Rund um das Bett der Anna von Österreich. Walter Brendel

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Название Rund um das Bett der Anna von Österreich
Автор произведения Walter Brendel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754168349



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Kathedrale Saint-Andre in Bordeaux die beiden Unbekannten. Anna bricht fast zusammen unter dem Königsmantel aus rot-violettem Samt, mit goldenen Lilien bestickt, mit Hermelin verbrämt und mehr als acht Meter lang.

      Sie sieht zu ihm auf, fragt etwas. Ihre Augen unter den gepinselten Brauen sind braun und freundlich.

      Louis XIII., gemalt von Frans Pourbus der Jüngere (1611), (Palazzo Pitti)

      So musste bereits die Hochzeitsnacht vom fünfundzwanzigsten November 1615 zum Desaster werden. Fast noch ein Kind für damalige Verhältnisse mit vierzehn Jahren und mit einem gleichaltrigen Mädchen, das ebenso unerfahren ist wie der Gemahl und obendrein höchstwahrscheinlich voller Ängste war. Vier lange Jahre hing von dem, was zwischen Ludwig und Anna geschah oder eben nicht geschah, das Schicksal Frankreichs ab.

      Da also im königlichen Bett nichts geschah, musste man Ursachenforschung betreiben. Und da gibt es eine ganze Reihe.

      Als erstes wäre Ludwigs große Abneigung gegen alles Spanische zu sehen. Ludwig wusste genau, dass von dorther alle Dornen und Prüfungen rührten, unter denen Frankreich zu Lebzeiten seines Vaters und auch schon früher zu leiden hatte. Bekannt war Ludwig auch, dass sein Vater ihn niemals mit einer Infantin vermählt hätte, und allein schon, dass seine Mutter diese Wahl traf, galt ihm als Verrat.

      Zweitens kam ein sehr unglücklicher Umstand hinzu, dass Anna von Österreich in Ludwigs Leben im selben Moment trat, als seine Schwester Elisabeth ihn auf immer verließ, um Königin von Spanien zu werden. Dieser Verlust, der ihm lange Wochen Appetit und Schlaf raubte, musste die Ankunft von Anna für ihn zwangsläufig in düstere Farben tauchen. Spanien verwundete Ludwig gleich zweimal: Es nahm ihm seine geliebte Schwester und gab ihm dafür eine Frau, die er gar nicht wollte.

      Drittens war zu verzeichnen, wenn die Königinmutter diesem wenig geliebten Sohn die Zeit gelassen hätte, sich mit der Fremden anzufreunden und sich von seiner brüderlichen Trauer zu erholen! Aber wie hätte ihr diese zartsinnige Idee auch nur einfallen sollen, hatte die Trennung von ihrer ältesten Tochter sie ja selbst kaum berührt. Stattdessen führte sie das Ganze trommelschlagend mit ihrer üblichen Rohheit in einem Zuge durch bis zur Hochzeitsnacht. Der kleinen Königin blieb kaum Zeit, sich von der langen, holprigen Reise auszuruhen, da befahl die Regentin auch schon, die zu Burgos in Stellvertretung geschlossene Ehe durch eine große Messe in Saint-André zu bestätigen. Nie schien eine Messe länger zu dauern, denn Ludwig war morgens mit schweren Kopfschmerzen aufgewacht, die ihn seit dem Abschied von seiner liebsten Schwester quälten. So ahnte man, wie übel er sich bei dieser Zeremonie fühlen musste, die traditionsgemäß die Liturgie endlos dehnte und die Vermählten erschöpfte.

      Kaum war sie zu Ende, eilte Ludwig mit großen Schritten in seine Gemächer, wo er zu Héroard sagte, er gehe ohne Essen zu Bett. Sofort legte er sich mit einem großen Seufzer nieder. Kaum eine Viertelstunde später erschien mit großem Getöse der Großkämmerer wie ein Unglücksvogel und sagte zum König, auf Befehl der Regentin müsse er aufstehen, sich ankleiden, soupieren und nach dem Souper seine Ehe vollziehen.

      Am Abend, im erzbischöflichen Palais, führt ihr die Königinmutter, die Rolle der Matrone spielend, Anna in ihrem Schlafzimmer ihren kleinen Ehemann zu. Der ist auch mehr tot als lebendig. Monsieur de Guise, Monsieur de Gramont und andere Spaßvögel haben ihm schlüpfrige Geschichten erzählt, um ihn anzustacheln. Die Königinmutter ist begleitet von Souvre, dem Arzt Heroard, dem Marquis von Rambouillet als Maitre de la garderobe, der Amme des Königs, der Amme der Königin und von Beringhen, dem ersten Kammerdiener, der den Leuchter trägt.

      Nachdem Maria von Medici den beiden „Ehegatten“ ein paar Worte gesagt hat, befiehlt sie: „Los, gehen wir alle hinaus!“ Scheinabgang. Keine Intimität zwischen den beiden kleinen Monarchen.- Sie sind nicht zum Vergnügen hier, auch nicht zur Liebe. Wie hätte sie auch entstehen sollen zwischen zwei Geschöpfen, die sich nicht kennen, die nie allein gelassen, die zueinander getrieben werden. Sie gehören einander nicht an. Sie sind zwei Tiere aus dem königlichen Gestüt, die Kinder bekommen sollen. Durch die Augen und Ohren der beiden Ammen, die im Schlafzimmer bleiben, überwachen Frankreich und Spanien den Vorgang. Die Matrone Medici befiehlt den beiden Wächtern in Röcken, die beiden Zuchttiere nur anderthalb oder zwei Stunden zusammenzulassen.

      Vollzogen oder nichtvollzogen? Das allein interessiert die Ammen. Diese Ehe hat in der Partei der Prinzen einen solchen Wirbel hervorgerufen, dass Maria von Medici ihre Hand dafür ins Feuer legen möchte, dass sie vollzogen worden ist. Zweimal, wie der König selber und die wachhabenden Ammen sagen. Dann schläft das Männchen ein, wacht auf, ruft nach seiner Amme, zieht seine Hausschuhe und seinen Schlafrock an und geht in sein Zimmer. Anna steht auf und legt sich in ihr aus Spanien mitgebrachtes Jungmädchenbett.

      Der Arzt steckt seine Nase in die Bettücher. Heroard fasst seinen Bericht ab.

      »Er verlangt seine Pantoffeln, nimmt seinen Schlafrock und geht um acht Uhr ins Schlafzimmer der Königin, wo er neben der Königin, seiner Frau, in Gegenwart der Königin, seiner Mutter, ins Bett gelegt wird. Um ein viertel nach zehn Uhr erscheint er, nachdem er ungefähr eine Stunde geschlafen und es zweimal getan hat, wie er uns sagt. Es hatte den Anschein, denn der P... war rot.«

      Die beiden Miniatur-Gatten sind von dieser tierischen Rohheit so abgestoßen, dass sie es während der folgenden vier Jahre nicht wieder versuchen.

      Am nächsten Tag gab die Regentin ein Kommuniqué heraus, ohne Scheu davor, wie lächerlich und peinlich dies war. Das Dokument der Schamlosigkeit, Dummheit und Taktlosigkeit –, in welchem triumphierend verkündet wurde, der König habe seine Ehe zweimal vollzogen. Der ganze Hof verstand: Wäre dieses Dokument wahr, hätte es seiner Publikation nicht bedurft … Hinter vorgehaltener Hand oder hinterm Fächer wurde nur gespottet.

      Ludwig hüllte sich an den darauffolgenden Tagen in Schweigen und in eine undurchdringliche Miene wie nach allen Abstrafungen und Demütigungen, die er seit dem Tod seines Vaters erlitten hatte.

      Und Anna? Hätte ihr, so erschöpft von der langen Zeremonie und dem Gewicht der Prachtkleider und der Krone, nicht auch ein wenig Ruhe nötig getan, bevor sie diese neue Prüfung antrat? Sie weint, sie schluchzt und ist in tausend Ängsten. Vor Verzweiflung hat sie sich an den spanischen Gesandten gewandt, der den Nuntius unterrichtet hat, der wiederum mit allem gebotenen Takt an den Beichtvater des Königs herantrat, Pater Arnoux. Und dieser gewiefte Jesuit hat sie mit dem Wort beruhigt: Versuchung heiße noch nicht Sündenfall.

      Es gibt nur eine logische Schlussfolgerung: Die Regentin hatte es sogar abgesehen auf dieses Scheitern. Denn es war für Ludwig wiederum eine Demütigung, die sein Selbstvertrauen erschüttern musste. Damit verhinderte sie von vornherein ein gutes Einvernehmen zwischen Anna und ihm, das ihrer eigenen Macht auf die Dauer bedrohlich werden konnte.

      Ludwig war nicht jener Frauenverächter, als den man ihn anhand einiger seiner kindlichen Aussprüche meistens hinstellt. Aber, wie erklärt man sich das: Die Königin ist hübsch, jung und anziehend, das Sakrament der Kirche hat sie ihm zur Frau gegeben, und doch bringt er es nicht über sich, von Anfang an seine Gattenpflicht und seine Pflicht als König zu erfüllen? Müsste seine Tugend hier nicht für den Akt sprechen?

      Doch Monat für Monat verrann, auch das ganze Jahr 1618, und er ergriff nach dieser Seite hin nicht die mindeste Initiative. Seiner Königin gestand er einen täglichen Besuch von fünf Minuten zu. Nie lud er sie zum Essen oder zu Reisen ein, und immer mied er ihr Lager.

      Vier Jahre später muss der König gezwungen werden, die Prozedur zu wiederholen. Alle Welt treibt ihn dazu, mit den derben Scherzen jener Epoche, in der sich Brautfeste im allgemeinen Trubel abspielen. Am 21. Januar 1619 findet die Verlobung von Christine von Frankreich, der Schwester Ludwigs XIII., mit Viktor Amadeus von Savoyen statt. In einer für heutige Begriffe erstaunlich freizügigen Redeweise, vor allem im Mund eines Diplomaten, sagt der Nuntius zum König: „Sire, ich glaube, Sie sollten die Schande nicht hinnehmen, dass Ihre Schwester einen Sohn bekommt, bevor Eure Majestät einen Dauphin hat.“

      Diese Predigt wurmt Ludwig XIII. Am 20. Januar heiratet seine natürliche Schwester, Mademoiselle de Vendome, den Herzog von Elboeuf. Am Abend nach dem Souper begibt er sich zu der Jungverheirateten, „um sie von der Sache abzuhalten“, schreibt der Arzt