht erkennen, wann sie selber einen Konflikt vom Zaun brechen. Natürlich machen sie das unbewußt und unüberlegt. Aus welcher Quelle solcher Art unbewußtes Handeln hervorgeht, ist eine andere Sache. Im Prinzip sind es die gleichen Gründe wie jene, die im vorhergehenden Absatz genannt wurden: Blindheit für ihr Tun und mangelnde Empathie. Für diese Menschen ist alles noch fein und in Ordnung, während die Mitwelt leidet. Sie ist ihnen hilflos ausgeliefert und es besteht praktisch kein Ansatz, mit solchen Menschen über das verdorbene zwischenmenschliche Klima reden zu können, denn diese sind ziemlich ignorant für den von ihnen ausgelösten Konflikt und werden stets leugnen, der Konfliktauslöser zu sein. Auch bringen sie beste Voraussetzungen als Bosser oder Mobber mit, weil sie meist ihre Verhaltensmuster nicht kritisch hinterfragen und ihren Einfluß auf die Mitwelt schamlos ausnutzen.

      Ein praktisches Beispiel dieser Art Konfliktlücke ist das Nichterkennen und Nichtanerkennen von Bedürfniskonflikten. Selbst wenn der Betreffende das Bedürfnis des Anderen zu erkennen vermag, solange er es nicht anerkannt hat, bleibt der Konflikt bestehen. Anerkenntnis ist eine wesentliche Voraussetzung, ohne die kein Handeln möglich ist und kein Konflikt bereinigt werden kann.

      In diesem Kontext heißt Handeln, nach Lösungen für den Konflikt zu suchen. Vielleicht ist ein Kompromiß nötig und/oder möglich, denn wahrscheinlich kann das Bedürfnis des Anderen nicht voll befriedigt werden; das muß die Diskussion zeigen. Finden die beiden Kontrahenten trotz allen kreativen Nachdenkens keine Lösung für ihren Konflikt, lohnt es sich, einen Dritten zu fragen, ob er eine Idee dazu hat. Ob jedoch in derartigen Fällen ein/e Gesprächsvermittler/In sinnvoll und effektiv ist, hängt weitgehend davon ab, ob und wie die beiden Parteien den Konflikt erkennen, anerkennen und lösungsorientiert eingestellt sind.

       Konfliktmechanismen

      Nun soll der Frage nachgegangen werden, wie Konflikte entstehen können. Weil das von den Umständen insgesamt abhängt, ist eine Antwort auf diese Frage nicht ganz leicht zu geben. Die im Folgenden vorgestellten zwei Mechanismen beziehen sich auf Individualkonflikte, die etwas vereinfacht dargestellt werden. Es gibt wahrscheinlich noch andere, auch kompliziertere Mechanismen der Konfliktauslösung, als in diesem Rahmen vorgestellt werden. Aber man kann davon ausgehen, daß einem Großteil der Konflikte einer der beiden, im Folgenden beschriebenen Mechanismen zu Grunde liegt.

      Der erste zu besprechende Konfliktmechanismus5 geht davon aus, daß ein Individuum oder eine Gruppe ein Ziel hat oder sich steckt, und eine bestimmte Anstrengung, auch Reaktionspotential genannt, nötig ist, um dieses Ziel zu erreichen. Diese Anstrengung ist anfangs noch gering und muß in dem Masse gesteigert werden, wie das Ziel näher rückt. Die Annäherung wird durch die Hinstrebung bestimmt, die auch mit Appetenz bezeichnet wird. Anstrengung und Hinstrebung, stehen stets für einen Menschen wie ebenso für eine Gruppe in einem je persönlichkeitsgebundenen Verhältnis.

      Der Hinstrebung steht die Wegstrebung entgegen, die dazu führt, daß das eigentliche Ziel an Attraktivität verliert, uninteressant oder aus den Augen verloren wird und ein Ersatzziel gesucht wird. Die Wegstrebung wird auch als Aversion bezeichnet. Bleibt aber das Reaktionspotential genügend stark und überspielt die Wegstrebung, wird dem Ziel weiter zugestrebt und schlußendlich dies auch erreicht. In Abbildung 5 ist der Zusammenhang grafisch dargestellt.

      Je konkreter das Ziel ins Auge gefasst und angestrebt wird, je näher ihm gekommen wird, um so mehr setzt eine Wegstrebung ein. Solange sie noch von der Hinstrebung dominiert wird, begleitet Angst die Anstrengung, das anvisierte Ziel nicht erreichen zu können, oder es erscheint als zu hoch gesteckt.

       Bild 13Abbildung : Konkurrenz zwischen Hin- und Wegstrebung.

      Dieses Diagramm ist sehr vereinfacht und soll nur das Grundsätzliche verdeutlichen. Genauere Laborversuche, allerdings mit Ratten, haben ergeben, daß Appetenz und Aversion nichtlinear verlaufen. Es hat sich auch gezeigt, daß sie mit Medikamenten, erst recht durch Drogen, in ihrer Intensität beeinflußbar sind. So kann die Aversion so vermindert werden, daß die Appetenz dominant ist und ohne Suche eines Ersatzziels das Ziel in einem angstfreien Zustand erreicht werden kann. Es gibt auch Appetenz – Appetenz – Konflikte (Statt eines zu teuren Mercedes kaufe ich mir nur einen VW.) und Aversions – Aversions – Konflikte (Lieber ertrage ich die Zahnschmerzen als zum Zahnarzt zu gehen.)

      Den Widerstreit von Hinstrebung und Wegstrebung habe ich beim Schreiben dieses Buches zur Genüge durchlebt. Anfangs waren die Thematik und das, was ich darüber wußte oder schon zusammengetragen hatte, und alles das, was ich schreiben wollte, gegenwärtig und klar. Das gesteckte Ziel schien gar nicht schwer erreichbar. Dann kam die Zeit, in der sich Zweifel meldeten, und in der ich oft genug an meinem Ziel und meinen Fähigkeiten zweifelte. Angst mischte sich ein, wie das, was ich zu Papier gebracht hatte, von der Leserschaft aufgenommen werden würde? Die Wegstrebung war oft genug so groß, daß ich am liebsten das Projekt aufgegeben und alles in den Papierkorb geworfen hätte. Am Vorliegen dieser Schrift sehen Sie, daß ich alle Aversion überwunden habe.

      Der zweite Mechanismus beschreibt die Wirkung von Alltagsproblemen auf unser Verhalten. Vor allem Neues oder Ungewohntes, welches bewältigt werden will, oder unzulänglich befriedigte Bedürfnisse