Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich

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Название Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754154243



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an dem Vater.

      „Er ist für diesmal noch seiner Strafe entwichen," sagte dieser ruhig, „und vielleicht - ist es auch besser so, daß ich dem Henker nicht vorgegriffen habe; aber daß er seiner Strafe nicht entgeht, das schwör' ich bei dem lebendigen Gott, dafür soll gesorgt werden."

      „Und Charley - oh martere mich nicht länger! Etwas Furchtbares muß geschehen sein -" bat die Frau in Todesangst.

      „Lebt und ist in der Besserung," sagte Mr. Pitt mit einem tiefen Seufzer, „Gott und den guten Menschen, die sich seiner angenommen, Dank dafür! - Jener Bube aber war dabei, als die Mail vor kurzer Zeit überfallen wurde, Charley hatte ihn unter den Räubern erkannt, und um nicht entdeckt zu werden, suchte er ihn zu tödten und - muß ihn auch wirklich todt und verschollen geglaubt haben, er hätte es sonst nie wagen können, diese Schwelle je wieder zu betreten, ja selber nur in Sidney, in Australien zu bleiben."

      „Großer allmächtiger Gott! Und wo ist mein Kind, daß ich zu ihm, daß ich es pflegen kann?"

      „So gut aufgehoben, wie im elterlichen Hause," beruhigte sie der Mann, „bei Mr. Sutton in English Bottom."

      „Und kann ich zu ihm?"

      „Ja,"sagte der Mann. „Der Arzt wollte zwar am ersten Tage dergleichen nicht gestatten, weil er von der Aufregung /75/ durch Dich Gefahr für den Leidenden fürchtete, aber gestern hatte sich die Besserung so entschieden eingestellt, daß er unsern Sohn jetzt bei gehöriger Vorsicht für außer jeder Gefahr hält. Wenn Du willst, kannst Du morgen schon aufbrechen."

      „Morgen schon?" rief aber die Mutter mit tiefer Wehmuth, „und heute den ganzen Tag wolltest Du mich hier in Schmerz und Angst zurück und vergehen lassen?"

      „Gut, so geh heute," sagte der Mann erweicht. „Ich werde Dir einen Wagen besorgen, und Pauline mein armes, armes Kind," unterbrach er sich rasch, als er einen Blick auf die Tochter warf und die bleiche, zitternde Gestalt der Jungfrau sah „hat Dir der Bube etwa das Leben vergiftet?"

      „Nein Vater, nein," rief das Mädchen, sich an des Vaters Brust werfend. „Ein furchtbares Gewicht ist vielmehr von meiner Seele, ein Schleier von meinen Augen genommen. Ich fühle jetzt, daß ich den Elenden nie geliebt, und wenn ich mich hätte durch seine Bitten bewegen lassen, daß ich namenlos elend an seiner Seite geworden wäre."

      „Gott sei dafür gepriesen," murmelte der Vater, ihre Stirn küssend, „dann ist das Unglück nicht so groß, und die Sonne wird wieder auf unsern Pfad scheinen, wenn uns auch jetzt Nacht, tiefe Nacht umgeben hat. Du magst mit Deiner Mutter reisen - das wird Dich zerstreuen; Theresen bring' ich dann beute Nachmittag zum Großvater hinaus, bei dem sie ein paar Tage bleiben kann. Der alte Mann hat es immer gewünscht. Ned mag Euch fahren, unsere beiden Braunen sind ausgeruht, die Tour wird ihnen nichts schaden, und unterwegs bei Ruffels soll er die Thiere wechseln, daß er Euch in einer Fahrt hinüber bringt. Seid Ihr das zufrieden?"

      „Mein guter, lieber Charles!"

      „Das wäre also abgemacht - grüßt mir den Jungen. Und nun - diesen Holleck darf ich nicht zu Athem kommen lassen, daher folge ich Euch erst morgen nach. Denn ich muß jetzt nach Bathurst, um allerlei, was uns durch des Buben Raub zerstört wurde, in Ordnung zu bringen. Auf dem Hinweg sprech' ich bei Euch vor."

      Mr. Pitt war nicht der Mann, einen einmal gefaßten und beschlossenen Plan halb ausgeführt zu lassen. Eine Stunde /76/ später rollten die beiden Damen Georgestreet hinaus über Paramatta nach Sutton's Station, und Mr. Pitt selber, der indeß Theresen hinaus zu ihrem Großvater brachte, und damit den alten Mann ordentlich glücklich machte, erzählte diesem nur mit kurzen Umrissen das Vorgefallene, und eilte dann in die Stadt zurück, Mr. Beatty, den Polizeilieutenant, von dem Geschehenen in Kenntniß zu setzen und ihn auf die Fährte des flüchtigen Verbrechers zu bringen.

      Zwei Stunden später suchten etwa zwanzig Polizeibeamte den ganzen District ab, in dem sich der Entflohene vielleicht bis zum Einbruch der Nacht verborgen haben konnte, und Boten wurden zugleich auf die Straße hinaus gesandt, die in die Minen führte, um dort ebenfalls auf ihn zu fahnden. Aber von William Holleck fanden sie keine Spur, weder in der Stadt noch unterwegs, und wie in den Boden hinein schien der Verbrecher verschwunden.

      8.

      In den Bergen.

      Wie lange Zeit war es her, daß noch das wunderliche flüchtige Känguru in diesen Bergen umhersprang, und scheu aufhorchte, wenn ein dürres Blatt raschelte? Mußte es doch nach seinem fast eben so schlauen Feind, dem nackten Eingeborenen, umheräugen, der irgend einen benachbarten Gumbaum oder Wattelbusch zur Deckung benutzen konnte, an seine Beute anzuschleichen. Wie lange war es her, daß der listige Dingo oder wilde Hund noch durch diese Schluchten zog, und manchmal stehen blieb und erstaunt die Nase gegen den Wind hob, wenn ihm der leichte Luftzug die Witterung eines Menschen herüber brachte? - Dann kamen einzelne Heerdenbesitzer, die ihre Schafe in die Berge trieben, und Kängurus /77/ wie Dingos zogen sich vor den scharfen, langathmigen schottischen Windhunden zurück, die sie mitbrachten und rastlos damit den Wald durchstreiften.

      Dann kam das Gold, und wo waren jetzt die Schafheerden selbst geblieben, die sonst hier Monate lang geweidet, ehe ein fremder Fuß ihren Frieden gestört hatte! Diese Höhenzüge bargen Gold, und von allen Seiten strömte das gierige Menschengeschlecht herbei; von allen Seiten drangen sie in Schlucht und Thalenge, über Hochebenen und breite Bergrücken mit Schaufel und Art, mit Flinten und Revolvern, und schrieen und knallten, und schüttelten das Geröll in ihren Waschmaschinen, daß der Urwald davon wiederdröhnte, und selbst die Schwärme kreischender Kakadus in ihrer ohrzerreißenden Melodie inne hielten und erstaunt dem Toben des noch viel geräuschvolleren Menschenvolkes horchten.

      „In den Bergen lag Gold", das war das Zauberwort, das diese steinige Wildniß so plötzlich belebte, die klaren Bergwasser aufwühlte und Steine, die Jahrtausenden getrotzt, von ihren Grnndvesten brach und zu Thal rollte. In den Bergen lag Gold, und in öden trostlosen Schluchten, wo sonst an den dürftigen Gräsern nicht einmal ein einziges Schaf seinen Hunger hätte stillen können, stiegen jetzt Rindenhütten und Blockhäuser empor, und Lebensmittel und Delicatessen waren zu verkaufen, die Tausende vom Meilen über See herübergeschafft worden von Ost und West. - Wo noch nie, selbst nicht ein Lastthier, seine Spur dem Boden eingedrückt, da trieben jetzt schwer beladene Karren ihre Geleise über Quarzblock und Gumwurzel, und steile Bergwände wurden mit klingendem Instrument durchklopft und abgesucht, an denen sonst die Kängururatte und der lichtscheue Wombat nur allein in Sonnen- und Mondschein ihre Siesta gehalten und ihre Felsenwohnungen bis jetzt für unzugänglich geglaubt hatten.

      Und was für ein wunderliches, geschäftiges Treiben das war unter der Schaar, die den Thalboden aufwühlte und die quarzbestreuten Hänge macadamisirte; wie das hämmerte und pochte und fluchte und lachte und keine Stunde dabei versäumte, als ob es gälte, das innerste Mark der Erde aufzugraben. Und nicht allein an den gewundenen Zügen der Bergwasser /78/ drängten sie sich, und dämmten und schöpften und suchten des Wassers soviel als möglich Herr zu werden, nein, in Felsenschlucht und Ritze hingen sie mit ihren Messern und spitzen Eisen, und schleppten Erde zu Thal unverdrossen, um die oben an irgend einem trockenen Hang ausgegrabene da unten zu waschen und zu prüfen.

      Wo sich ein nur halbwegs reicher Platz gezeigt, wo irgend ein glückliches Menschenkind irgend ein großes Stück des edlen Metalls zu Tage gefördert hatte, und dadurch die Hoffnung entstand, daß der Boden noch mehr und reichere Schätze bergen könne, da wuchsen über Nacht ganze Städte von Zelten, Rindenhütten und Reisiglauben aus dem Boden. Verkaufsläden und professionirte Fleischer und Bäcker etablirten sich, eine Postoffice wurde errichtet, eine Polizeistation ward aufgethan, und nicht nach Tagen, nein nach Stunden war der Platz schon so mit allem Nöthigen versehen und in seinen Arbeitsplätzen eingetheilt, als ob hier eine Kolonie unter gewöhnlichen Umständen Monate, ja Jahre gehaust und gearbeitet hätte.

      Ganz ausgezeichnet erwiesen sich dabei die Maßregeln, die der sehr umsichtige und vortreffliche Gouverneur Australiens, Sir Charles Fitz Roy5, nicht allein zum Besten der Arbeiter, nein auch um dem Staat ein festes und reiches Einkommen zu sichern, getroffen hatte. Polizeimannschaft war augenblicklich, wie nur der Reichthum der Minen erst einmal erwiesen worden, an die Haupt-Arbeitsstationen