Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Teil 1. Jules Verne

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Название Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Teil 1
Автор произведения Jules Verne
Жанр Документальная литература
Серия gelbe Buchreihe
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783753192321



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Madeira, die Insel Santa Katarina nahe der Küste Brasiliens, ferner über den Hafen St. Julien durch die Lemaire-Straße.

Grafik 36

      „Wie abschreckend auch der Anblick von Feuerland wirken mag, sagt der Bericht, der von Staatenland übertrifft ihn doch noch bedeutend. Hier besteht die Küste nur aus einer Reihe unübersteiglicher Felsen, über welche noch scharfe Spitzen hinausragen und die bei ihrer außerordentlichen Höhe unter einer Decke ewigen Schnees verborgen liegen. Nur schauerliche Schlünde unterbrechen zuweilen die Steinmauer. Kaum vermag man sich etwas Traurigeres und Wilderes vorzustellen als diese Küste.“

Grafik 37

       Kaum traten die letzten Schiffe aus der Meerenge heraus, als das Geschwader von häufigen Böen, Windstößen und Stürmen überfallen wurde, so dass die erfahrensten Matrosen gestanden, noch niemals derartige Orkane erlebt zu haben. Dieses abscheuliche Wetter hielt sieben Wochen ohne Unterlass an. Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, dass die Flotte dabei namhafte Havarien erlitt und eine Menge Matrosen verlor, welche teils durch die Wellen über Bord gespült, teils von Krankheiten dahingerafft wurden, die sich in Folge fortwährender Feuchtigkeit, wie der ungesunden Nahrung entwickelten.

      Zwei Schiffe, die „SEVERE“ und die „PERLE“, versanken, vier andere wurden außer Sicht verschlagen. Anson konnte in Valdivia, das im Fall einer Trennung als Sammelplatz bestimmt war, nicht einlaufen. Weit darüber hinaus verschlagen, gelang es ihm erst bei Juan Fernandez, wo er am 9. Juni eintraf, ans Land zu gehen. Die „CENTURION“ bedurfte eines Zufluchtsortes am nötigsten. Vierundzwanzig Mann von ihrer Besatzung waren umgekommen, sie entbehrte des Trinkwassers und der Skorbut wütete dermaßen unter ihrer Mannschaft, dass kaum zehn Mann zum Beziehen der Wachen fähig waren. Drei andere Fahrzeuge in nicht minder schlechtem Zustande trafen ebenfalls bald hier ein.

       Jetzt galt es zuerst den erschöpften Leuten Erholung zu gönnen und die empfindlichsten Schäden der Schiffe auszubessern. Anson führte die Kranken ans Land und brachte sie an einer wohlgeschützten Stelle in freier Luft unter; dann durchstreifte er, gefolgt von den kräftigsten Matrosen, die Insel in allen Richtungen, um deren Reeden und Küsten aufzunehmen. Der beste Ankerplatz wäre – nach Anson – die Cumberland-Bay. Der südöstliche Teil von Juan Fernandez – eine kleine Insel von beiläufig fünf Meilen Länge auf zwei der Breite – ist trocken, steinig und baumlos, das Land tiefliegend und im Verhältnis zur Westküste sehr eben. Kresse, Portulak, Orseille, Steckrüben, sizilische Rüben u. dgl. wucherten hier in Überfluss, ebenso wie Hafer und Klee. Anson ließ Möhren und Lattich säen, auch Pflaumen-, Aprikosen- und Pfirsichkerne stecken. Er überzeugte sich, dass die vielen Böcke und Ziegen, welche frühere Büffeljäger hier zurückgelassen und die sich erst stark vermehrt hatten, jetzt nur weit minderzählig vorhanden waren. Die Spanier hatten nämlich, um ihren Feinden diese schätzbare Hilfsquelle versiegen zu machen, hier eine Menge halbverhungerter Hunde ausgesetzt, welche auf die Ziegen Jagd machten und deren eine solche Anzahl verzehrten, dass zu jener Zeit kaum noch zweihundert vorhanden waren.

      Der Chef des Geschwaders – denn so wird Anson in dem Berichte stets bezeichnet – ließ auch die etwa fünfundzwanzig Meilen von Juan Fernandez entfernte Insel Mas-a-fuero untersuchen. Kleiner als jene ist sie doch waldreicher, besser bewässert und beherbergt weit mehr Ziegen.

      Gegen Anfang Dezember hatten sich die Mannschaften so weit erholt, dass Anson daran dachte, nun seinem eigentlichen Ziele, dem Kaperkrieg gegen die Spanier, näher zu treten. Er erbeutete zuerst etliche Schiffe mit kostbaren Waren und Goldbarren und legte die Stadt Pacta in Asche. Die Spanier selbst schätzten ihren hierdurch erlittenen Verlust auf anderthalb Millionen Piaster.

       Nun begab sich Anson nach der Bay von Quiba, in der Nähe von Panama, um der Gallion aufzulauern, welche die Schätze der Philippinen alljährlich nach Acapulco überbringt. Begegneten die Engländer hier auch keinem einzigen Bewohner, so fanden sie doch, neben einigen elenden Hütten, große Haufen von Muscheln und schöner Perlmutter, welche die Fischer von Panama den Sommer über hier liegen zu lassen pflegen. Unter den reichlichen, an diesem Orte vorhandenen Nahrungsmitteln verdienen besonders die Riesenschildkröten hervorgehoben zu werden, welche gewöhnlich zweihundert Pfund wiegen und die man auf höchst eigentümliche Weise einfängt. Zeigt sich nämlich eine solche schlafend auf der Wasseroberfläche, so taucht ein geübter Schwimmer unter derselben unter, erfasst beim Wiederauftauchen deren Schale nahe dem Schwanze und sucht sie herabzuziehen. Dadurch erwacht jene und beginnt sich zu wehren, hält aber ebendabei den Menschen so lange über Wasser, bis Boote herankommen, um beide aufzunehmen.

      Nach ziemlich fruchtloser Kreuzfahrt sah sich Anson genötigt, drei spanische Schiffe, die er genommen und bemannt hatte, zu verbrennen. Nach Verteilung ihrer Besatzung und Ladung auf die „CENTURION“ und „GLOCESTER“, die beiden einzigen noch übrigen Schiffe des Geschwaders, beschloss Anson am 5. Mai 1742, nach China zu segeln, wo er Verstärkung und Proviant zu finden hoffte. Zu dieser vorher auf etwa sechzig Tage berechneten Überfahrt brauchte er aber volle vier Monate. In Folge eines heftigen Sturmes sprang die „GLOCESTER“ leck und musste, bei der Unmöglichkeit, das Schiff mit der stark verminderten und geschwächten Mannschaft länger zu halten, verbrannt werden. Nur Geld und Lebensmittel wurden von derselben noch übergeführt nach der „CENTURION“, dem letzten Überbleibsel der stolzen, vor kaum zwei Jahren von Englands Gestaden abgesegelten Flotte.

       Anson kam, weit aus seiner Route verschlagen, hoch nach Norden, wo er am 26. August die Inseln Atanaron und Serigan auffand; am folgenden Tage entdeckte er Saypan, Tinian und Agnigan, welche zu dem Archipel der Mariannen gehören. Ein spanischer Sergeant, den er in dieser Gegend auf einer kleinen Schaluppe gefangen nahm, teilte ihm mit, dass die Insel Tinian unbewohnt sei, aber Überfluss besitze an Rinderherden, Geflügel und herrlichen Früchten, wie Orangen, Limonen, Zitronen, Kokospalmen, Brotfruchtbäumen u. s. w. Natürlich kam diese Nachricht der „CENTURION“ sehr gelegen, denn ihre Besatzung belief sich nur noch auf 71, durch Entbehrungen und Krankheiten tief erschöpfte Leute, dem Reste von 2.000 Matrosen, welche die Flotte bei der Abfahrt mit sich führte.

      „Der Boden ist hier trocken und etwas sandig“, lautet der Bericht, „wobei auf Wiesen und in Wäldern ein zarterer und gleichmäßigerer Rasen gedeiht, als man ihn sonst im Tropenklima zu finden pflegt; das Land steigt von dem Ankerplatze der Engländer bis zur Mitte der Insel allmählich an; bevor es aber seine größte Höhe erreicht, unterbrechen dasselbe mehrere Niederungen mit trefflichem Klee und verschiedenen Blumen, und umrahmt von schönen Wäldern, deren Bäume köstliche Früchte erzeugen. Die Tiere, während des größten Teiles des Jahres die einzigen Herren dieser prächtigen Gefilde, erhöhen nur die romantischen Reize dieser Stellen und tragen nicht wenig dazu bei, ihnen ein wahrhaft entzückendes Aussehen zu verleihen. Nicht selten sieht man Tausende von Rindern friedlich auf einer solchen großen Prairie weiden, ein umso merkwürdigerer Anblick, weil dieselben bis auf die meist schwarzen Ohren alle von milchweißer Farbe sind. Trotz der Verlassenheit der Insel erweckt das fortwährende Brüllen und der Anblick so zahlreicher Haustiere, welche sich auch in den Wäldern tummeln, doch unwillkürlich die Gedanken an Farmen und Dörfer.“

       Wirklich ein bezauberndes Bild! Sollte ihm der Verfasser aber nicht einige Reize nachsagen, welche nur in seiner Einbildung vorhanden waren? Nach so langer Seefahrt mit vielen Stürmen ist es wohl nicht zu verwundern, wenn die grünenden Urwälder, die Üppigkeit der Pflanzenwelt, der Reichtum an tierischem Leben auf den Geist der Begleiter des Lord Anson einen überwältigenden Eindruck hervorbrachten. Wir werden übrigens bald erfahren, ob seine Nachfolger von Tinian ebenso entzückt gewesen sind wie er.

      Anson konnte sich trotz alledem einer gewissen Unruhe nicht entschlagen. Wohl fand er Gelegenheit, sein Schiff gut auszubessern, auf dem Lande lagen aber doch noch viele Kranke in Erwartung gänzlicher Wiedergenesung, und an Bord blieb nur eine kleine Anzahl Matrosen zurück. Der Ankergrund bestand aus Korallen und man hatte alle Vorsicht nötig, ein Zerschneiden der Kabel zu verhüten. Da erhob sich zur Zeit des Neumondes ein heftiger Wind und brachte das Schiff zum Treiben. Die Anker bewährten sich wohl, nicht aber die Taue, und so schwankte die „CENTURION“ auf das offene Meer hinaus. Ohne Unterlass grollte der Donner, und der