Название | Herzstolpern |
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Автор произведения | Tara McKay |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753192536 |
Mir ist leicht flau im Magen, während ich meine Eltern beobachte. Ich habe sie nicht hergebeten und spüre einen deutlichen Widerwillen, dass sie in mein Territorium eindringen. Mein Haus ist so etwas wie mein Hort des Friedens, wo Panikattacken nichts zu suchen haben – auch wenn sich diese nicht immer an diese Regel halten. Aber alleine der Anblick von Ma und Da stresst mich schon und mir bricht der Schweiß aus. Verärgert drücke ich beide Hände auf den Magen.
„Verdammt, Lauren, es sind nur deine Eltern, die dir spontan einen Besuch abstatten wollen“, schimpfe ich laut mit mir selbst. Aber ich kann mich nicht wirklich beruhigen, denn mein Vater ist alles andere als spontan und wenn er meine Mutter hierher fährt, dann ist das kein Höflichkeitsbesuch, weil wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben.
Langsam mache ich mich auf den Weg nach unten. Jede Schnecke könnte mich überholen, so krieche ich dahin, denn ich verspüre keinen Drang die Türe zu öffnen. Dennoch tue ich es und setze sogar noch ein freundliches Lächeln auf. Ich nenne es gerne mein ‚Arbeitslächeln‘, denn als Lehrerin muss man stets gute Laune verbreiten. Für die Schüler, die Eltern, die Kollegen… Jeder erwartet irgendwie, dass man immer gut drauf ist, auch wenn das natürlich nicht der Fall ist.
„Wir dachten, wir kommen einfach mal bei dir vorbei, wenn du schon nicht zu uns kommst“, flötet Ma, während sie eine Begrüßung einfach mal weglässt und sich an mir vorbei ins Haus schiebt.
Mein Vater trabt ihr hinterher, bleibt aber bei mir stehen und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Sherlock ist währenddessen damit beschäftigt, meinen Buchsbaum zu markieren, wobei er beim Beinchen heben gefährlich schwankt. Mit dem Gleichgewicht hat er so seine Schwierigkeiten, aber das darf man wohl auch wenn man so alt ist wie Sherlock, der mit seinen zwölf Jahren schon als Großvater zu bezeichnen ist.
„Kann ich euch etwas anbieten?“, frage ich, aber Ma flattert bereits in ihrem Fledermausoberteil in die Küche.
„Ich mache das schon, Lauren. Ich weiß doch, wo bei dir alles steht.“
Resolut macht sie sich ans Werk, um einen Tee zu kochen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als resigniert zu seufzen, dann fange ich einen Blick von Da auf, der entschuldigend lächelt.
„Dann setzen wir uns eben schon mal ins Wohnzimmer“, beschließe ich mit einem weiteren aufgesetzten Lächeln, aber der Knoten im Magen wird immer größer, die Übelkeit ebenfalls.
„Du weißt, wie deine Mutter ist…“ Da zuckt die Achseln, lässt Sherlock von der Leine und folgt mir dann ins Wohnzimmer. Sein Blick schweift über die alte Einrichtung von Tante Mhairi, seine Züge werden weicher, entspannter, gleichzeitig beginnen die Augen zu glänzen.
„Es ist schön, dass du nichts verändert hast. Ich erinnere mich an so viele schöne Jahre, die ich hier verbracht habe. Zuerst als ich selbst noch ein Kind war und jeden Sommer nach Portobello zu Tante Mhairi geschickt wurde, damit sie während der Ferien auf mich aufpasst. Meine Eltern haben immer gearbeitet, für so etwas wie Urlaub hatten sie keine Zeit.“ Bei der Erinnerung legt er seine Stirn in tiefe Sorgenfalten, sodass er Sherlock ziemlich ähnlich sieht. Doch dann hellt sich seine Miene wieder auf. „Als ich Jean kennenlernte und bald klar war, dass wir heiraten wollen, habe ich ihr gleich gesagt, dass ich jeden Sommer mit ihr in Portobello verbringen möchte.“
„Und das haben wir ja dann auch getan, Da.“ Wir lassen uns beide auf die abgewohnte Couch sinken, die ich bereits kenne, seit ich denken kann. In nostalgische Gedanken versunken ignorieren wir völlig, dass sie unter unserem Gewicht ächzt. „Wir sind jeden Sommer hergekommen und Tante Mhairi hat sich jedes Mal gefreut, als hätten wir eine Weltreise auf uns genommen. Dabei sind wir nur die knapp 80 Meilen von Dumfries nach Edinburgh hochgefahren.“
„Deine Großtante war eine alte Frau, die niemals irgendwohin gereist ist. Sie lebte in diesem Haus seit ihrer Kindheit und ist, soweit ich weiß, niemals herumgekommen.“
Ich schlucke unwillkürlich, erinnert mich das irgendwie an mich. Auch ich verschwende in letzter Zeit keinen Gedanken mehr ans Reisen und die zweistündige Fahrt nach Dumfries wäre für mich eine Qual, während der ich vermutlich von einer Panikattacke in die nächste fliegen würde.
„Wollte Tante Mhairi nie weg oder konnte sie nicht?“, frage ich zögerlich.
Mein Vater legt den Kopf schief und sieht mich merkwürdig an, das Gesicht ein wenig sorgenvoll. In diesem Moment poltert Ma mit einem Tablett beladen ins Wohnzimmer, sodass mein Vater nicht mehr dazu kommt zu antworten.
„Kann mir das mal jemand abnehmen?“, fragt sie schwer schnaufend, als würde sie gerade Gewichte stemmen.
Sofort springe ich auf. Das Tablett ist, wie erwartet, nicht sonderlich schwer. Meine Mutter übertreibt gerne ein wenig, um immer die volle Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist vermutlich normal, wenn man mit sechs Geschwistern aufgewachsen ist. Da und ich finden ihr Verhalten manchmal sehr befremdlich, schließlich können wir das als Einzelkinder nicht nachvollziehen.
Als schließlich alle mit einer Tasse Tee dasitzen, versuche ich, meinen Eltern ins Gesicht zu sehen, doch sie starren beide wie gebannt in das dampfende Gebräu, als wollten sie mir ausweichen.
„Hast du heute gar keinen Nachmittagsunterricht?“, fragt Ma schließlich mäßig interessiert.
„Nein.“
Sonst wäre ich ja kaum hier, würde ich gerne ergänzen, beiße mir aber auf die Zunge.
„Schön.“ Sie nippt an ihrem Tee, verzieht das Gesicht, weil er noch zu heiß ist und stellt die Tasse auf dem Tisch ab. Dann fährt sie sich mit beiden Händen über das blondgefärbte Haar, das wie ein Helm an ihrem Kopf anliegt und dreht die Spitzen ein, als würden sie es jemals wagen, sich nach außen zu drehen. Es ist eine Angewohnheit von ihr, ständig ihr Äußeres zu kontrollieren, so wie sie alles um sich herum im Griff haben will. Dabei sieht sie immer gut aus; ein wenig wie Olivia Newton-John finde ich, allerdings ohne Botox und Schönheits-OPs.
„Was führt euch denn an einem Montagnachmittag zu mir?“, wage ich einen Vorstoß.
„Als wenn wir, deine Eltern, dich nicht einfach mal besuchen dürften.“ Beleidigt verzieht Ma das Gesicht.
Da starrt zu Boden und studiert eingehend das Muster des Perserteppichs, den er bestimmt schon tausend Mal gesehen hat.
„Was sagst du dazu, Allan?“, ereifert sich meine Mutter, ihre sonst so blassen Wangen färben sich sofort scharlachrot. „Da beschließt man spontan eine zweistündige Autofahrt auf sich zu nehmen, um sein einziges Kind zu besuchen, und dann wird man so empfangen.“ Theatralisch breitet sie die Hände aus, ihre weiten Ärmel flattern, sodass sie tatsächlich große Ähnlichkeit mit einer Fledermaus hat.
Der Knoten in meinem Magen wird immer größer, drückt nun sogar gegen meine Rippen und nimmt mir die Luft zum Atmen. Ich stelle meine Tasse ein wenig zu heftig auf dem Couchtisch ab, damit ich die Hände frei habe. Schützend lege ich sie auf den schmerzenden Oberbauch.
„Jean, sie hat doch nur gefragt…“ Mein Vater blickt gequält auf.
„Ich weiß schon, was sie gefragt hat. Warum wir einfach hier auftauchen. Aber weißt du was, junge Dame…?“ Sie erhebt den Zeigefinger.
Ich hasse es, wenn sie ‚junge Dame‘ zu mir sagt, als wäre ich noch ein kleines Kind; als wüsste sie nicht, dass ich dieses Jahr bereits fünfunddreißig Jahre werde.
„Nun lass sie doch, Jean.“ Beschwichtigend legt Da eine Hand auf ihren Arm.
Selbst Sherlock eilt mir zu Hilfe und schmeißt sich an Mas Bein, den tieftraurigen Blick zu ihr erhoben. Vermutlich will er einfach nur einen Cookie erbetteln,