Название | Der Weg nach Afrika - Teil4 |
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Автор произведения | Helmut Lauschke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753189550 |
Die Dämmerung war angebrochen, als Dr. Ferdinand sich auf den Rückweg zur Wohnstelle machte. Er hatte noch kurz nach den Patienten geschaut, die am Tage operiert wurden, und einiges auf den Verlaufsbögen nachgetragen. Auf dem Vorplatz blickte er zur Rezeption zurück, wo sich nun keine Menschen mehr mit ausgelegten Pappen, Zeitungspapier, Decken und Tüchern auf dem Betonboden für die Nacht einrichteten, da mit dem Kommen der UNTAG die nächtliche Sperrstunde aufgehoben war, es auch keine Koevoetkontrollen in den Krankensälen und auf dem Hospitalgelände mehr gab. Er ging den kürzeren Weg zwischen dem ausgerollten Stacheldraht und den stehenden Resten des zerfledderten Lattenzauns entlang, an den fünf, hochgestelzten Blockhäusern vorbei, die weiterhin leerstanden, an denen einige Fenster eingeschlagen waren. Er hob die Füsse über die abgebrochenen Baumäste, die weiterhin quer über dem Weg lagen, um sich nicht die Zehen an ihnen aufzureissen, wie er es in der Dunkelheit einige Male tat, bevor die UNTAG kam. Am Dorfeingang passierte er das verwaiste Kontrollhäuschen neben dem das Warnschild 'For Whites Only', obwohl die Schwarzen den freien Zugang zum Dorf hatten und sich ungebührlich den freien Zugang zu den leerstehenden Häusern durch Aufbrechen der Türen und Einschlagen der Fenster nahmen, um sie von innen bis aufs Mauerwerk auszuräumen. Dabei blieben auch die bewohnten Häuser nicht verschont, wenn die Bewohner bei der Arbeit waren oder zu tief schliefen. Es waren jene neuen, negativen Begleitumstände, die mit dem Übergang einsetzten, eigentlich nicht erwartet wurden und im Ausmass, wie da geplündert und ausgeräumt wurde, schockierten. Er streifte sich die Sandalen in der Veranda ab, durchging den Wohnraum und das Schlafzimmer, ob da noch alles so stand, wie er es verlassen hatte, bevor er sich das Gefühl zu eigen machte, dass es sein 'zu Hause' war. Er setzte den verbeulten Wasserkessel auf die Gasflamme, goss das kochende Wasser über den Teebeutel vom 'rooibos'-Geschmack in die Tasse, rührte zwei Teelöffel Zucker ein und setzte sich mit der Tasse auf die Stufe vor der Veranda. Dazu zündete er sich eine Zigarette an und blickte in den aufkommenden Sternenhimmel, der ihm allabendlich zum Finden der Ruhe verhalf:
Sterne, Sterne, kommt herunter, kommt herunter, seht's euch an, da gibt's an allen Ecken was zu sehn, ich zeig es euch, wenn ihr nur kommt.
Sterne, Sterne, ihr geht weiter, wollt ihr an den Ecken es nicht sehn, was hier im Dunkeln vor sich geht? Ihr würdet es nicht glauben!
Sterne, Sterne, dann macht doch, was ihr wollt, euer Funkeln, das genügt hier nicht, hier wird geklaut, dass die Fetzen fliegen, die Fenster halten's nicht mehr aus, und die Türen krachen. Sterne, Sterne!
Freiheit, die ich meine, gegen Freiheit, wie sie's verstehn.
Vor dem 'International Guesthouse' war es totenstill. Auch das hing mit dem Übergang zusammen. Da wollte man sich verdecken und nicht das Geld noch falsch vertun. Er setzte sich ins Wohnzimmer zurück, dachte nach, wie schwer es der Übergang mit der Freiheit oder die Freiheit mit dem Übergang hat, wenn schon im Normalgang die Freiheit nicht ohne Probleme ist. Er knipste das Licht an und blätterte im ‘Das Prinzip Verantwortung’ (Hans Jonas, Suhrkamp Taschenbuch 1085). Da geht es auf Seite 392/93 "Um die Hütung des >Ebenbildes<": "Auch Ehrfurcht und Schaudern sind wieder zu lernen, dass sie uns vor Irrwegen unserer Macht schützen (zum Beispiel vor Experimenten mit der menschlichen Konstitution). Das Paradoxe unserer Lage besteht darin, dass wir die verlorene Ehrfurcht vom Schaudern, das Positive vom vorgestellten Negativen zurückgewinnen müssen: die Ehrfurcht für das, was der Mensch war und ist, aus dem Zurückschaudern vor dem, was er werden könnte und uns als diese Möglichkeit aus der vorgedachten Zukunft anstarrt. Die Ehrfurcht allein, indem sie uns ein >Heiliges<, das heisst unter keinen Umständen zu Verletzendes enthüllt (und das ist auch ohne positive Religion dem Auge erscheinbar) wird uns auch davor schützen, um der Zukunft willen die Gegenwart zu schänden, jene um den Preis dieser kaufen zu wollen. So wenig wie die Hoffnung darf auch die Furcht dazu verführen, den eigentlichen Zweck – das Gedeihen des Menschen in unverkümmerter Menschlichkeit – auf später zu verschieben und inzwischen eben diesen Zweck durch die Mittel zuschanden zu machen. Solches würden Mittel tun, die den Menschen ihrer eigenen Zeit nicht respektieren. Ein degradiertes Erbe wird die Erben mit degradieren. Die Hütung des Erbes in seinem >ebenbildlichen< Ansinnen, also negativ auch Behütung vor Degradation, ist Sache jeden Augenblicks; keine Pause darin zu verstatten die beste Garantie der Dauer: sie ist, wenn nicht die Zusicherung, gewiss die Vorbedingung auch künftiger Integrität des >Ebenbildes<. Seine Integrität aber ist nichts anderes als das Offensein für den immer ungeheuerlichen und zu Demut stimmenden Anspruch an seinen immer unzulänglichen Träger. Dies durch die Fährnisse der Zeiten, ja, gegen das eigene Tun des Menschen heil zu erhalten, ist nicht ein utopisches, doch ein garnicht so bescheidenes Ziel der Verantwortung für die Zukunft des Menschen." (aus: "Die negative Folie des Traumes, oder von der Vorläufigkeit aller bisherigen Geschichte. III. Von der Kritik der Utopie zur Ethik der Verantwortung")
Dr. Ferdinand stimmte dem Philosophen zu, dass für den Menschen die Verantwortung für die Zukunft ein hoch gestecktes Ziel ist, weil er ein Defizit im Offensein wie im Anspruch auf die Integrität hat, die für das Ebenbild unerlässlich sind. Da war die Apartheid ein grosses Unheil, wo die Würde und Integrität bei Weissen und Schwarzen geschändet wurde, indem die einen es taten und die andern es litten. Den einen waren die Schandtaten vorzuhalten, den andern, dass sie daraus nicht gelernt hatten. So war es mit der Verantwortung für die Zukunft nicht gut bestellt, weil die Täter schwiegen, mit der heilen Haut davonzukommen suchten, und es die andern nicht verstanden, wie hoch die Freiheit anzusetzen, wie verantwortungsvoll an sie heranzutreten war, um nicht vom einen Scherbenmeer ins andere zu kommen. Von einer Hütung des Erbes im >ebenbildlichen< Sinne und Ansinnen waren beide weit entfernt. Das Erbe wurde schändlich behandelt, wurde getreten und misshandelt. So mussten sich die Erben fühlen, denen Anstand und Würde abhanden kamen. Es fehlten der Respekt und die Furcht, dass mit dem Menschen achtvoll und behutsam umzugehen war, dem im Umgang leicht weh getan werden kann. Weil die einen es nicht begreifen wollten, die andern es nicht begreifen konnten, wuchsen die Menschen (barbarisch) in eine verkümmerte Menschlichkeit hinein, sie wühlten sich da mit Gewalt regelrecht hinein. Das "Zusammenleben" fand ohne Gemeinschaft statt, die nur eine Anhäufung schreiender und schlagender Unterdrücker und einem zusammengepressten Haufen schreiender und geschlagener Unterdrückter war. Da ging es acht- und furchtlos, respekt- und trostlos zu. Es gab kein Zurückschaudern vor dem, was aus dem Menschen werden konnte. Es gab keine Ehrfurcht vor dem Sein mit dem menschlichen Gebot. Da sollte es dann dauern, bis es gelernt werden wollte, dass es ohne Furcht und Ehrfurcht, Achtung und Schaudern nicht geht, dass ohne sie die Menschheit zum Kessel der Gemeinheit erstarrt, wo Raub und Totschlag nur noch technische Probleme waren. Solange der Mensch sich die Würde ausgezogen hat und völlig anspruchlos der Integrität des Heilseins gegenübersteht, also nackt und zerschunden dasteht, ohne sich um die höchsten Werte zu bemühen, um sie zu begreifen und sich mit ihnen neu zu kleiden, solange sollte es mit dem Leben, dem >ebenbildlichen< Erbe und den Erben auch nicht gehn. Offenheit und Anspruch durch Ehrfurcht und Schaudern, sie waren zerrissene Kleider, die nicht zu flicken waren. Wollte man sie wieder tragen, um nicht so schamlos nackt zu bleiben, dann mussten neue Kleider her. Da war das ABC zur Offenheit und Ehrfurcht neu zu lernen.
Flugsafari im Militärhubschrauber vor dem Abzug aus Namibia
Dr. Lizette und Dr. Christine, die beiden Narkoseärztinnen, waren mit ihren Männern beim Abzug des südafrikanischen Militärs nach Südafrika zurückgekehrt. Davor hatten Dr. Lizette und