Название | Mary und das geheimnisvolle Gemälde |
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Автор произведения | Gabrielle Jesberger |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742741691 |
Einzelne Vertreter verschiedener Kirchen prangerten in ihren Predigten die Judenverfolgung oder Konzentrationslager an und erhielten daraufhin Rede- und Schreibverbot oder wurden selbst in Konzentrationslagern inhaftiert. Einige Theologen, wie Niemöller und Bonhoeffer, leisteten aktiven und passiven Widerstand. Die Württembergische Pfarrhauskette, organisiert durch Theodor Dipper, war eine Untergrundorganisation evangelischer Pfarrer zur Rettung von Juden. Die Mitglieder der Weißen Rose (Scholl, Probst, Graf, Schmorell) druckten und verteilten im Juni 1942 bis zum Februar 43 Flugblätter. Sie handelten nach eigener Aussage aus christlicher Überzeugung und wurden ebenso wie Bonhoeffer hingerichtet. Doch allen Gruppen des Widerstandes war bewusst, dass sie eine verschwindend kleine Minderheit der Bevölkerung darstellten. Sie besaßen keine realistische Chance, das System grundlegend zu ändern. Eine Unterstützung durch die Alliierten erhielt der deutsche Widerstand nicht, vielmehr führte die Forderung einer bedingungslosen Kapitulation zu einer Solidarisierung mit der Führung und gab dem Widerstand keine Möglichkeit, durch eine Machtübernahme die Friedensbedingungen zu verbessern.
Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf der Synode von Weißensee 1950 leitete die Evangelische Kirche in Deutschland einen Bruch mit dem Antijudaismus ein, schwieg aber lange zu Luthers Judenaussagen. 1969 nahm der Lutherische Weltbund erstmals offiziell Stellung zu Luthers Judentexten: Er habe Juden darin auf grausame und gefährliche Weise angegriffen und damit seiner Kreuzestheologie widersprochen. Zum 500-jährigen Reformationsjubiläum sollte sich die Evangelische Kirche der Klärung von Luthers antijüdischer Grundhaltung stellen. „Das weitreichende Versagen der Evangelischen Kirche gegenüber dem jüdischen Volk erfüllt uns mit Trauer und Scham.“ Der Wissenschaftliche Beirat der EKD erklärte in seiner Orientierungsschrift: Völkische Antisemiten hätten Luthers antijüdische Schriften mit ihrem rassenbiologischen Programm verbunden und für die nationalsozialistische Judenpolitik benutzt. Daran hätten sich „je länger, je mehr“ auch evangelische Theologen beteiligt. Heute gelten Luthers Judenschriften als schlechterdings unvereinbar mit seiner eigenen Theologie und dem Neuen Testament.
Dass sich nicht nur in Deutschland über mehrere Generationen ein tiefsitzender Groll gegen jüdische Bürger aufgebaut hatte, sah Richard bestätigt durch seine eigenen unfreiwilligen Beobachtungen in den letzten Jahren während seiner Hausbesuche im Spessart. Er hatte nicht nur einmal gesehen, wie ein jüdischer Kaufmann in ein Haus ging, das mehr einer Hütte glich, während kurz darauf der Besitzer durch die Hintertüre verschwand. Richard wusste, dies war nicht nur für einen einzigen Schuldner die letzte Möglichkeit, durch seine Ehefrau den angelaufenen Zinsen zu entkommen. Sich Geld zu leihen gegen einen Schuldschein war manchmal in der Not die Rettung vor dem Verhungern. Und wenn einige Juden Zinsen verlangten, die die Schuldner nicht begleichen konnten, wuchs der Unmut. Es hieß, die Zinsen seien für die Juden wie für die Bauern die Egge und der Pflug. Betrügereien durch Deutsche - wie legalisierter Diebstahl jüdischen Eigentums in der NS-Zeit - wurden dagegen verdrängt, da dies nicht in das Bild des angeblich „ehrlichen und aufrechten Deutschen“ passte.
Seit vielen Jahren hatte sich ein Neid-Antisemitismus in einigen Teilen der Bevölkerung entwickelt, der sich ausgebreitet hatte. Die von Hitler angekündigte „Juden-Vernichtung“ nahm kaum jemand wörtlich, wie auch die Reichstagsrede vom 30. Januar 39: „Wenn es dem internationalen Finanzjudentum gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ - und im Jahre 1941/42 über die Endlösung: „Wenn wir diese Pest ausrotten, so vollbringen wir eine Tat für die Menschheit […] Wir werden gesund, wenn wir den Juden eliminieren.“
Kaum jemand war in der Lage, sich das Grauen des beginnenden Holocaust vorzustellen. Propagandafilme der Nazis zeigten demonstrativ Filmaufnahmen vom Lager Theresienstadt, in denen der Tagesablauf der jüdischen Familien wie in einem Ferienlager, sogar mit eigenem Gemüsegarten und Sportprogramm, zu sehen war. Die Bilder sollten die Bevölkerung, die mehrheitlich das Aussiedeln der Juden aus Deutschland begrüßten, täuschen und von der grausamen Wahrheit ablenken. Im krassen Gegensatz dazu wurden filmisch auf perfide Weise die grauenhaften Verhältnisse im Warschauer Ghetto für ein verfälschtes Bild „des Juden“ ausgeschlachtet, mit dem Tenor, er sei ein parasitärer, verlauster, schmutziger und unkultivierter Untermensch. Dieser hätte damit, nach der Lesart des angeblich zivilisierten arischen Herrenmenschen, in einem neuen Großdeutschen Reich kein Lebensrecht mehr. Für diese sog. „Parasiten des Deutschen Reichs“ blieb als logische Konsequenz nur die Endlösung mit Zyklon B.
Auch die Kirche war informiert, wie ein Appell vom 16. Juli 43 des Bischofs Wurm - der schon 1940 gegen das Euthanasie-Programm protestierte - an Hitler beweist: […] Die Liebe zu meinem Volk, dessen Geschicke ich als 75-Jähriger seit vielen Jahrzehnten mit innerster Anteilnahme verfolge und für das ich im engsten Familienkreis schwere Opfer gebracht habe, drängt mich aber dazu, es noch einmal mit einem offenen Wort zu versuchen. […] Für die lebenden, wie für die gefallenen evangelischen Christen Deutschlands wende ich mich als ältester evangelischer Bischof, des Einverständnisses weiter Kreise in der evangelischen Kirche gewiss, an den Führer und die Regierung des Deutschen Reiches. Nachdem die dem deutschen Zugriff unterliegenden Nichtarier in größtem Umfang „beseitigt“ worden sind, muss befürchtet werden, dass nunmehr auch die bisher noch verschont gebliebenen „privilegierten Nichtarier“ erneut in Gefahr sind, in gleicher Weise behandelt zu werden. Insbesondere erheben wir eindringlichen Widerspruch gegen solche Maßnahmen, die die eheliche Gemeinschaft in rechtlich unantastbaren Familien und die aus diesen Ehen hervorgegangenen Kinder bedrohen. Diese Absichten stehen, ebenso wie die gegen die anderen ergriffenen Vernichtungsmaßnahmen, im schärfsten Widerspruch zu dem Gebot Gottes und verletzen das Fundament alles abendländischen Denkens und Lebens: Das gottgegebene Urrecht menschlichen Daseins und menschlicher Würde überhaupt. In der Berufung auf dieses göttliche Urrecht des Menschen schlechthin erheben wir feierlich die Stimme, auch gegen zahlreiche Maßnahmen in den besetzten Gebieten. Vorgänge, die in der Heimat bekannt geworden sind und viel besprochen werden, belasten das Gewissen und die Kraft unzähliger Männer und Frauen im deutschen Volk auf das schwerste; sie leiden unter manchen Maßnahmen mehr, als unter den Opfern, die sie jeden Tag bringen. Und in einem weiteren Appell im Dezember 1943: […] dass wir als Christen diese Vernichtungspolitik gegen das Judentum als ein schweres und für das deutsche Volk verhängnisvolles Unrecht empfinden. Das Töten ohne Kriegsnotwendigkeit und ohne Urteilsspruch widerspricht auch dann dem Gebote Gottes, wenn es von der Obrigkeit angeordnet wird, und wie jedes bewusste Übertreten von Gottes Geboten rächt sich auch dies früher oder später. Diese Appelle wurden von Hitler nicht beantwortet und blieben vorerst ohne Folgen, da sie nicht in den Kirchen verkündet wurden. 1944 erhielt Bischof Wurm allerdings Schreib- und Redeverbot. Über den Rundfunksender London wurden die Appelle jedoch in norwegischer Sprache verbreitet. (Der Originalbrief kann im Internet unter „evangelischer Widerstand“ nachgelesen werden.)
Dass viele Deutsche den späteren Verschwörungstheorien der Holocaustleugnung gerne Glauben schenkten, ist aus psychologischer Sicht nicht verwunderlich. Damit konnte man den unvorstellbaren Vorwurf, Hitler sei ein millionenfacher Massen- und Kindesmörder gewesen,