Название | Der Dresche, die Krieg und der Pest |
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Автор произведения | Thomas Häring |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738093186 |
Ganz anders verlief das Leben von Frieder Pest. Er hatte tolle Noten, war ein Muster an Korrektheit sowie Freundlichkeit und seine Mitmenschen mochten ihn, auch wenn er immer etwas distanziert rüberkam. Auf das Gymnasium folgte ein Jurastudium an einer Universität und als die Bürgerliche Partei Deutschlands (BPD) mal bei ihm anklopfte, da überlegte er nicht lange und wurde Berufspolitiker. In seiner Karriere ging es sehr schnell bergauf. Zwar war er anfangs nur ein recht unbekannter Stadtrat und Ortsvorsitzender der hiesigen BPD, doch das änderte sich rasch. Frieder Pest kam gut an beim Wahlvolk und er war ein fleißiger sowie hartnäckiger Arbeiter, dem keine Überstunde zuviel war. Es dauerte nicht lange, bis auch sein Parteivorsitzender auf ihn aufmerksam wurde und der brachte ihn als Staatssekretär im Innenministerium in der Bundesregierung unter. Seine Eltern waren unheimlich stolz auf ihn, wenngleich ihnen sein echt raketenhafter Aufstieg irgendwie auch immer ein wenig unheimlich vorkam. Frieder Pest störte das aber kein bißchen, denn er blieb anständig, loyal und hilfsbereit, so daß es nicht lange dauerte, bis er sogar deutscher Verkehrsminister wurde. Privat lief natürlich auch alles, wie wohl nicht anders zu erwarten, hervorragend. Er hatte früh geheiratet und konnte mittlerweile eine Familie mit Frau sowie zwei Kindern sein eigen nennen. Ein Haus hatte er auch schon bauen lassen und so klappte alles ganz hervorragend. Als Verkehrsminister machte er sich allerdings erstmals so richtig unbeliebt, denn er veranlaßte, daß alle Autofahrer über 75 regelmäßig einen Fahrtest zu absolvieren hatten. "Das dient alles nur deren eigener Sicherheit sowie selbstverständlich auch jener der übrigen Verkehrsteilnehmer", pflegte er zu verkünden, wenn er darauf angesprochen wurde. Gegen jenes Totschlagargument, das zur Folge hatte, daß es weitaus weniger Tote auf den deutschen Straßen gab, konnte natürlich niemand ernsthaft etwas einwenden, aber die Alten haßten ihn trotzdem, oder vielleicht gerade auch genau deswegen. Die Boulevardpresse hatte ihn schnell zu ihrem Feindbild auserkoren und weil es halt nichts gab, was man ihm vorwerfen konnte, ließ man immer wieder sehr alte Mitbürger zu Wort kommen, die beim Fahrtest durchgefallen waren und denen man deswegen sofort den Führerschein abgenommen hatte. "Tut mir leid, Frieder, aber steter Tropfen höhlt den Stein", teilte ihm sein Parteivorsitzender und guter Freund eines Abends bei einem Glas Wasser in einer Berliner Eckkneipe mit. "Wie meinst Du das denn?" forschte der Pest. "Wir können Dich nicht länger im Amt halten. Die Boulevardpresse hat Dich auf dem Kieker und wenn Du nicht in Kürze zurücktrittst, dann werden wir die nächste Wahl garantiert verlieren." "Na ja, wenn das so ist, dann bin ich natürlich schon weg", äußerte sich Frieder lapidar und verabschiedete sich bereits am darauffolgenden Tag von seinen Mitarbeitern. Großes Erstaunen im ganzen Land folgte auf jenen an sich unfreiwilligen Rücktritt, doch fortan war Frieder Pest der mit Abstand beliebteste Politiker Deutschlands, weil er ganz offensichtlich kein bißchen an seinem Stuhl geklebt hatte. Allerdings verloren die Bürgerlichen die nächste Wahl und plötzlich überschlugen sich bei ihnen die Ereignisse, was sogleich dazu führte, daß Frieder Pest sehr schnell als neuer Hoffnungsträger zum Parteivorsitzenden der BPD gewählt wurde.
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