Название | Klaus |
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Автор произведения | Uta Bahlo |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742790491 |
Dann wurde es still um mich herum. Ich hatte Angst, ich winselte, schaute die beiden panisch an und verkroch mich, leicht taumelnd, bei Gunnar im Fußraum. Kai, dieser Idiot, hatte uns mit seiner riskanten Fahrweise in Gefahr gebracht. Unverantwortlich! Ich glaube, er sagte noch so etwas wie: Heidewitzka, gut dass wir nicht offen gefahren sind. Meiner Meinung nach war das Humor an der ganz falschen Stelle.
Auf dem Panoramadach des Wagens lag ein Hirsch. Und das war keinesfalls zu unterschätzen. Die weit aufgerissenen Augen des toten Tieres schauten mich durch das Dach direkt an. Mich schauderte. Ich versuchte seinem starren Blick auszuweichen. Von der Kühlerhaube bis über das Dach konnte ich seine Blutspur erkennen. Sein großes Geweih hinterließ auf dem Weg dorthin dementsprechend große Krater.
Warum wir nach diesem Schock tatenlos herumsaßen, war mir schleierhaft.
Hatten die beiden denn nicht bemerkt, dass ein riesiger Hirsch auf dem Dach lag? Gerade, als ich die Initiative ergreifen wollte, erschien ein Mann mit einem Geländewagen und in Tarnkleidung. Sein Beruf: Förster. Er managte den laufenden Betrieb im Wald. Nun reduzierte sich leider die Betriebsamkeit um einen seiner Waldbewohner. Der Förster trug ein Gewehr über der Schulter. Ich begriff schnell, dass das Gewehr für das Tier bestimmt war, nicht für uns. Denn wenn noch irgendwo lebendige Synapsen gezuckt hätten, wäre das Tier mit einem Schuss von seinem Leiden erlöst worden. Allerdings vermutete ich, dass der Hirsch bei der großen, klaffenden Wunde, die einen flüchtigen Blick in sein Inneres zuließ, sofort tot gewesen sein musste. Gemeinsam zogen die Männer das arme Tier vom Dach. Ich hätte auch helfen können. Wahrscheinlich traute man mir das nur nicht zu. Aber ich konnte das. Ich zog mal ganz alleine ein totes Kaninchen von der Straße.
Doch während dieser Bergungsaktion blieb ich dann doch lieber im Wagen. Nie im Leben wäre ich ausgestiegen. Puh, hatte ich einen Schiss. Hatte das auch gleich mitgeteilt, indem ich einen Pups machte, genau in dem Moment, als Kai und Gunnar wieder einstiegen. Für mich nicht weiter schlimm, aber ich glaube, Gunnar und Kai fanden das nicht so prickelnd. Die schimpften mit mir, obwohl ich nichts dafür konnte. Menschen stellten sich aber auch immer an.
Der Gunnar war eigentlich ein ganz netter. Er war größer als Kai und hatte auch viel mehr Fell – krauses Fell wie ein Terrier. Er hatte nur nicht so viel zu sagen wie mein Herrchen. Ich glaube, Kai war der Chef vom Ganzen. Ich war stolz auf ihn.
Überraschenderweise blieben die Windschutzscheibe und das Glasdach unversehrt und zum Glück war das Auto noch fahrbereit. Langsam, aber mit schleifenden und quietschenden Geräuschen setzten wir die Fahrt fort. Ich versuchte zu entspannen. Auch mein Schließmuskel entspannte sich. Meine Güte, da gab es wieder ein Theater. Kai schrie irgendetwas von Erstickungstod. Der Fahrtwind danach war für mich gar nicht gesund. Auf der Rückbank zog es heftig. Ich musste mehrfach hintereinander niesen. Wenn ich jetzt krank werden würde und nicht zur Arbeit könnte – na, dann Prost Mahlzeit!
Endlich blieben wir vor einem großen Haus stehen. Es sah aus wie ein Bauernhof – und genauso roch es hier auch. Beißender Gestank stieg in meine empfindliche Nase und zog meine Gesichtszüge zusammen. Ich wusste nicht, wo genau wir waren, was auch nicht weiter schlimm war, Hauptsache die beiden wussten es. Dort war alles mit Scheinwerfern hell erleuchtet und ich war so aufgeregt, dass mein Schwanz wie eine Wünschelrute heftig ausschlug. Trotz des Gestankes konnte ich es kaum erwarten, bis sich die Tür öffnete und Kai mich befreite. Hier standen wir auch sogleich im Modder und Kai fluchte: »Was für ne Scheiß Gegend.«
Gummistiefel wären jetzt natürlich praktisch gewesen. Während er weiterhin meckerte, begann ich sofort mit dem Schnuppern. Von weitem sah ich einige Menschen, die sich wie ein Rudel Hyänen um einen Trecker drängten. Zwei von ihnen machten Fotos mit dem Handy und wurden von dem Dorfpolizisten zusammen geschissen. (Bevor Sie sich Ihre Gedanken machen: der Begriff Handy und die Dinge, die Menschen damit machen konnten, wurden mir von meiner Ghostwriterin vorab erklärt.)
Als ich näher kam, konnte ich die Füße einer Frau erkennen, die unter riesigen Traktor-Reifen im Matsch lagen. Der Rest von ihr war auch Matsch. Grässlich. Neben ihr lag ein Fahrrad – auch Matsch. Ich wusste nicht, dass Fahrradfahren auch für Menschen so gefährlich sein konnte.
Kuhfladen lagen wie Tretminen herum. Bunt-schillernde Fliegen tummelten sich darauf, um die letzten verwertbaren Spurenelemente aufzusaugen. Ein einziger Kuhfladen ist für Fliegen … wie soll ich sagen … wie ein ›Tischlein deck dich‹ … die haben ja tagelang was davon.
Ich schnupperte weiter und beobachtete, wie der Verursacher dieser abscheulichen Tat verarztet und in einem Krankenwagen abtransportiert wurde. War das ein Unfall? Zufall? Sekundenschlaf? Oder vielleicht doch überhöhte Geschwindigkeit?
Ich weiß nicht genau, aber wieviel macht so ein Trecker? Dreißig Km/H?
Leider wurde ich an weiteren Ermittlungen gehindert, da mich Kai wie einen Rucksack unter den Arm klemmte. Ich wollte gar nicht mit, konnte mich aber nicht dagegen wehren. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre riesig wie ein Riesenschnauzer, ein irischer Wolfshund oder ein Pony. Ja – die konnte man nicht so leicht zusammenfalten und auf dem Arm herumtragen.
Kai ging mit mir zu der Gruppe Menschen hinüber, die dort herumlungerten und fragte, wer die Frau gefunden hätte. Ein kleiner Mann, schwarz gekleidet, graues, struppiges Fell meldete sich. Er sah aus wie Gevatter Tod selbst und so roch er auch – moderig. Er schien der Bestatter und gleichzeitig der Pastor zu sein. Mein Gott, was für eine passende Kombi. Sozusagen eine Win-win-Situation.
Ich musste mal dringend, was kein Wunder war, denn Kai drückte mit seinem Arm gegen meine Blase. Sollte ich mich irgendwie äußern? Gott sei Dank setzte er mich in diesem Moment auf dem Weg ab.
Oh oh, jetzt schnell … bevor ich überlaufe. Schnell noch … oh, ganz schön dünn.
Gut, dass mich Kai rechtzeitig aus seiner Umklammerung gelöst hatte. Wer weiß, wie lange ich meinen Schließmuskel noch unter Kontrolle gehabt hätte. Das mussten noch die Nachwirkungen der Aufregung sein. Langsam ging es mir besser. Ich war nun abgelenkt und schaute mich ein bisschen um. An die tote Frau kam ich sowieso nicht mehr ran, dort war für ihren Abtransport schon alles vorbereitet. Die Hardware rollte an. Ein Kranwagen fuhr auf den Hof. Man kann es auch übertreiben, dachte ich, bis ich schnallte, dass der für den Trecker bestimmt war.
Mmm … das Leben ist schön. Was ist das? Kleine Krabbeltiere weckten nun mein Interesse. Cool, wie die so hintereinander herlaufen. Mal sehen, wo die hin wollen. Ist ja spannend. Und wie schnell die sind. Ich werde mal näher rangehen und ein bisschen schnuppern. Herrchen rief mich. Ich kann jetzt nicht. Er rief mich schon wieder. Ich tat, als würde ich ihn nicht hören.
Och Männo, hab keine Lust. Ist grad so lustig hier. Der Boden riecht so gut. Und die Blätter rascheln toll. Na gut, werde mal lieber schnell zu ihm rüber laufen, bevor er meckert. Ich liebte das Herumtollen im Grünen und das Laub mit meiner Nase wie eine Bugwelle vor mir her zu treiben.
Wo bist du Kai! Wo bist du? Ich reckte meinen Hals gen Himmel. Auf meiner Nase kitzelte es. Ich wischte mit meiner Pfote darüber, aber es kitzelte immer noch. Ich wischte ein zweites Mal. Es hörte nicht auf.
Wieso gucken die mich alle an? Die sollen sich um ihre eigenen Sachen kümmern. Herrchen kam mir entgegen und nahm mich auf den Arm. Er lachte, während er mir mit seiner Hand über meine Nase wischte. Was sollte das? Wie ich erfuhr, hatten sich einige Ameisen darauf verlaufen.
Noch bevor der Tatort wieder freigegeben wurde, fuhren Kai, Gunnar und ich mit dem Schrotthaufen weiter. Es dauerte eine Zeit, bis wir auf einem großen Platz vor einem riesigen Gebäude stoppten. Ich stellte mich auf die Hinterpfoten und stützte mich an der Rückenlehne ab. Nun konnte ich hinaussehen. Mit dem Hochhaus, den langgezogenen Gebäude-Komplexen, den Taxen vor dem Haupteingang und den an- und abfahrenden Krankenwagen, musste es das Krankenhaus sein. Kai wollte den Raser