Название | Die vorgespielte Gerechtigkeit |
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Автор произведения | Arber Shabanaj |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754183243 |
Agron Iravosok hatte Jahre hinter sich, in denen er gehofft hatte, man kümmere sich um eine Wohnung für ihn und seine Familie. Jahre, in denen Versprechungen gemacht worden waren, ihm ein Apartment mit einem separaten Eingang zu gewähren. Jahre, während sie mit ihm und seiner Familie Katz und Maus gespielt hatten. Geschehen aber war nichts.
Und während die Zeit verging, spürte er, wie auch seine Tochter, eine junge aufstrebende Frau auf der Suche nach Verantwortung und Glück, keine Chance ihr Leben selbstständig zu gestalten hatte und sich mit der Situation abfinden musste.
„Blumen verblühen, Menschen sterben“, dachte Agron bei sich und zitterte. Er spürte den Schmerz darüber in seinem Herzen, auch jetzt, als er sich daran erinnerte.
Nun saß er zusammen mit seiner erkrankten Frau auf den Stühlen des Rathauses, wartete und musste die endlosen Beleidigungen des Stadtmenschen mit anhören. Dabei war er geschockt, was einem normalen Bürger dieses Landes gewährt wird - demjenigen, der der deutschen Sprache nicht einmal ausreichend mächtig ist, demjenigen, der mehr besoffen als nüchtern vorzufinden ist, demjenigen, der es wagt, den Bürgermeister persönlich zu beleidigen.
Aber er, Agron Iravosok, der seine gesamte Wut bisher innerlich festgehalten und allen Grund zum Abladen der ganzen Last gehabt hätte, blieb stets ruhig und schwieg. Er war sein Leben lang ein fleißiger Arbeiter gewesen, lebte schon sechzehn Jahre in dem Raum isoliert, während andere neue Wohnungen bekamen und sich breitmachen durften und sogar separate Kinderzimmer und wer weiß was noch alles hatten.
Er selbst hatte noch nie jemanden beleidigt, mit dem Staat geriet er nie in Konfrontation: Sechzehn Jahre Asylbewerber, er und seine Familie waren nicht einmal im Besitz einer Arbeitserlaubnis.
Den Landkreis wollte er wegen der bereits bekannten Gründe kaum verlassen. Außerdem sprach er ein exzellentes Deutsch und unzählige längst eingebürgerte Protagonisten, die meisten slawischer Herkunft, beneideten ihn sehr, wenn sie ihn sprechen hörten.
Als diplomierter Jurist lebte er von „Gutschein-Karten“. Als das Sozialamt von ihm verlangt hatte, einem „Ein-Euro-Job“ nachzugehen, war er vergangenes Jahr, während er für die Stadt arbeitete, aus sechs Metern Höhe gestürzt und hatte sich dabei schwer verletzt.
Seine Ehefrau, ohne jemals krank gewesen zu sein, musste wegen der erlebten Metamorphosen und Odysseen regelmäßig zum Neuropsychiater. Denn nur dank des Gutachtens eines Fachmannes verringerte die Ausländerbehörde den Druck, war gnädig und bewilligte eine weitere dreimonatige Aufenthaltsverlängerung.
Der Tochter, die das Gymnasium mit besten Noten abgeschlossen hatte, wurde ein Stipendium für das Studium versprochen.
Jetzt bewegte sich auch etwas in Sachen Wohnung. Sollte es in der Tat der Fall sein, nichts Weiteres als das wollte Agron Iravosok.
Nun sollte es danach gehen, wie es geheißen hatte, dass für eine Wohnung so und so viel nötig wäre - Unsinn! Nicht einmal Kaffee hatten die von der Kommission getrunken, als sie ihn in seinem Ambiente besuchten, und auch nicht ein einziges gutes Wort hatten sie für ihn gehabt.
Eines Tages wurde davon gesprochen, dass er eine Wohnung in der neuen Siedlung, genau in dem Stadtzentrum, bekommen würde. Alles drehte sich nun um die zukünftige Wohnung. Mal kam ihm das ganz normal vor, ganz selbstverständlich, doch dann auch wieder außergewöhnlich.
„Letzten Endes“, sagte er einmal zu seiner Ehefrau, „ich habe es mir verdient. All die Jahre habe ich weder dem Staat noch dem Amt das Herz gebrochen, ich habe sie nie enttäuscht. Dem `Ein-Euro-Job´ bin ich ebenfalls regelmäßig nachgekommen. Nie habe ich schwarz gearbeitet. Einer normalen Arbeit durfte ich die gesamten Jahre nicht nachgehen, mangels Arbeitserlaubnis. Warum einem wie mir dann eine Wohnung verwehren?“
Wer stand auf der Straße überhaupt schlechter als er da? Und wer hatte überhaupt ein einziges Argument, um über ihn Schlechtes zu reden?
„Hör auf mich, Agron“, empfahl ihm eines Tages sein Arbeitskollege, während Agron für die Stadt für einen Euro diente, „spar etwas Geld und mache dem Bürgermeister ein Geschenk. Das tun sie alle ...“
Doch Agron Iravosok gab nicht auf. Außer an einem Abend - etwa gegen Mai, während die Forelle am See wild herumschlug. Da sagte er „Zum Teufel mit dem Schlaf“ und lieh sich die Angelausrüstung von seinem Freund aus und schaffte es, eine gut vier handbreit große Forelle zu fangen.
Sehr schüchtern und mit Angst im Herzen brachte er sie an dem kommenden frühen Morgen dem Bürgermeister vorbei. Seine Sekretärin tat so, als ob sie Agron Iravosok nicht kennen würde. Das irritierte ihn. Er wusste nicht, wie er es ihr sagen sollte, und als ob seine Sätze von einem Krampf heimgesucht worden wären, blieben sie ihm in der Kehle stecken.
Doch sie, leise und nett, steckte den Finger in die Forelle, wie ein Haken der Angelschnur, mit dem Agron die knallroten Futtermembranen der Forelle durchquert hatte, um sie zu überprüfen.
Ohne „Herzlichen Dank für Ihre Mühe“ zu sagen oder ihm wenigstens eine Tasse Kaffee anzubieten, neigte sie den Kopf leicht als so etwas wie ein gedachtes Dankeschön-Zeichen. Anschließend knallte sie ihm die Tür beinahe vor der Nase zu.
Eine große Unruhe hatte Agron Iravosok in sich, als er an die Bürotür des Bürgermeisters klopfte, mit der berühmten Forelle in der Hand, doch noch größer wurde diese, als er sich von dessen Büro entfernte.
„Oh Gott“, dachte er, „doch wenn der Bürgermeister Grünewald den Asylantrag und das Attest des Neuropsychiaters von meiner Ehegattin nicht anerkennen würde? Doch wenn ...?“
Natürlich rührte sich nichts, während Agron Iravosok vor der Tür des Amtes wartete, um die Bestätigung über die neue Wohnung ausgehändigt zu bekommen. Dass er eine neue Wohnung bekommen würde, das war allerdings hundertprozentig sicher.
Die Ernennung des Bürgermeisters Grünewald und die Versammlung mit den Zuständigen hatten dazu beigetragen, dass Mann und Frau zusammenleben konnten. Doch diese separate Einladung beim Amt schien Agron Iravosok ein wenig zu verletzen.
Fast Tag für Tag gingen sie hin, um das neue Haus zu bestaunen, dort, wo die Maler dabei waren, den letzten Anstrich anzubringen. Hier ist das Wohnzimmer, hier die Kochnische. Zugleich ist das hier auch das Schlafzimmer. Die dritte Etage. Sehr anziehend. Im Sommer endlich mal frische Luft und sauberes Wasser, ganz ohne Fäkalien!
Auf eine besondere Art war die einzige Tochter des Agron Iravosok fast außer sich vor Freude. Sie hatte dafür Tausende von Gründen. Doch insbesondere und vor allem wäre sie jetzt dazu in der Lage, ihre Freundinnen in einer angenehmen Umgebung zu empfangen und ihnen eine gute Gastgeberin zu sein. Nicht so wie bis heute, wo sie ihre Freundinnen selbst zu ihrem Geburtstag nicht, kein einziges Mal, hatte einladen können. So hatte sie auch ihre engste Freundin, Arberia, abgelenkt und ihr gesagt, dass sie im Juli Geburtstag hätte. Und zwar genau dann, wenn Schulferien waren und die Schulglocke die Schüler nicht mehr zusammenbrachte ...
Wenn du sie an den Tagen gesehen hättest, während sie auf die Schlüsselübergabe für die neue Wohnung warteten. Sie arbeitete mit der Mutter zusammen, bis es sehr spät wurde. Vor lauter Schimmel und Ungeziefer konnten die bisherigen Gardinen nicht benutzt werden. Die zwei schafften es in aller Not, eine neue Gardine zu kaufen. Eine dafür geeignete Gardinenstange fanden sie im Sperrmüll. Ein freundlicher Nachbar, der finanziell deutlich besser als sie gestellt war, hatte ihnen ein Sofa als Geschenk zugesagt. Drei Gemälde kaufte Agron auf dem Flohmarkt. In der Tat, bloß ein Raum und eine Kochnische waren es, dennoch im Vergleich mit dem, wo sie bisher waren, dachten sie, sie befänden sich in einem Traum.
So oft sie gingen, um die Wohnung zu sehen oder etwas zu messen, tanzte die Tochter fast. Und jetzt, als ob er sie zum ersten Mal sehen würde, wirkte die Tochter des Agron Iravosok noch erwachsener, noch weit offener, genauso wie die Blume, wenn sie aus dem Schatten geholt und in die Sonne gestellt wird.
In dem bisherigen dunklen Raum, in dem sie noch nicht einmal gelacht hatte, bewegte sie sich jetzt wie ein Schmetterling. Diejenige, die so still gewesen war, mischte sich jetzt, ohne zu zögern, in Gespräche ein, auch mit der Schneiderin,