Название | Vendetta Colonia |
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Автор произведения | Peter Wolff |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754170120 |
„Bist Du auch so nervös, Borna?“
„Ja, Davor. Du kennst mich nur als den großen, starken Bruder, was?! Aber ich sag' Dir was: mir ist richtig flau im Magen.“
„Mir auch, Borna.“
„Ich habe gedacht, meinen ersten Flug mache ich mit Ana...“
„Hey, der erste Flug mit mir – ist das etwa nichts?“, Davor lacht.
„Doch, sicher, das ist auch etwas Besonderes“, Borna drückt seinen Bruder kurz, dieser erwidert die Umarmung.
27
Das Gespräch mit seinem Vater Andrea, mit Onkel Gianni und Cousin Luigi, hat tiefe Spuren bei Guiseppe Scirelli hinterlassen.
Er hätte nicht gedacht, dass die Familie seinen Plan so entschieden ablehnen würde.
Es muss doch allen bewusst sein, dass ein behindertes Familienmitglied nicht zum Status der Famiglia passt, dass eine Behinderung, geistig wie körperlich, ein Zeichen von Schwäche ist, die sich eine hoch angesehene Familie wie die der Scirellis und Tardeas nicht erlauben darf.
Warum nur sträuben sich alle außer ihm so gegen eine Abtreibung?
Wie dem auch sein, Guiseppes Vorhaben ist gescheitert. Das Kind wird zur Welt kommen – behindert oder nicht.
Das Ospedale von Santa Maria Nuova, das seinen Namen der Kirche des Krankenhauses verdankt, ist das älteste Krankenhaus in Florenz. Es wurde im Jahre 1288 gegründet und ist eines der wichtigsten medizinischen Zentren der Stadt (34).
Mit dem stellvertretenden Klinikdirektor hat Guiseppe zusammen die Schulbank gedrückt, nach der Schule trennten sich die beruflichen Wege der beiden Männer, über die Jahre hinweg hielten sie jedoch Kontakt zueinander. Rafael di Rossi hat an einem Dienstagmorgen gerade sein Büro betreten, als das Telefon läutet.
„Buongiorno Dottore di Rossi. Da ist ein Mann in der Leitung, der Sie sprechen möchte. Er heißt Guiseppe Scirelli. Soll ich durchstellen?“, fragt die Dame vom Empfang des Krankenhauses.
„Ja, aber sicher doch!“, entgegnet Rafael di Rossi erfreut.
„Guiseppe! Alter Freund!“
„Ciao Rafael. Wie geht es Dir?“
„Gut, danke. Mir geht es gut, und selbst?“
„Ich kann auch nicht klagen. Zu viel zu tun, aber ansonsten … tutto e bene, alles gut.“
„Das freut mich.“
„Guiseppe, was treibt Dich dazu, in aller Herrgottsfrühe hier anzurufen?“
„Wir haben ein Problem, Rafael.“
„Wir?“
„Ja, die Familie.“
„Was ist denn passiert?“
„Amandas Tochter, die in Deutschland lebt, ist schwanger. Es ist möglich, dass das Kind behindert zur Welt kommt.“
„Das tut mir leid.“
„Ich habe erst kürzlich in der Zeitung gelesen, dass ihr einen exzellenten Neugeborenenchirurgen am Krankenhaus habt.“
„Dr. Baldini? Ja, der ist hoch angesehen und wirklich ein Spezialist auf seinem Gebiet.“
„Könnte der sich Clarissa und das Baby wohl einmal anschauen?“
„Sicher, wenn der werdenden Mutter diese lange Reise zuzumuten ist, warum nicht?“
„Dann werde ich veranlassen, dass sie zu Euch kommt.“
„Wunder vollbringen kann allerdings auch Dottore Baldini nicht, Guiseppe.“
„Das weiß ich. Und deshalb habe ich noch eine Bitte.“
„Nur zu.“
„Wenn er nichts für das Kind tun kann...“, Guiseppe stockt.
„Ja?“
„Rafael, Du weißt um unseren Familienstolz, um unser Ansehen in Norditalien, um die Rivalität zwischen den Familienclans.“
„Schon, obgleich ich nichts damit anfangen und Euer Gehabe kaum nachvollziehen kann.“
„Ein behindertes Kind darf nicht mit uns in Zusammenhang gebracht werden.“
„Was willst Du von mir, Guiseppe?“
„Wenn Dottore Baldini nichts für das ungeborene Kind tun kann, dann...dann möchte ich, dass es in ein Pflegeheim kommt. Dort ist es gut aufgehoben.“
„Das sollten die Eltern entscheiden, Guiseppe.“
„Nein, die dürfen gar nichts davon wissen. Sie würden es kaum akzeptieren. Wahrscheinlich würden sie das Kind behalten und alle Welt würde davon erfahren.“
„Noch einmal, Guiseppe: Was willst Du von mir?“
„Ich möchte, dass ihr das Kind im Fall der Fälle nach der Geburt vor den Eltern für tot erklärt.“
„Was?! Das ist nicht Dein Ernst, Guiseppe.“
„Das ist mein voller Ernst, Rafael!“
„Das kann ich nicht machen. Impossibile!“
„Ich bitte Dich, Rafael. Dem Kleinen wird es an nichts fehlen, es ist ein neues, modernes Pflegeheim, in dem das Kind rund um die Uhr betreut wird.“
„Darum geht es nicht, Guiseppe. Das kannst Du den Eltern nicht antun.“
„Ich muss, Rafael, ich muss.“
„Ich spiele da nicht mit, Guiseppe. Nein!“
„Du weißt, wie sehr unsere Familie das Krankenhaus unterstützt. Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass ihr mehr öffentliche Gelder erhaltet. Wir haben einige der besten Ärzte des Landes nach Firenze geholt. Wir haben den Stadtrat dazu bewogen, Euch steuerlich zu entlasten.“
„Ich weiß, Guiseppe, aber das kannst Du nicht verlangen.“
„Wo ist das Problem, Rafael? Meinst Du, den Eltern geht es besser, wenn Sie ein behindertes Kind aufziehen?“
„Das weiß ich nicht. Aber die Entscheidung, ob sie dies tun oder aber das Kind in ein Pflegeheim geben, sollten sie selbst treffen.“
„Das dürfen sie eben nicht. Stell' Dir vor, sie behalten es. Welch' eine Schmach für die Famiglia.“
„Ich kann kaum glauben, wie Du redest, Guiseppe. Was ist mit Dir passiert?“
„Ich sorge mich nur um die Ehre der Familie.“
„Auf eine Art und Weise, die mir Angst macht, Guiseppe.“
„Ich werde veranlassen, dass Clarissa bereits nächste Woche zu Euch kommt.“
„Das geht klar.“
„Und sollte sich herausstellen, dass Dottore Baldini nichts für das Kind tun kann.“
„Nein, Guiseppe, bitte nicht.“
„Dann bleibt Clarissa bis zur Geburt in Italien und das Kind kommt direkt nach dem es das Licht der Welt erblickt hat in die Casa Cura nach Bergamo.“
„Du bist ja verrückt.“
„Und den Eltern teilt man mit, dass es bei der Geburt verstorben ist.“
„Ich bete zu Gott, dass es nicht so kommen wird.“
„Da sind wir uns einig, das tue ich auch.“
„Du betest zu Gott? Nachdem, was ich heute von Dir gehört habe, kann ich mir kaum vorstellen, dass Du noch einen Draht nach oben hast.“
„Lass das mal meine Sorge sein, Rafael.“
Guiseppe