Название | Die Schattensurfer |
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Автор произведения | Hubert Wiest |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847667841 |
Problem 1: Wenn die Hälfte aller Gedanken an RUHL übertragen wurde, ging die andere Hälfte der Gedanken verloren. Eine riesige Menge an Gedanken verschwand einfach so, nützte der Gesellschaft kein bisschen. Was für eine Verschwendung! Was meint ihr, woran könnte das gelegen haben?“
Fast alle Kinder der Klasse meldeten sich. Auch Sansibar hob zaghaft ihre Hand. Prompt rief Doktor Tornham sie auf. Unsicher sagte Sansibar: „Vielleicht haben die Menschen ihre Protrektorkappen nicht lange genug getragen und haben sie in der Nacht beim Schlafen abgesetzt oder wenn sie Sport machten oder sie haben die Kappe einfach vergessen.“
Doktor Tornham nickte. „Sehr gut, sehr gut. Und was konnte man dagegen tun?“, fragte er weiter.
„Kappe festschrauben!“ rief jemand in den Raum.
„Leute ohne Kappe einsperren“, brüllte ein Junge von hinten.
Sanft schüttelte Doktor Tornham den Kopf: „ Wir wollen doch niemanden zwingen. Alle Menschen sind RUHL. Jeder einzelne muss es wollen.“
Sansibar hatte vergessen, den Finger herunterzunehmen. Sie war die Einzige, die sich noch meldete. „Was hast du für einen Vorschlag?“, rief Doktor Tornham sie auf.
Sansibar lief rot an. Sie spürte den Blick von Marella. Nein, sie durfte sich jetzt nicht blamieren.
Sansibar nahm ihren ganzen Mut zusammen und murmelte: „Schlafmützen.“
Die Klasse brüllte vor Lachen, nur Doktor Tornham nickte ihr aufmunternd zu.
„Man könnte den Protrektor in Schlafmützen einbauen, die würden die Menschen auch nachts tragen.“
Die Klasse wieherte. Nun begann auch Doktor Tornham zu glucksen.
In diesem Moment hasste Sansibar alle, wäre am liebsten aus dem Kristallunterricht verschwunden.
„Gar nicht übel, deine Idee“, japste Doktor Tornham und schnappte nach Luft. „Aber denkst du wirklich, die Menschen würden plötzlich Schlafmützen tragen? Na ja, meine Oma vielleicht.“
Und wieder brandete Gelächter durch die Klasse. Sansibar kochte vor Ärger. Jetzt machte sich auch noch Doktor Tornham über sie lustig. Dieser Schnösel. Und in diesem Moment war sie froh, dass sie noch keinen Kristall besaß, sonst wüsste RUHL ganz genau, was sie dachte.
„Köstlich, die Idee mit den Schlafmützen, wirklich ganz köstlich“, prustete Doktor Tornham immer wieder in die Lachwogen der Klasse hinein. „Wie war doch gleich dein Name?“, fragte er.
„Sansibar.“
Hinter ihr zischte ein Junge: „Er will sicher auch deinen Spitznamen wissen, Schlitzohr.“
Wütend drehte sich Sansibar um und fauchte: „Lass das, du Idiot.“ Sansibar kämpfte mit den Tränen. Sie zog die Haare über ihr linkes Ohrläppchen. Niemand sollte es sehen.
Doktor Tornhams Lachen war plötzlich aus seinem Gesicht geschmolzen. „Und wie heißt du weiter?“, bohrte er nach.
„Arbani“, schob Sansibar hinterher. Es klang viel trotziger als beabsichtigt. Es gab keinen Grund dafür. Schließlich hatte sie wirklich nichts angestellt.
„Soso“, machte Doktor Tornham. Mit zusammengekniffenen Augen notierte er etwas auf seinem ceeBand.
Der Schulgong erlöste Sansibar von weiteren Peinlichkeiten.
Doktor Tornham bog seinen Rücken durch und begann wieder auf den Zehenspitzen zu wippen: „5 Minuten Pause, Kinder. Das habt ihr euch verdient!“
Sansibar drängte mit den anderen aus dem Klassenzimmer. Dabei sah sie niemanden an. Sie starrte auf den Boden und tat so, als würde sie das hämische Schulterklopfen nicht bemerken. Sie blieb nicht vor dem Klassenzimmer stehen, sondern rannte alleine den Gang entlang, bis zum Ende und dann hinunter in den Keller. Mit bunt blinkenden Hologrammen stand dort der alte Getränkeautomat. Zornig zog sie ihr Handgelenk mit dem TwaddleBand am Lesegerät des Automaten vorbei und bestellte einen großen Becher Astroschaummilch. Der alte Automat machte immer noch die beste Astroschaummilch der ganzen Schule, nicht so klebrig wie der neue Automat und nicht so wässrig wie die vom Hausmeister. Sansibar liebte den Schaum. Ewig konnte sie daran nippen. Schluck für Schluck. Ihr TwaddleBand blinkte die ganze Zeit auf. Unzählige Meldungen schossen über den kleinen Bildschirm. Sie beachtete sie nicht. Selbst Marellas Bild drückte sie weg. Als sie endlich den großen Becher leergetrunken hatte, war ihr Ärger einigermaßen verraucht.
Sansibar ging zurück zum Klassenzimmer. Die Tür war bereits geschlossen und der Unterricht hatte begonnen. Sansibar holte tief Luft.
Alle saßen an ihren Tischen und Doktor Tornham lächelte weich.
„Da kommt ja unser Fräulein Arbani. Sie hatte wohl eine Schlafmütze auf und ist ein wenig eingenickt“, sagte er und erlaubte den anderen Kindern mit einem Kopfnicken zu lachen.
Sansibar stapfte wortlos auf ihren Platz. Sie ließ sich auf den Stuhl fallen.
„Ich war gerade dabei zu erklären, dass Schlafmützen nicht die richtige Lösung waren, um auch die andere Hälfte aller Gedanken an RUHL zu übertragen“, sagte Doktor Tornham und verbeugte sich dabei in Richtung Sansibar. „Die richtige Antwort lautet?“
Marella schnalzte direkt neben Sansibars Ohr und auf einen Wink von Doktor Tornham leierte sie: „Der Kristall. Der Kristall war die Lösung.“
Doktor Tornham klatschte. „Ganz genau, der Kristall war die Lösung. Er zeigt an, wie viele Gedanken ein Mensch an RUHL übertragen hat. Wie viel jemand für die Gesellschaft geleistet hat. Zunächst ist der Kristall weiß, dann verfärbt er sich langsam. Ihr kennt sicher alle die Farbreihenfolge des Kristalls?“
Die drei Kinder mit den Kristallen meldeten sich und riefen im Chor:
„Weiß
Gelb
Orange
Rot
Violett
Grün
Blau
Schwarz.“
Doktor Tornham faltete seine Hände ineinander: „Sehr gut. Das habt ihr ausgezeichnet gelernt. Ganz prima. Es bleibt jedem Menschen selbst überlassen, wie lange er den Protrektor trägt und wie viel er für die Gesellschaft tut. Aber die anderen Menschen haben ihr gutes Recht, es zu erfahren.“
„Wieso haben Sie schon einen dunkelblauen Kristall?“, wollte Mika aus der ersten Reihe wissen. „Es gibt total wenig Leute mit blauem Kristall. Und die sind meistens schon alt.“
Doktor Tornham hüstelte verlegen: „Ich bemühe mich immer, der Gesellschaft zu helfen. Offensichtlich schätzt RUHL meine Gedanken. Aber hier in eurem Kristallunterricht soll es nicht um mich gehen. Lasst uns fortfahren. Ich sprach von zwei Problemen. Das erste Problem wurde mit dem Kristall gelöst. Das zweite Problem stellte sich als noch größer heraus: Forscher hatten damals entdeckt, dass Menschen Unmengen leerer Gedanken vergeuden.“
„Was sind leere Gedanken?“, platzte Sansibar heraus.
Ohne Sansibar auch nur einen Moment anzusehen, fuhr Doktor Tornham fort: „Leere Gedanken sind Gedanken ohne jeden Inhalt. Es gibt Menschen, die denken Minuten, Stunden oder auch ganze Tage einfach nichts. N-I-C-H-T-S!“ Dabei fuhr er mit dem Zeigefinger wie ein Scheibenwischer vor seiner Stirn hin und her.
„Das hätte ich dir auch erklären können“, zischte Marella ihrer Freundin zu.
„Solch leere Gedanken sind eine gigantische Verschwendung“, erklärte Doktor Tornham. „Und so kamen Forscher auf die Idee, leere Gedanken nicht einfach verpuffen zu lassen, sondern dem Zentralcomputer von RUHL zur Verfügung zu stellen. Wenn ein Mensch nichts oder nichts Wichtiges denkt, löst RUHL damit Aufgaben für die ganze Gesellschaft. Jeder hilft ein bisschen mit. Und so war der Protrektor II geboren. Notiert bitte, Kinder: Leere Gedanken werden dem