Название | Die Kostenvermeidungsdirektive |
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Автор произведения | Jens Wahl |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738080636 |
Anton machte den Vorstellungen von einem bayerischen Bauern alle Ehre, indem er verschmitzt äußerte: „Na, i ward mid am Odln, bis i da Kafä gsuffa hob!“ Das lautstarke Lachen am kleinen Stammtisch tönte durch das gesamte Wirtshaus. Dann mischt sich Max, immer noch lachend, ein: „Könnte denn nicht der Bauernverband oder eine Verkaufsgenossenschaft da Abhilfe schaffen? Arbeit soll sich lohnen, tönt es immer aus dem Arbeitsministerium. Meiner Meinung nach aber für alle und nicht nur für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer!“
Torsten brachte noch ein anderes Problem auf den Tisch: „Es ist ja nicht nur der Güllegestank, der Gudruns Asthma zu schaffen macht. Unter uns wohnt ein Spätaussiedler aus Kasachstan, Anatoli Scheggers, zusammen mit seiner Frau. Beide sind bis auf einen einzigen Punkt an sich Musternachbarn: Es gibt kein Geschrei oder Krawall zur Nachtruhe. Ich verstehe nur etwas nicht: Da kommen Menschen, die seit Generationen in Russland gelebt haben, aufgrund ihrer Abstammung nach Deutschland. Und was machten Scheggers als Erstes nach ihrem Einzug in die Wohnung? Es wurde eine riesige Sat-Schüssel installiert, damit sie den ganzen Tag weiter Putin-TV gucken können! Weshalb sind sie dann nicht in Russland geblieben? Aber um zum Thema zurückzukommen: Der Anatoli selbst ist äußerst stark nikotinsüchtig: Der muss nur am Fenster hinter der Gardine sitzen und warten, bis er sich die nächste Kippe anzünden kann. Aller fünf bis zwölf Minuten zündet er sich auf dem Balkon eine Zigarette an. Dabei stinkt das so wie getrocknete Pferdeäpfel - wir wissen nicht, ob er da eine aus Russland importierte Machorka-Mischung raucht oder aus Kostengründen echt das, wonach es riecht. Wir hatten schon versucht, vom Balkon aus mit ihm zu reden, ohne jeden Erfolg. Wir können ja den Balkon so gut wie nicht mehr nutzen, weil er ständig vor sich hin stinkt. Und wir haben auch nichts dagegen, dass die Spätaussiedler, ohne jemals einen Pfennig in unser Sozialsystem eingezahlt zu haben, eine Rente erhalten. Aber dann sollen sie doch nicht denjenigen, die ihre Rente erarbeiten, auch noch die Balkonnutzung vermiesen. Würde er alle halbe Stunde mal eine rauchen, wäre das kein Problem für uns. Letztes Wochenende war es wieder so schlimm, dass Gudrun versuchte, mit der kleinen Gießkanne für die Geranien seine Kippe zu treffen - er hält seine Gichtfinger mit der Fluppe immer über den Balkon, um ab und zu eine Aule drüber zu spucken und ihr genussvoll hinterher zu schauen - drunter wohnen möchte ich echt nicht! Gudrun hatte beim vierten Anlauf die Fluppe getroffen - zwei Minuten später klingelte er bei uns. Ich habe ihm erklärt, dass auch wir unseren Balkon nutzen möchten: Die Wäsche stinkt nach seinen Pferdeäpfeln, die Frau bekommt Asthmaanfälle und selbst mir mit gesunden Lungen und Bronchien ist dieser Dauergestank zu viel. Ich schlug ihm vor, dass er exakt zu jeder vollen und halben Stunde rauchen könne, dann könnten wir immer zehn Minuten danach den Balkon nutzen. Er drehte mit Gebrummel wieder ab und ich rief ihm ein ‘Do swidanja’ nach - so viel ist von meinem erzwungenen Russischunterricht auf alle Fälle noch übrig geblieben. Was machte ‘unser’ Anatoli? Er ging sofort auf den Balkon und steckte sich die nächste Kippe an!“
„Euch wird nichts anderes übrig bleiben, als bei solch einem Sturkopf euch einen Anwalt zu nehmen“ war die Meinung von Max.
„Und was kommt dabei heraus außer Ärger mit den Nachbarn? Wohl kaum eine reale Balkonnutzung für uns, der Anatoli wird einfach so weiter machen. Und wir müssen tagelang protokollieren, dann erneut klagen. Bei solchen egoistischen Leuten wäre es das Beste, wenn es getrennte Häuser für Raucher und Nichtraucher gäbe. Aber das wird wohl ein Wunschtraum bleiben! Du kannst dieses Pascha-Gehabe auch sehen, wenn er mit seiner Frau einkaufen geht: Der Zwerg marschiert vorweg, auf dem Kopf eine Helmut-Schmidt-Mütze und auf der Nase seine Brille mit den kleinen, kreisrunden Gläsern. Seine Frau mit Kopftuch und Krückstock folgt mit drei Meter Abstand ihrem ‘Gebieter’. Kommen sie zurück, dann trägt sie den Einkaufsbeutel, er hat mit dem Transport seiner Kippe genug zu tun. Gudrun meinte einmal, dass sie mich erschlagen würde, wenn ich mich so verhalten werde.“
Die Diskussion zu beiden Themen nahm noch die restliche Zeit bis zum Essen ein, welches wieder durch Osaro persönlich serviert wurde.
Nach dem Essen brachte Toni ein ganz anderes Thema zur Sprache. Seine Tochter Anna, eine kleine, inzwischen dreizehnjährige Nachzüglerin, hatte ein schreckliches Erlebnis: Eine ihrer Klassenkameradinnen unternahm mit Tabletten einen Selbstmordversuch. Glücklicherweise konnte ihr im Klinikum rechtzeitig der Magen ausgepumpt werden. „Die hat das nur gemacht, weil gegen sie auf Facebook ein Shitstorm losgetreten worden war. Und der Grund: Sie trug keine Markenklamotten und hatte kein hochmodernes Smartphone, weil ihre Eltern wenig verdienen! Wie kann es denn so etwas geben?“
„Das ist eben das Unsoziale an diesen sogenannten sozialen Medien!“, war Oles Meinung. „Wer war denn der Auslöser? Garantiert einer ihrer Klassenkameraden, sonst kann das doch kaum einer wissen. Und dann beteiligen sich Unzählige an so etwas, ohne das Mädchen zu kennen. Da kann man nur den Kopf darüber schütteln!“
Klaro mischte sich ein: „Da Gudrun und ich kurz nach der Wende beide arbeitslos waren beziehungsweise nur sehr wenig verdienten, mussten wir unseren Sohn mit Klamotten aus einem Billigladen einkleiden. Auch er musste damals in der Schule Hohn und Spott über sich ergehen lassen. Ich verstehe nicht, weshalb jemand nur deshalb verhöhnt wird, weil er weniger Geld hat - wir haben immer wieder zugesehen, in Arbeit zu kommen. Aber wenn dir nicht viel dafür gezahlt wird? Und dann äußerte sich vor Kurzem die Kleiderkammer in Frankfurt am Main dahin gehend, dass sie für die Flüchtlinge ausschließlich Markenunterwäsche als Spende annimmt. Sind denn die Kinder unserer nicht wenigen Geringverdiener weniger wert als die Syrer und Iraker? Ich kann solche Äußerungen absolut nicht nachvollziehen!
Zurück zu Antons Thema: Du kannst doch den Großteil unserer heutigen Jugend nur noch mit gesenktem Kopf über ihrem Smartphone sehen. Dafür gibt es auch schon eine schöne Bezeichnung: Smombies = "Smartphone-Zombies". Nimm denen mal das in Teilen von Franken so genannte ‘Wischkästla’ weg - die wissen überhaupt nichts mehr mit sich anzufangen, sind orientierungslos und können ohne ihre Suchtmaschine nicht mal mehr zwei und zwei zusammenzählen!“
Max nickte: „Ich sehe das ebenso wie Klaro: Es ist nichts anderes als eine massenhafte Sucht, die schnellstens behandelt werden muss! Die Leute denken doch gar nicht mehr selbst nach, sondern verlassen sich blindlings darauf, was ihnen irgendeine ‘Äpp’ weismacht. Ich halte das für sehr gefährlich, denn wer nicht denkt, lässt sich sehr leicht regieren und manipulieren!“ Er wandte sich an Torsten: „Um zum Thema zurückzukehren. Was machst Du als Programmierer denn eigentlich mit deinem Facebook-Account?“
Torsten schüttelte den Kopf: „Ich habe gar keinen. Was soll ich damit? Wenn ich soziale Kontakte haben möchte, rede ich mit den Kollegen, der Verkäuferin an der Kasse, meinen Nachbarn, den Leuten, die ich beim Bergwandern treffe oder mit euch - mehr brauche ich nicht. Auf alle Fälle keine elektronischen Kontakte mit ‘Freunden’, die ich gar nicht kenne. Ich muss nicht mit immer neuen Selfies das Internet 'beglücken'. Und ich bin auch keiner, der die Welt über jeden Furz informieren muss, der mich gerade verlassen hat.“
Max grinste: „Da finden sich garantiert zehn Deppen, die dann auch auf ‘Gefällt mir’ klicken!“ „Klar,“ ging Torsten auf den Frotzel-Ton ein. „Im konkreten Fall würde ich das denen auch noch glauben: Die werden nämlich froh sein, den Pups nicht riechen zu müssen!“
Als Klaro nach dem Abklingen des Gelächters hinter vorgehaltener Hand mehrmals gähnte, fragte ihn Ole, ob er den Sandmann verpasst habe. „Nein, das habe ich nicht“, antwortete der Gefragte. „Nur hat unsere Nachbarin, die Ramona Kleffer, wieder mal heute einen freien Tag oder Spätdienst. Und da verabschiedet sie jedes Mal spät in der Nacht davor ihren Stecher - natürlich wie immer äußerst lautstark minutenlang im Hausflur, an den unser Schlafzimmer grenzt. Als ich dann um Ruhe gebeten habe, brüllte ihr Tschamsterer zurück, ich solle die Fresse halten.“ „Und was hast du darauf geantwortet?“, wollte Toni wissen. „Ich habe so getan, als ob ich meine Frau etwas fragen würde, aber so laut, dass es im Hausflur zu hören sein musste: ‘Wo habe ich nur die Axt hingelegt, ich werde ihm alle Knochen brechen!’ Sofort konnte ich hören, wie der Depp die Treppe hinunter rannte und sie