Die geheimnisvolle Insel. Jules Verne

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Название Die geheimnisvolle Insel
Автор произведения Jules Verne
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754180594



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Halbinsel, welche vom Südwesten der Insel ausläuft, sagte der Reporter, würde ich die ›Schlangen-Halbinsel‹ nennen, und den umgebogenen Schwanz an ihrem Ende das ›Reptil-End‹, welche Bezeichnung mir seine Gestalt zu treffen scheint.

      – Angenommen, erklärte der Ingenieur.

      – Das andere Ende der Insel nun, sagte Harbert, den Golf, der einem geöffneten Rachen so auffallend ähnelt, nennen wir ›Haifisch-Golf‹.

      – Gut erfunden! rief Pencroff. Dann vervollständigen wir das Bild und nennen das Cap daran das ›Kiefer-Cap‹.

      – Deren giebt es aber zwei, warf der Reporter ein.

      – Das ist sehr einfach, erklärte Pencroff, so nennen wir das eine ›Oberkiefer-‹, das andere ›Unterkiefer-Cap‹.

      – Sie sind eingetragen, meldete der Reporter.

      – Nun wäre noch die äußerste Spitze im Südosten der Insel zu taufen, sagte Pencroff.

      – Das heißt, den Ausläufer der Unions-Bai? fragte Harbert.

      – ›Krallen-Cap‹«, rief Nab, der doch auch Pathenstelle bei einem Stückchen ihres Gebietes vertreten wollte.

      In der That hatte Nab damit eine ganz treffende Bezeichnung gefunden, denn jenes Cap ähnelte sehr auffallend der ungeheuren Tatze eines phantastischen Thieres, welches die ganze Insel vorstellte.

      Pencroff war entzückt darüber, wie glatt sich das ganze Tausgeschäft abwickelte, und bald einigte man sich auch über die weiteren Benennungen.

      Den Fluß, welcher den Colonisten Trinkwasser lieferte und in dessen Nachbarschaft die Ballonruine sie geworfen hatte, nannte man die »Mercy«, aus Dank gegen die Vorsehung; das Eiland, auf welchem die Schiffbrüchigen zuerst Fuß faßten, die »Insel des Heils«.

      Das Plateau, welches die hohe Granitmauer über den Kaminen krönte, erhielt den Namen der »Freien Umschau«; die undurchdringlichen Wälder endlich, welche die Schlangenhalbinsel bedeckten, den der »Wälder des fernen Westens«.

      Hiermit erschien die Namengebung der sichtbaren und bekannten Punkte der Insel beendigt und sollte erst bei Gelegenheit weiterer Erfahrungen und Entdeckungen vervollständigt werden.

      Die Lage der Insel bezüglich der Himmelsrichtungen hatte der Ingenieur durch die Stellung der Sonne annähernd bestimmt, wonach die Unions-Bai und die freie Umschau die Ostseite einnahmen. Am nächsten Tage erst beobachtete er die Zeit des Sonnenauf- und -Unterganges genauer und bestimmte darnach, als er die Richtung der Mittagslinie feststellte, den Nordpunkt der Insel, denn man wolle nicht vergessen, daß die Sonne über der südlichen Halbkugel der Erde zur Zeit ihrer Culmination genau im Norden steht, während auf der nördlichen Halbkugel bekanntlich das Gegentheil der Fall ist.

      Alles war also abgemacht und die Colonisten hatten nur nöthig, den Franklin-Berg hinabzusteigen und nach den Kaminen zurückzukehren, als Pencroff aus rief:

      »O, wir sind doch recht auf den Kopf gefallen!

      – Und warum? fragte Gedeon Spilett, der schon das Notizbuch geschlossen und sich zum Aufbruch fertig gemacht hatte.

      – Nun, unsere Insel selbst erhält wohl gar keinen Namen?«

      Harbert schlug vor, ihr den des Ingenieurs zu geben, was unzweifelhaft den Beifall der Uebrigen gefunden hätte, als Cyrus Smith im Voraus ablehnend sagte:

      »Nein, taufen wir sie nach einem unserer großen Mitbürger, meine Freunde, auf den Namen desjenigen, der jetzt für die Untheilbarkeit der Freistaaten Amerikas kämpft, – nennen wir sie die ›Insel Lincoln‹!«

      Drei Hurrahs antworteten dem Vorschlage des Ingenieurs.

      Wie plauderten die neuen Colonisten an diesem Abend von ihrem entfernten Vaterlande; sie sprachen von dem schrecklichen Kriege, der die heimische Erde mit Blute düngte; sie bezweifelten auch keinen Augenblick, daß der Süden unterliegen, daß die Sache des Nordens, die Fahne der Gerechtigkeit, Dank Grant und Lincoln, bald siegen müsse!

      Es war das am 30. März 1865. – Jene ahnten es nicht, daß sechzehn Tage nachher in Washington ein grauenvolles Verbrechen begangen werden, daß am Charfreitag Abraham Lincoln dem tödtlichen Blei eines Fanatikers erliegen sollte!

      --

      Zwölftes Capitel

      Regulirung der Uhren. – Pencroff ist befriedigt. – Ein verdächtiger Rauch. – Der Lauf des Rothen Flusses. – Die Flora der Insel Lincoln. – Die Fauna. – Die Bergfasane. – Verfolgung von Kängurus. – Die Agutis. – Grants-See. – Rückkehr nach den Kaminen.

      Noch einmal ließen die Colonisten der Insel Lincoln die Blicke umherschweifen, schritten einmal rings um die Krateröffnung und waren eine halbe Stunde später auf dem ersten Absatze an ihrer Lagerstätte zurück.

      Pencroff meinte, daß es Zeit sei, zu frühstücken, und bei dieser Gelegenheit kam auch die Regulirung der Uhren Cyrus Smith's und des Reporters zur Sprache.

      Bekanntlich war diejenige Gedeon Spilett's vom Meere verschont geblieben, da der Reporter außerhalb des Bereichs der Wellen auf den Sand geworfen wurde. Niemals hatte derselbe übrigens das ausgezeichnete Werk, einen wirklichen Taschenchronometer, sorgsam aufzuziehen vergessen.

      Cyrus Smith's Uhr mußte offenbar während der Zeit, die er in den Dünen liegend zubrachte, stehen geblieben sein.

      Jetzt zog sie der Ingenieur erst wieder auf und stellte sie auf die neunte Stunde. Die Zeit selbst hatte er nach der Sonnenhöhe annähernd abgeschätzt.

      Gedeon Spilett wollte seine Uhr eben mit der des Ingenieurs in Uebereinstimmung bringen, als Letzerer ihn daran mit den Worten verhinderte:

      »Warten Sie, lieber Spilett! Ihr Chronometer zeigt Richmonder Zeit, nicht so?

      – Ja, Cyrus.

      – Demnach ist er nach dem Meridiane jenes Ortes regulirt, der mit dem von Washington ziemlich zusammenfällt?

      – Ohne Zweifel.

      – Nun gut, so lassen Sie jenen ebenso weiter gehen. Ziehen Sie ihn sorgfältig auf, aber verändern Sie die Zeigerstellung nicht. Das dürfte uns noch von Nutzen sein.

      – Inwiefern?« dachte der Seemann.

      Man frühstückte nun und zwar so reichlich, daß der ganze Vorrath an Wild und Pinienfrüchten aufgezehrt wurde. Pencroff beunruhigte sich darüber nicht im Mindesten, da er auf Ersatz während des Rückwegs rechnete. Top, welcher seinen hinlänglichen Antheil erhalten hatte, würde im Gehölz schon wieder irgend ein Stück Wild aufjagen. Außerdem dachte der Seemann daran, den Ingenieur einfach um Herstellung von etwas Pulver und einiger Jagdgewehre anzusprechen, was ihm bei seinem grenzenlosen Vertrauen zu Jenem nur eine leichte Mühe erschien.

      Beim Verlassen des Plateaus schlug Cyrus Smith seinen Gefährten vor, zur Rückkehr einen anderen Weg zu wählen. Er wünschte den Grants-See, der sich in seinem grünen Rahmen so prächtig ausnahm, näher kennen zu lernen. Man folgte demnach dem Kamme eines der Vorberge, zwischen welchen der Creek, der jenen ernährte, wahrscheinlich entsprang. Im Gespräch wandten die Colonisten schon ausnahmslos die eben gewählten Eigennamen an, wodurch der gegenseitige Gedankenaustausch wesentlich erleichtert wurde. Harbert und Pencroff, – der Eine ein junger Mensch, der Andere ein halbes Kind, – waren ganz entzückt und plauderten unterwegs.

      »Nun, Harbert, das macht sich prächtig! Verlaufen können wir uns auf keinen Fall, ob wir auf den Grants-See zugehen oder die Mercy quer durch die Wälder des fernen Westens wieder zu erreichen suchen; jedenfalls gelangen wir zum Plateau der Freien Umschau und folglich nach der Unions-Bai!«

      Ohne gerade zusammengedrängt zu gehen, war man doch überein gekommen, sich nicht allzu weit von einander zu entfernen. Sicher bewohnten auch einige wilde Thiere dieses Waldesdickicht, und empfahl es sich, einigermaßen vorsichtig zu sein. Gewöhnlich marschirten Pencroff, Harbert und Nab voran,