Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker Friedrich

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Название Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия maritime gelbe Buchreihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753198323



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dass die Wogen sich nicht seitwärts dagegen werfen und ihm verderblich werden könnten –, zeigt, dass noch Leben an Bord und die Mannschaft trotzig dem Wind gerade in den Zähnen liege, sein Austoben ruhig unerschrocken abzuwarten.

      Und über die empörten Wogen, von dem Sturm in rasender Schnelle geführt, mit langsamem gewaltigen Flügelschlag strich der riesige Albatros, umzog neugierig das Schiff in weiten Kreisen und kreuzte herüber und hinüber im glatten, einer Straße ähnlichen Fahrwasser, das sich der tiefe Kiel gezogen, aufmerksam den mit furchtbarem Schnabel bewehrten Kopf bald nach dieser, bald nach jener Seite drehend, ob nicht irgend ein von Bord des Schiffes geworfener Leckerbissen, wozu besonders Speck und Fleisch gehört, die Monotonie seiner gewöhnlichen Fischkost unterbrechen könne.

      Ein ganzes Volk blau und weißer Cap-Tauben (Eine in Größe und Gestalt der Taube ähnliche Möwe) trieb sich schon lange hinter dem Heck des Fahrzeuges her, mit raschem Flügelschlag nach jedem übergeworfenen Stück Garn oder Werg niederfahrend, und gegen einander zankend und kreischend, wenn der Koch ihren Heißhunger durch ausgeworfene Leckerbissen rege machte oder einer oder der andere der Seeleute die kleine, mit Speck besteckte und an langer Leine befestigte Angel auswarf, um einen der Vögel heranzulocken. Die Matrosen fangen auf diese Art gern Cap-Tauben und Albatrosse, essen die ersteren und brauchen von beiden die Federn, oder nehmen auch den letzteren die mit großen Schwimmhäuten versehenen Füße, um sich wunderliche Tabaksbeutel daraus zu fertigen.

      Auch andere Mögen kreuzten herüber und hinüber, braun und schwarz mit langen scharfgespitzten Schwingen, vom Sturm getragen und geschickt mit dem Schiff gegen ihn lavierend oder langsam über die aufgeregten Wogen streichend, auf deren nach ihnen aufleckende Wellen sie die elastischen Flügelspitzen legten und sich scheinbar mit ihnen hoben, immer aber mit rascher Wendung die Gefahr vermeidend, erreicht zu werden.

      Tagelang begleiten sie so das Schiff, schlafen auch wohl hier und da nachts auf seinen Rahen, und folgen ihm am nächsten Tage wieder unermüdet auf seiner Bahn. Dem Seemann aber sind sie willkommene Begleitung auf einsamer Reise; gern sieht er ihren leichten Flug und folgt ihren kreisenden Bahnen mit dem Blicke, und wenn sie in Lee (Die Leeseite ist immer die Seite des Schiffes, auf der es liegt, also die dem Wind entgegengesetzte; „in Lee“ ist daher unter dem Wind.) vom Schiffe, was sie bei schwerem Wetter am liebsten tun, herüber und hinüber streichen, sagt er, dass sie nachschauen, ob die Schoten und Brassen auch fest sind, um Taue und Rahen zu wahren. Im Lee vom großen Boot sitzt er denn auch wohl, sein Priemchen geschäftig im Munde, schaut ihrem Fluge zu und plaudert und erzählt von der und jener Zeit, wo die Mögen gerade so kreisten und suchten und er an der oder jener Küste auf leckem Schiff vielleicht oder mit schwerer Havarie gegen das zornige Element ankämpfte, um sein Leben auf festes Land zu retten – und festes Land doch eben kaum nur betreten hatte, als er sich wieder hinaussehnte auf die weite, wogende, treulose und doch so lieb gewonnene See.

      Die Leute am Land haben überhaupt gewöhnlich einen ganz falschen Begriff von dem Leben an Bord eines Schiffes in offener See und bei schwerem Wetter. Nicht selten hört man da sagen, wenn es weht und stürmt: „Oh die armen Menschen auf der See – wie weh und ängstlich ihnen jetzt zu Mute sein muss – wie sie jetzt in ihrer Angst zu Gott beten und den Mast mit ihren Armen umfassen – krampfhaft, um nicht fortgeweht zu werden!“ Weit gefehlt! Auf offener See und mit keiner Küste in Lee, von der sie abarbeiten müssen, um nicht auf den Strand gesetzt zu werden, nur mit dem regelmäßigen Seegang gegen sich und mit dem Winde, wenn der auch beide Backen voll genommen, gibt es kaum eine bessere und gemütlichere Zeit an Bord eines Schiffes für den Matrosen, als gerade bei solchem Wetter. Sobald die leichten Segel nur erst einmal festgemacht, die anderen nötigen dicht gereeft, ebenso alle Luken ordentlich dicht sind, und alles an Bord, was von überkommenden Seen fortgewaschen werden könnte, wohl und sicher befestigt ist, beginnt für den Matrosen, der sonst über Tag keinen Augenblick unbeschäftigt bleibt, die freie Zeit.

      Mit dem breiten „Süd-Wester“ auf dem Kopf, in wasserdichten, geölten Jacken und Hosen, sitzen die Leute dann, wer nicht gerade seine Zeit am Steuerruder abzustehen hat, unbelästigt von einem Ruf der Offiziere, in Lee vom großen Boot, das ihnen Schutz gegen den Wind gibt, dicht geschaart beisammen, und haben sie nur Tabak zum Kauen, dessen Mangel ihnen allein vielleicht die Laune verderben könnte, so wird erzählt und gelacht, und der Sturm mag indessen wehen nach Herzenslust. Sie können auch nichts dagegen tun, als die Zeit abwarten, in der es einmal zu wehen aufhört; das Schiff liegt indessen dicht am Winde und reitet, wenn nur richtig von dem Steuerruder geführt, schon selber die Wogen.

      So hier an Bord der tüchtigen kleinen amerikanischen Brig „SUANNAH“, die mit dem scharfen Bug keck gegen die drohenden, bäumenden Wogen anschnitt. So tief sie auch oft in die kristallenen Massen einschlug – wenn sich ein weiter Abgrund vor ihr öffnete, dass es aussah, als ob der nächste anstürmende Berg sie unter seiner Wucht begraben müsse – hob sie sich doch immer wieder kampfgerüstet zur rechten Zeit und schlug mit dem kecken Frauenbild, dessen Namen sie trug und das ihre Gallion zierte, rasch an gegen den auf sie geführten Wurf.

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      Wenn ihr die klare Flut dann in Strömen von der Stirn troff und die Woge, die ihren Untergang gesucht, sie selber auf den Nacken heben musste, schaute sie keck und zuversichtlich hinaus über das rollende Heer um sich her, und fuhr dann wieder nieder, wie zum Sprung, der nächsten zu begegnen.

      „'s ist doch ein wackeres Seeboot,“ sagte der eine der Wache, die sich in Lee vom großen Boot zusammengefunden hatte und zwischen ein paar dort wohlbefestigten und Schutz nach vor und aft gewährenden Wasserfässern den Sturm eben austoben ließ, „und dicht und drall wie keins. Verdammt will ich sein, wenn noch ein anderes Schiff mit uns hier herumreitet, das bei so schwerem Wetter so wenig Wasser macht. – In zehn Minuten abends pumpen wir sie frei!“

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      Es war ein junger Bursche von vielleicht zweiundzwanzig Jahren mit vollem lockigen Haar, das der Süd-Wester kaum decken konnte, und freien offenen Zügen; ein Rhode Island-Mann, wie er denn auch von seinen Kameraden nach dem Staate, dem er angehörte, statt seines eigentlichen Namens James, Rhode Island gerufen wurde.

      „Gott sei Dank!“ sagte einer seiner Kameraden, ein alter wetter- und sonnverbrannter „Teer“ mit schneeweißem Haar, eben solchen Augenbrauen und knochigen zähen Gliedern – „Gott sei Dank, mein Junge, und nicht ‚verdammt‘, denn nur wer erst einmal Tage und Nächte lang in solcher See an den Pumpstöcken gelegen und für sein Leben gearbeitet hat, während sich der Tod da drunten heimlich durch alle Poren des Schiffs sog, der weiß, was es für ein Segen ist, ein dichtes, gutes Schiff unter sich und keine Küste in Lee zu haben. Ich werde an die See hier denken und würde ich tausend Jahre alt; denn hier ist mir das Haar in einer Woche so weiß geworden, wie ich's jetzt noch trage. Ja in einer Wache könnt' ich sagen, und gebe Gott, dass ich ihm nicht wieder begegne die paar Jahre, die ich überhaupt noch zu fahren habe.“

      „Wurdet Ihr leck hier am Cap, Mate?“ fragte ein Dritter, der bis jetzt auf einer Notspiere zusammengekauert gesessen und dem Gespräch der übrigen zugehört hatte, ohne viel dreinzureden. „Segne meine Seele, Kamerad, ich wollte auch lieber die ganze Nacht Segel reefen und über Stag gehen, ehe ich nur die Hälfte der Zeit an dem verwünschten Pumpgeschirr hinge; Gott bewahre einen ehrlichen Matrosen vor der Arbeit!“

      „Auf welchem Schiff war's, Tommy?“ fragte Rhode Island.

      „Auf der ‚BUCKEYE BELLE‘, Jungens“, sagte der Alte, sein Priemchen im Munde drehend, „und ein so wackeres Schiff war's euch, wie nur je eins Furchen durch Salzwasser gezogen. Vor dem Wind oder bei dem Wind, es blieb sich gleich, sie lief ihre zehn und elf Knoten mit nur halbwegs Brise, und lag euch mit fünf Strichen im Wind, dass es eine Lust und Freude war. Was uns auch zu windwärts aufkam, musste nach Lee zu; wir segelten alles tot und hatten eine Prachtreise schon von Boston nach Rio gemacht, in dreißig Tagen, glaube ich, oder einunddreißig. Von Rio aus wollten wir nachher das Cap doublieren. Bei den Falklands-Inseln aber erwischte uns ein Pampero, der uns vor Top und Takel an den verwünschten Inseln vorbei, über irgend ein verborgenes Riff oder eine heimliche Klippe fortjagte,