Название | Traum oder wahres Leben |
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Автор произведения | Joachim R. Steudel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738004960 |
Ja, was, was hätte ich denn anders gemacht? Hätte ich wirklich mein Leben geändert? Wäre ich in der Lage gewesen, mich anders zu verhalten? Meinem Wesen, meinen Wünschen und Träumen entgegen anders zu leben? Mich anderen unterzuordnen und so zu leben, wie diese sich das wünschten? Oder wäre ich daran zerbrochen? Hätte ich vielleicht nur den Weg des geringsten Widerstandes gesucht und nur bestimmte Dinge vermieden? Oh, warum ist das Leben nur so kompliziert?
Ich begann wieder hin und her zu laufen und kam mit diesen Gedanken nicht zur Ruhe. Nach einer Weile lief ich einfach den Waldweg entlang, bis er an einem Wiesenhang die Richtung wechselte. Er führte dann am Waldrand entlang, bis er in einem großen Bogen ins Tal hinunter schwenkte. Wenn man dem Weg mit den Augen weiterfolgte, konnte man am Ende des Tales, bevor es durch einen Bogen nicht mehr einsehbar war, die ersten Häuser eines kleinen Dorfes sehen. Irgendjemand hatte am Waldrand, zwischen zwei Bäumen, eine kleine Bank gebaut. Dort setzte ich mich nieder und schaute den wild dahintreibenden Wolken nach. Der stürmische Wind beugte die Baumwipfel und immer wieder hörte man das Knacken von kleineren Ästen, die zu Boden fielen. Ich war noch nie an diesem Ort gewesen. Da ich aufs Geradewohl losgefahren war, wusste ich nicht einmal genau, wo ich mich befand. Wäre ich zu einem anderen Zeitpunkt hierhergekommen, hätte ich mich an der Schönheit der Landschaft gefreut und dem Treiben der Natur zugeschaut. Doch so nahm ich das alles nur nebenbei wahr und meine Gedanken jagten genauso wild dahin, wie die Wolken im stürmischen Wind.
Was hab ich nun noch vom Leben? Mein Halt, die Wärme, die Zuflucht in meinem Leben sind nicht mehr da. Das einsame, stille, für mich allein viel zu große Haus erdrückt mich fast. Jeder Ort, jeder Gegenstand in diesem Haus erinnert mich an meine Familie. Was will ich allein mit all den Dingen, die ich um mich herum angehäuft habe? Es macht keine Freude, wenn man sie nicht mit jemandem teilen kann. Oh Gott, was soll nur werden?
Ich vergrub den Kopf in den Händen und schloss die Augen.
Wie soll es jetzt weitergehen mit mir? Ich weiß ja nicht einmal, wie ich das Problem in der Firma lösen soll. Wenn ich diesem Igor jetzt nachgebe, verrate ich alles und alle, die mir jemals lieb waren. Gebe ich ihm nicht nach, bringe ich auch noch andere, von mir und der Firma mal abgesehen, in Gefahr. Vielleicht wäre es ja gar nicht mal schlecht, wenn ich mit dran glauben müsste. Dann wären all meine Probleme ein für alle Mal gelöst. Ich müsste mir keine Gedanken mehr machen, wie es weitergeht und wäre alle Sorgen los. Ja, das ist es. Ich leg mich weiter mit diesem Gangster an.
Mein Gesicht hellte sich auf und ich wollte aufspringen, doch fast im selben Moment sackte ich wieder in mich zusammen.
Ich bin bloß der Letzte, dem es an den Kragen geht. Er will ja was von mir. Also wird er erst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen. Wieder nichts! Wieder kein Weg! Wie komm ich nur da raus? Man müsste einfach ausreißen können. Einfach weg. Sich einfach davonstehlen. Es merkt ja doch keiner mehr, wenn ich nicht mehr da bin. Aber wo soll ich denn hin? Was soll ich denn dann tun mit meinem Leben? Außer … außer ich setz meinem Leben selbst ein Ende.
Ich erschauderte bei dem Gedanken und doch ließ er mich nicht mehr los. Nachdenklich aber schon ruhiger stand ich auf und lief den Waldweg zurück. Der Selbstmordgedanke hatte sich richtig in mir festgefressen. Ich überlegte nur noch, ob ich vorher noch etwas klären müsste. Doch schließlich kam ich zu dem Schluss, dass es mir doch dann egal sein könnte, was weiter werden würde. Der Gedanke an Gott kam kurz in mir auf, doch ich hatte den Glauben in den letzten Jahren sehr vernachlässigt, sodass der Selbstmordgedanke schnell wieder die Oberhand gewann. Zielsicher ging ich aufs Auto zu, suchte den Schlüssel in meinen Taschen und musste dann feststellen, dass er noch im Zündschloss steckte. Das war mir auch noch nicht passiert. Sonst hatte ich meist noch ein, zwei Mal kontrolliert, ob das Auto auch richtig zugeschlossen war und jetzt, da steckte der Schlüssel, da lagen alle Papiere auf dem Beifahrersitz. Selbst die Brieftasche hatte ich dort liegengelassen.
Kopfschüttelnd setzte ich mich ans Steuer und fuhr zurück auf die Landstraße. Da ich zu dem Schluss gekommen war, dass es am besten wäre, wenn ich gleich jetzt mit dem Auto einen tödlichen Unfall verursachte, schaute ich mich nach einer passenden Stelle um. Schließlich kam ich auf eine lange Gerade, die in einer scharfen Rechtskurve endete. Am linken Straßenrand in dieser Kurve stand ein recht starker Baum.
Das ist ideal! dachte ich und beschleunigte. Da ich ein PS-starkes Auto hatte, war es kein Problem, es bis zum Ende der geraden Strecke auf 140 km/h zu bringen. Ich hielt genau auf den Baum zu. Da schoss mir aber noch ein Gedanke durch den Kopf:
Was ist, wenn ich nicht sterbe? Was, wenn ich diesen Unfall überlebe? Wenn ich nur zum Krüppel werde! Wenn ich ein Pflegefall werde! Nein das geht nicht! Das ist zu unsicher!
Im letzten Moment nahm ich den Fuß vom Gaspedal und riss das Lenkrad herum. Ich kann nicht mehr genau sagen, wie ich es geschafft habe, das schleudernde Auto wieder in den Griff zu bekommen, aber glücklicherweise kam mir kein Fahrzeug entgegen, sonst wäre es wohl nicht so glimpflich ausgegangen.
Nachdenklich fuhr ich nach Hause. Zwischenzeitlich kam mir die Firma in den Sinn, und dass ich ja noch einiges dort zu erledigen hätte. Doch nach einem Blick auf die Uhr verwarf ich diesen Gedanken schnell wieder. Erstens war es schon ziemlich spät und bevor ich in der Firma ankommen würde, wäre schon Feierabend. Und zweitens, was sollte ich noch dort, wenn ich meinen Plan wirklich durchführen wollte. Durch diese Gedanken wurde mir erst einmal bewusst, wie lange und wie weit ich eigentlich ziellos in der Gegend herumgefahren war.
Als ich an einer Bahnlinie vorbeifuhr, kam mir der Gedanke, mich vor einen Zug zu werfen. Doch auch das verwarf ich recht schnell wieder.
Egal, was ich in Erwägung zog, keine Möglichkeit wollte mir so recht gefallen. Vielleicht war es auch Selbstschutz oder die Angst vor der Endgültigkeit dieser Entscheidung, die mich immer wieder zurückschrecken ließ.
Schließlich entschied ich mich fürs Erhängen und zu Hause angekommen, suchte ich gleich nach einem passenden Strick. Mit diesem ging ich dann in ein nahe gelegenes Waldstück. Es dauerte auch nicht lange, und ich fand eine Eiche mit einem