Mit Sprache was erreichen .... Helmut Tornsdorf

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Schüler moderne Liebesgedichte im Internet suchen lässt. Die werden dann besprochen, bevor angeblich „höherwertige“ Gedichte daraufhin überprüft werden, ob sie wirklich etwas ganz Ungewöhnliches sind.

      6. Kommunikation – Was sollte man über sie wissen?

      Kommunikation – eine der wichtigsten (unverzichtbaren) Tätigkeiten der Menschheit Man mag sich das eigentlich überhaupt nicht vorstellen. Aber ein Kaiser des Mittelalters (Friedrich II.), der für seine Zeit ungewöhnlich klug und neugierig war, hat wirklich mit neugeborenen Kindern ein Experiment durchführen lassen. Sie wurden ihren Müttern nach der Geburt weggenommen, bekamen alles, was sie zum Überleben brauchten, es wurde nur kein Wort mit ihnen gesprochen. Auf diese Art und Weise sollte herausgefunden werden, welches die natürliche Sprache der Menschheit ist. Das schreckliche Ergebnis: Die Kinder starben, weil sie keinen Austausch von Gedanken und Gefühlen mit anderen Menschen bekamen. Genau das versteht man unter Kommunikation, die meistens mithilfe von Sprache erfolgt, aber auch durch Gestik, Mimik und Ähnliches. Wenn man als Schüler nach Hause kommt und dabei ziemlich hungrig aussieht, geht ein anderer aus der Familie im Idealfall direkt zum Schrank, holt einen Teller und sorgt dafür, dass der auch bald gefüllt ist. Auch hier hat es so etwas wie Kommunikation gegeben. Auch wenn man nichts sagt, kommuniziert man. Man denke nur an die Frage der Eltern: „Na, wie war die Klassenarbeit?“ Sagt man dann nichts, scheint es nicht so gut auszusehen. Zum Abschluss noch ein aktueller Hinweis aus der Zeit, in der dieses E-Book entstanden ist. In Münster veranstaltet die örtliche Tageszeitung „Westfälische Nachrichten“ regelmäßig sogenannte „Wissensimpulse“. Dort treten Fachleute für bestimmte Disziplinen auf und geben ihr Wissen weiter. Am 6.12.2017 gab es dann einen Artikel mit der schönen Überschrift „Überzeugen ist Gold“. Interessant auch die These, dass für Erfolg Kommunikation wichtiger sei als Fachwissen. Als in Kritik geübter Leser dieses E-Books erkennt man natürlich sofort, dass das so allgemein nicht stimmen kann. Denn welchem Patienten hilft es bei einer OP, wenn der Chirurg vorher viel und gut mit ihm gesprochen hat, sein Handwerk als Arzt aber nicht beherrscht. Das ändert aber nichts daran, dass in vielen Fällen die Kommunikation tatsächlich über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Wer zum Beispiel seinen Heiratsantrag einleitet mit den Worten: „Eigentlich könnten wir doch heiraten“ – der muss möglicherweise mit der Antwort rechnen: „Warum eigentlich nur eigentlich? Ich warte dann doch lieber auf jemanden, der seiner Sache sicher ist“. Was in dem Artikel aber auf jeden Fall stimmt, ist der Hinweis, dass in der Schule Kommunikation eine zu geringe Rolle spielt. Aber dafür gibt es ja auch dieses E-Book ;-) Das einfache Modell der KommunikationWenn man nun genauer wissen will, wie das mit der Kommunikation funktioniert , dann hilft ein Modell, also eine Vorstellung, die möglichst einfach zeigt, was dazu gehört und wie alles zusammenspielt. Bei der einfachsten Variante stehen sich ein Sender bzw. ein Sprecher und ein Empfänger bzw. ein Hörer gegenüber. Natürlich kann es sich auch um Schreiber und Leser handeln. Dazu brauchen beide ein Thema, über das sie sich austauschen, und eine gemeinsame Sprache. Was ausgetauscht wird, nennt man „Text“ – das muss nichts Schriftliches sein. Im Extremfall reicht ein Augenzwinkern – und man weiß Bescheid. graphics10 Vielleicht noch ein kurzer Hinweis zur Farbverteilung bei den beiden Figuren: Sie sind sowohl rot als auch grün, weil sie in einem guten Gespräch ja auch die Rollen wechseln. Schauen wir uns das mal an einem Beispiel an: Da trifft ein Schüler zufällig im Bus seinen Lehrer (es können natürlich auch Schülerin oder Lehrerin sein – wir bleiben der Einfachheit halber mal in diesem Falle bei der männlichen Lösung). Der Lehrer gehört zu der netten Sorte und möchte gleich ein bisschen was für die Kommunikation tun, um die Anspannung abzubauen. „Da haben wir ja Glück gehabt, dass wir bei dem Regen wenigstens im Bus sitzen.“ Das ist nicht besonders intelligent, aber es gibt eben in der Regel wenige harmlose Themen zwischen Schülern und Lehrern, also muss das Wetter herhalten. Zugleich merkt man hier auch, dass das normale Modell der Kommunikation nicht ausreicht. Alles, was dieser Lehrer sagt, hat auch noch weitere Seiten. So spielt etwa die Beziehung zwischen den beiden Personen eine Rolle – und der Lehrer zeigt, dass er irgendwie auf den Schüler zugehen möchte. Schauen wir uns mal an, wie der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun das einfache Kommunikationsmodell deshalb um vier „Seiten“ erweitert hat. Man kann auch von einem Kommunikationsquadrat sprechen. graphics11

      Das erweiterte Kommunikationsmodell der „vier Seiten“Wir wenden dieses Modell noch einmal und diesmal ausführlich auf unser Beispiel an: Der Lehrer sagt, sobald er seinen Schüler sieht: „Da haben wir ja Glück gehabt, dass wir bei dem Regen wenigstens im Bus sitzen.“ Sachinhalt: Wir haben Glück, dass wir bei Regen im Bus sitzen können. Selbstoffenbarung bzw. Selbstaussage: Der Lehrer mag es offensichtlich nicht, bei Regen nass zu werden, hat möglicherweise keinen Schirm dabei oder sonst ein Problem. Außerdem empfindet er auch ganz normale Dinge im Leben als etwas, worüber man sprechen kann oder sogar sollte. Dazu will er sich als netter Mensch präsentieren, der in dieser Situation sich irgendwie gleichberechtigt mit dem Schüler fühlt – oder umgekehrt. Noch eine kurze Anmerkung zum Begriff: Ursprünglich hieß es „Selbstoffenbarung“ – und der Begriff macht auch gut deutlich, dass hier jemand etwas von sich „offenbart“, also offen-legt, das er vielleicht lieber für sich selbst behalten möchte. Aber das Wort klingt auch ein bisschen nach Religion – und deshalb spricht man heute neutraler, aber auch weniger treffend, von „Selbstaussage“. Beziehung: Damit sind wir auch schon bei der Frage der Beziehung, die hier mehrere Ebenen hat. Die im Bus haben wir eben schon angesprochen. Aber dahinter steckt die Rollenbeziehung aus der Schule. Und die ist nun mal so, dass die meisten Schüler sich irgendwie unwohl oder zumindest herausgefordert fühlen, wenn sie einem Lehrer außerhalb des Unterrichts begegnen. Appell: Die Aufforderung, irgendetwas zu tun, scheint hier erst mal nicht gegeben zu sein. Sie ist auch relativ schwach ausgebildet. Denn natürlich kann der Schüler einfach nur freundlich nicken oder sogar nur etwas beiseite rücken. Aber eigentlich fühlt er sich doch irgendwie aufgefordert, jetzt auch was zu sagen. Im Extremfall kann das sogar bedeuten, dass er jetzt auf den Lehrer zugeht: „Fahren Sie eigentlich immer mit dem Bus?“ Der Lehrer fühlt sich dann möglicherweise genötigt, etwas über sein Umweltbewusstsein zu sagen – oder über sein Auto zu schimpfen, das mal wieder in der Werkstatt ist. Man merkt hier sehr schön, wie die Vorstellung von den „vier Seiten“ einen dazu bringt, einen „kommunikativen Akt“ genauer zu untersuchen. So nennen die Experten das, wenn jemand auf einen anderen Menschen sprachlich oder auf ähnliche Weise zugeht. Das sollte man immer im Auge behalten, dass man auch mit Sprechen etwas tun kann. Man denke an eine Beleidigung im negativen Fall und – hoffentlich im positiven Fall – vor dem Traualtar. Damit sind wir schon gut gerüstet, wenn es später um die genauere Betrachtung eines Konfliktgesprächs geht. Alltagsbeispiele zum „Selber-Testen“Die Kommunikation zwischen Menschen ist stark auf „Konventionen“ angelegt. Darunter versteht man stillschweigende Vereinbarungen, die auch Erwartungen beinhalten. Jeder hat das schon mal gemerkt, wenn er nach längerer Zeit wieder jemanden getroffen hat. Es beginnt mit der arglosen Frage: „Na, wie geht’s?“ Und man erwartet dann irgendetwas zwischen „Ganz gut“ oder „Zur Zeit richtig toll“. Schon die zweite Variante führt dazu, dass man dann anfängt nachzufragen, was vielleicht gar nicht beabsichtigt war. Viel schwieriger wird es, wenn der Andere antwortet: „Ach, du glaubst gar nicht, was mir alles passiert ist in der letzten Zeit!“ Dann merkt man gleich, jetzt dauert es und man muss auch wohl zunehmend auf Verständnis und Mitgefühl schalten. Was aber ist, wenn der Andere gerade aus der Chemotherapie kommt und die Aussichten bei seiner Krebserkrankung höchstens auf 50:50 stehen. Dann kann es für beide sehr stressig werden – vielleicht aber ergibt sich auch eine dieser Situationen, bei denen beide nachdenklicher aus dem Gespräch herausgehen und sich selbst und das Leben für einige Zeit besser verstehen. Zum Schluss noch ein im Vergleich dazu erst mal harmloses Beispiel, das allerdings eine Beziehung oder eine Freundschaft durchaus in Schwierigkeiten bringen kann. Der Eine macht gerade etwas, der Andere kommt hinzu und fragt wiederum völlig arglos: „Du, störe ich?“ Wenn der Andere dann ehrlich ist und antwortet „Es geht!“