Название | 12 fette Frauen |
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Автор произведения | Cathrin Sumfleth |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742774965 |
Bei diesem Gedanken zünde ich mir eine weitere Zigarette an. Aber dann fällt mir auf, dass ich dringend mehr Kaffee brauche. Und Deo, für den Fall, dass ich noch mal Sex haben möchte. Und eventuell ein anderes Outfit. Zumindest sollte ich diese Latschen loswerden – sie unter dem Bett verstecken oder irgendwo vergraben. Ich möchte nämlich genaugenommen nicht mal, dass der Müllmann mich mit ihnen in Verbindung bringt. Und was sollen die Nachbarn sagen? Denn hier ist es anders als in der Provinz. Hier habe ich Nachbarn.
Während ich vor meinem geistigen Auge meiner Mutter wegen meiner Kritik an den Latschen und auch meines hohen Zigarettenkonsums mahnend den Kopf schütteln sehe, denke ich gleichzeitig an den nackten, gut gebauten Exoten unter meiner Dusche und grinse in mich hinein. Auf einmal klingelt mein Handy. Geistesabwesend flöte ich ein etwas zu sehr erotisch klingendes „Hallooo” in den Hörer.
Auf einmal, Stille. Dann eine weibliche Stimme, die ich nicht kenne. Die aufgeregt in einer Sprache spricht, die ich nicht kenne. Doch! Ich kenne sie! Das ist … das ist seine Sprache. Arabisch. Ich blicke auf mein Handy, das unangerührt auf dem Tisch liegt. Und realisiere, dass ich sein Handy am Ohr habe. Schnell lege ich auf.
Eine Frau. Seine Frau! Eine Stimme in meinem Kopf sagt: „Du bist jetzt ganz rational. Du bist eine intelligente Frau Mitte, na ja, Ende zwanzig, deine Synapsen schalten gut und schnell. In deinem Leben hat bis jetzt immer alles irgendwie geklappt, und es ist wirklich, also wirklich, sehr, also sehr, sehr wahrscheinlich, dass dieser marokkanische Mann aus einer großen Familie stammt. Und Schwestern hat. Die haben immer Schwestern. Mindestens drei. Oder es ist die Frau seines Bruders. Oder seine Nichte. Ganz bestimmt. Ihr habt zwar nie darüber gesprochen. Nicht ein Wort, aber wieso auch, er spricht kaum Deutsch, dein Französisch ist eher mittelmäßig und dein Arabisch nicht vorhanden. Aber wären Dinge erwähnenswert gewesen, dann hätte er sie erwähnt. Und man lernt sich ohnehin besser langsam kennen, man muss ja nichts überstürzen. Wenn er fertig geduscht hat, dann wirst du mit ihm reden. Rational. Ganz rational.”
Und während die Stimme weiter spricht, merke ich, dass ich nicht rational, sondern eher emotional anfange zu schwitzen. Ich schiebe es aufs Satin. Satin ist wirklich nicht sexy. Ich sollte mich umziehen. Fest entschlossen will ich aufstehen und greife stattdessen intuitiv zu meinem Handy. Ich rufe sie jetzt an, diese Nummer von dieser Verwandten. Ich erinnere mich an meine studentische Zeit im Callcenter, unterdrücke die Rufnummernübermittlung und verstelle meine Stimme. Tiefer, viel tiefer. Probesatz. Geglückt. Zug an einer weiteren Zigarette. Husten. Gut! Husten ist gut für eine tiefe Stimme. Wählen. Die Frau meldet sich. Mit seinem Nachnamen. Alles klar, geklärt, seine Schwester. Oder? Ich mache den Test.
„Schröööder hier, Kundenberaterin der deutschen Telekom, schönen guten Morgen Frau Akesbi!” - “Kkönne Zie bite aufhören immer mich anzurufe?” - “Frau Akesbi, es geht um Ihre Telefonverbindung, gern hätte ich dazu Ihren Mann gesprochen, Herrn Saïd Akesbi, ist der zufällig erreichbar?” - „Sssaïd nicht da, ist Montage. Lassen Zie mich in Ruhe jetzt, muss kummern um Kinder. Tschus.”
Schlecht gelaunt legt Frau Akesbi auf. Vielleicht weil Kundenberater der Telekom mitunter extrem lästig sind? Vielleicht aber auch, weil vor wenigen Minuten eine andere Frau an das Handy ihres Mannes gegangen war … Stolz auf mein Kundenberatergeschick hatten meine Synapsen doch eher langsam geschaltet: Frau Akesbi ist tatsächlich Frau Saïd Akesbi. Zigarette. Ziehen. Mehrfach. Atmen. Emotional schwitzen.
Die Dusche ist aus. Auf einmal – ein halbnackter Mann in meinem pinken Frotteehandtuch. Also, in meinem Haarhandtuch. Das ihm locker um die Hüften passt. Auf meinem Balkon. „Sschöne Frau”, sagt er auf miserabel ausgesprochenem, man könnte auch sagen, ausgesprochen miserabel ausgesprochenem Deutsch. Dann wechselt er zu Französisch: „Sollen wir nicht rübergehen ins Schlafzimmer, ein bisschen Liebe machen?”
Und ich höre mich sagen „Ja, mon amour.” …
Er hebt mich rum und wirbelt mich in die Küche, reißt mir fast zeitgleich die Sachen vom Leib und zieht sich das Handtuch von den Lenden. Ich denke, Abschiedssex wäre sicher nett, bevor ich ihn endgültig rauswerfe. Aber mein Stolz kommt mir dabei gerade ganz ungemein in die Quere. Ich, die Geliebte. Sie, die Frau. Die Kinder! Ich transpiriere, selbst ohne Satin. Und Tränen steigen mir in die Augen. Wir wissen ja alle, wie das ist: Vor der Trauer kommt die Wut – und nach dem Hochmut der Fall. Und so passiert es letztendlich, dass ich Saïds sexuelles Vorgehen ausbremse. Aber leider mit der Sensibilität einer Furie: Der auf einmal schmächtig wirkende Mann fliegt in einem recht rasanten Tempo rückwärts gegen meine Kaffeemaschine. Die Kaffeemaschine schwankt. Ich schreie ihn an: „Du bist verheiratet!”
Total überrumpelt schaut er mich aus seinen schwarzen Augen an, deren Ausdruck sich ziemlich schnell von erregt zu verängstigt wandelt und dann von verängstigt zu wütend. „Woher weißt du das?” Er läuft auf mich zu und packt mich bei den Schultern. „Von deiner verdammten Frau.” - „Verdamme nicht meine Frau!” - „Ich verdamme dich!” Ich stoße ihn weg, diesmal seitwärts gegen das Regal, auf dem mein Aquarium steht. Das war ein Fehler. Das Aquarium fällt – und zwar ziemlich tief. Es landet zuerst seitlich an Saïd und dann auf dem Boden. Auf den Holzdielen, um genau zu sein. Scherben, überall. Und Algen. Und mein Goldfisch Waldi.
„Du hättest es mir sagen müssen!”, schreie ich, vollkommen unbeeindruckt von den Scherben. Und Algen. Und Waldi. „Aber du fandest es doch schön?” - er schaut irritiert und verunsichert, so mitten im Chaos. „Schön?! Schön fand ich es, als ich dachte, du würdest mich lieben.” - „Aber ich liebe dich, Amour, dich und deine Kurven.” Hundeblick. Ich werde immer wütender. „Vielleicht kann man als schlechter Mann zwei Frauen lieben! Aber nicht so! Nicht mit mir!” - Jetzt schreit er auch: „Gut, dann gibt es eben keinen Sex mehr für dich.” - Und ich schreie zurück: „Es ging dir also nur um den scheiß Sex, ja? Jetzt sag ich dir was. Vorurteile beiseite, aber dafür, dass du Afrikaner bist, ist dein Penis ziemlich klein! Und jetzt raus hier!” Ich schubse ihn in Richtung Tür. Er tritt nicht in die Scherben, dafür auf Waldi. Waldi ist sofort tot. Saïd schafft es gerade noch, sich mein pinkes Frotteehandtuch zu greifen, bevor ich ihn komplett vor die Tür stoße habe. „Melde dich nie, nie mehr bei mir.”
Er rennt im Handtuch die Treppe hinunter.
Ich ziehe mein Negligee wieder an und werfe all seine Sachen aus dem Fenster. Und ich wohne im dritten Stock. Sie fliegen, fliegen herab auf den Mann im Frotteehandtuch, der zugegeben ziemlich niedergeschmettert vor meinem Haus auf der Straße steht.
Ich kehre die Scherben zusammen. „Zum Glück war es das Aquarium und nicht die Kaffeemaschine”, denke ich mir. Ich entsorge die Algen. Und Waldi. Zumindest lege ich ihn vorerst in die Spüle, bis ich weiß, wie ich mit einem toten Fisch verfahre. Er ist dick, vielleicht zu dick fürs Klo. Und in den Müll? Irgendwie auch entwürdigend und unpassend für einen Fisch wie ihn. Dazu muss ich ins Detail gehen:
Vor einigen Jahren hat meine kleine Schwester zu ihrem Geburtstag eben dieses Aquarium, das jetzt nicht mehr ist, bekommen. Darin schwammen zwei Welse und acht Goldfische. Den dicksten