Название | Himmelsvolk |
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Автор произведения | Waldemar Bonsels |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754166895 |
Seid ihr nicht viel mehr als alle, seid ihr nicht am glücklichsten, ihr Menschen, fuhr er in seinem Sinnen fort. Ich lebe unter Tieren und Pflanzen und kann euch nicht erscheinen, aber es zieht mich zu euch, stärker und freier als in jener ersten Nacht, in welcher ich euch erblickte und euer Glück verstand. Ihr Sonnenmenschen, ihr Gesegneten, die ihr geschickt seid, alles, alles zu empfangen! Was macht euch so reich an Frohsinn und Betrübnis, ich möchte den Grund der Quellen in euch kennen, aus denen die jauchzenden Lichtgarben eures Lachens entspringen und das schwermütige Geheimnis der Tränen. Wieviel Sagen von eurer Herrlichkeit und eurem Elend kennt die alte Welt!
Wie aus tiefer Kindererinnerung stieg über solchen Gedanken in der Seele des Elfen eine Ahnung empor, als habe er schon zu einer anderen Zeit alles gewußt und alles erfahren. Die Seele ist so alt wie die Welt, dachte er, sie wird zur Erde geboren, um wieder jung zu sein. Aber kaum glaubte er sich einer Gewißheit zu erfreuen, da zog es aus blauen Tiefen heran wie Wolken, und ihn befiel eine Traurigkeit, so daß er sich aus dem Bereich der Ahnungen und Gedanken in die Welt der Erscheinungen zurückflüchtete.
Leben, o schönes Leben auf der Erde, dachte er. Ihm war zumut, als sei er ein Geschöpf aus fremden Regionen der Welt, das nur träumte, es lebte auf der Erde unter ihren Wesen. Es lag am geheimnisvollen Weben der Nacht, daß alles ihm unaussprechlich wunderbar vorkam, und er sprach leise vor sich hin, wie Leute, die viel allein sind, es bisweilen tun, und sagte:
»Es muß an meiner Herkunft liegen, und weil ich ein Fremdling bin, daß ich alle Erscheinungen, die mir begegnen, so groß, so schön und sonderbar empfinde. Wer in seiner Kindheit als ein Geschöpf seiner irdischen Eltern unter seinesgleichen erwacht, der wächst in seiner Umgebung empor, ohne daß ihn dies selige Erstaunen befällt, das immer und immer wieder mein Gemüt erschüttert. Anderen werden alle Dinge langsam vertraut, sie gewöhnen sich auch an das Schönste und nehmen es wie ihr selbstverständliches Recht hin. Sie haben sichere Augen und gleichmütige Gedanken, die Erde ist ihre Heimat, und sie wundern sich nur über den Tod, obgleich er das einzige ist, was sie bestimmt wissen. Alle Geschöpfe, die ich kennengelernt habe, haben mehr Zuversicht und ein größeres Vertrauen der Zugehörigkeit als ich, aber weniger Entzücken. Es muß daran liegen, daß sie die Erde längst gewohnt sind, aber ich kann mich nicht in ihre Wunder finden, denn ich bin niemals mit unbewußten Sinnen durch ihr blühendes Tal geschritten. Als ich die Sterne zum erstenmal sah, wußte ich, daß es die Sterne waren, ich erkannte das erste Lachen, das ich vernahm, aber es war meinen Lippen fremd, und der erste Sonnenschein überwältigte mich zu unnennbarem Glück. Auf die Anderen aber haben die Sterne schon niedergesehen, ehe ihre Augen sie erkennen konnten, Tränen sind wie Tau auf sie niedergetropft, Tränen der Freude oder des Schmerzes, und sie haben nicht gewußt, was sie bedeuten, ihnen ist alles vertraut geworden, bevor sie es erkannten, vielleicht sind sie viel glücklicher unter den Wohltaten ihrer Heimat, die sie blind, ohne Gedanken, hingenommen haben. Es ist gut so, die Pracht der Erde ist so groß, daß ein Mensch sterben müßte, wenn ihre Gewalt eines Tages plötzlich über ihn hereinbräche.«
Während in dieser stillen Frühlingsnacht sein Herz auf solch seltsame Wanderschaft ging, überkam ihn plötzlich im Wandel von Andacht und Sorge ein geheimnisvolles Erzittern, und er mußte seine Arme ausbreiten, als gälte es, eine liebreiche Fülle zu umschlingen, und er verstand nicht, wie ihm geschah. Er mußte an die beiden Menschen denken, die sich in der Sommernacht seines Erwachens umarmt hatten, an alle Blüten, an alle, an die Sonne über den Wiesen und an den Jubel der Vögel im Grünen. Und plötzlich, wie in einer seligen Offenbarung, ahnte er das Wesen der Kraft, die ihn mit allem Leben in der Natur verband, und er mußte singen. Er wandte sich in die Weite, die im Mondlicht blühte, an die große, atmende Natur, die mit ihm ihrer Erlösung harrte, und sang:
Du bist mein Eigentum, weil ich dich liebe,
kein Sinn ermißt die Fülle meines Glücks.
Wie bitte ich die Güte des Geschicks,
daß mein Gemüt dem deinen nahe bliebe.
Was dir geschieht, das soll auch mir geschehn,
o Hort der Liebe, so in dir zu weilen.
Nun lernt mein Herz in seiner Zeit verstehn,
in deiner Anmut seinen Gram zu heilen.
Im Osten tauchte ein schmaler Glutstrich auf, und der Elf faltete seine Hände, denn der Morgen kam. Ich werde euch alle, alle sehen und kennen und lieben, wie ihr seid, ihr Irdischen mit mir, dachte er, das soll mein Glück sein.
Wiesenleute
Viertes Kapitel
Wiesenleute
Der Elf saß unter den Blumen. Eigentlich war es sein liebster Aufenthalt, und er kannte keine schöneren Stunden, als in ihrer Gemeinschaft zu weilen, sein Glück erschien ihm vollkommen, wenn die Seligkeit der Blühenden ihm seine Einsamkeit in ein Fest glücklichen Bescheidens verwandelte. Er saß auf einem halbentrollten Farnblatt, um ihn her erhoben sich schlanke Grashalme, die unaufhörlich schaukelten und deren feine Stimmen die sanft bewegte Luft mit leisem Rauschen füllten. Aus der Höhe mischte sich das Summen der Insekten in dies gleichmäßige Lied, wie wir Menschen es von den Bäumen im Wind kennen.
Es war ein reger Verkehr im Graswald, und zwischen den vielerlei Kräutern zogen die Tiere ihre Straße, alle beschäftigt und eifrig, aber fröhlich um des heiteren Tags willen. Man glaubt es kaum, was alles lebt auf einem so kleinen Fleckchen Erde, wie der Elf es von seinem Platz aus übersah. Käfer in den prächtigsten, schillernden Farben, Ameisen, Waldschnecken, geflügelte Würmchen und die zahllosen kleinen Tiere, die auf den Pflanzen leben, von ihren Blättern oder ihrem Blütenstaub. So winzige Erdbewohner waren tief im grünen Schattengrund beschäftigt, daß man sie für gewöhnlich nur erblickt, wenn man lange Zeit aufmerksam hinschaut. Sie unterscheiden sich in ihrer Art und Lebensgewohnheit ebensosehr voneinander, wie es größere Tiere tun, in ihren Interessen, ihrer Gestalt und Farbe.
Es war leicht zu spüren, daß die Tiere des Graswalds viel kecker und beweglicher waren als die Blumen, die voll Schüchternheit und geduldig auf ihr Geschick harrten. Der Elf beugte sich tief über ihre Kelche, deren Licht und Farbe sich in seinem zarten Gesicht widerspiegelten, er sog ihre Frische ein, ihren Duft, und als er vernahm, was ihre heimlichen Wünsche waren, rief er die Bienen zu ihnen.
Zwei kleine Käfer stiegen miteinander in den goldstrahlenden Kelch einer Blume hinab, beinahe betäubt von dem warmen Duft und ganz in das Blütenlicht eingehüllt. Die Blume zitterte leise und atmete schwer und tief.
»Elf, lieber Elf,« flüsterte sie, »was geschieht mir? Ich bin so glücklich.«
Der Elf nickte ihr mit glänzenden Augen zu.
»Der Frühling,« antwortete er, »der Frühling! Er durchdringt dein Wesen durch und durch. Halt still, Liebe.«
Die Düfte, die der Waldwind heranschaukelte, wechselten ohne Aufhören, und dem Elfen war, als trüge ihn die eine Sehnsucht unvermerkt in das Wunderreich der anderen. Eine selige Welt vertauscht sich gegen die andere, dachte er, ich schließe meine Augen und bevölkere sie aus meinem Herzen.
Dieser Wechsel verzauberte sein Gemüt immer wieder aufs neue, und er träumte fort in Farben, Licht und Düften, unter den Liedern der Vögel. Wenn der Wind den Geruch der wilden Rosen aus dem Gesträuch zu mir trägt, und ich lausche dem Gesang des Rotkehlchens, dachte er, so ist das Herz auf ganz andere Art im Lieblichen geborgen, als wenn ich den kühlen Hauch des Flieders spüre und höre die Amsel flöten. »Trag mich von Freude zu Freude, du warmer Frühling,« sagte er, »aber behüte mein Herz, damit es nicht vor Glück zerspringt.«
Das Summen der Insekten über den Blumen klang hinter den lichtroten Vorhängen seiner