Название | Und die Wahrheit steht auf |
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Автор произведения | Petrus Faller |
Жанр | Зарубежная психология |
Серия | |
Издательство | Зарубежная психология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783844253566 |
Nachts im Schlaf fühlte ich, wie der Körper sich langsam erhob, als ob er nach oben stieg, wie ein Ballon. Als ich mir meines schwebenden Körpers bewusst wurde, wachte ich auf und krachte ins Bett herunter. Im Alter von sechs Jahren begann sich über meinem Bett regelmäßig ein leuchtender Kreis zu manifestieren. Er sprach zu mir, schien voller Glück zu sein und gleichzeitig voller Forderung. Er kam wann immer er wollte und ich hatte keinen Einfluss darauf. Einerseits machte er mich glücklich, andererseits fühlte ich mich merkwürdig bedrängt. Später brachte ich das leuchtende Licht mit Jesus in Verbindung, weil dies die religiöse Kultur war, in die ich langsam hineinwuchs. Aber meine Abneigung und meine Faszination verschwanden nicht. Warum erschien das blöde Licht über meinem Bett? Was hatte das zu bedeuten? Weder wollte ich Priester werden noch eine sogenannte Berufung haben. Ich sprach aber mit niemand darüber.
Mit neun Jahren wurde ich Ministrant in unserer katholischen Gemeinde. Ich liebte die Nonnen, wenn sie in vorderster Reihe in ihren Bänken knieten und in Hingabe beteten, auch wenn manche wie Eisenbesen aussahen und vertrocknete Gesichter hatten. Ich saß vorne im Altarraum, roter Rock, weißes Hemd und roter Kragen, kniff die Augen zusammen, schaute eine Kerze an und versank im Licht eines strahlenden Sterns, der langsam vor meinem inneren Auge aufstieg und meine Aufmerksamkeit nach oben in einen strahlenden Bereich lenkte. Das war mein Glück, mehr brauchte ich nicht. Ich wollte keinen Altardienst machen, hatte Angst davor und fand es komisch und langweilig. Ich wollte keinen Fehler machen und mir den missmutigen Blick des Pfarrers abholen. Ich wollte nicht reden oder immer dieselben Gebete monoton vor mich hinsagen. Einfach nur dasitzen in der Stille und schauen, das war genug. Unser katholischer Pfarrer war vom alten Kaliber und extrem fundamentalistisch in seinen Ansichten. Er schimpfte und predigte gegen alles, was nicht katholisch war. Er hatte sich vor Jahren geweigert, meinem Vater die letzte Sterbesakramente zu gewähren, da dieser geschieden war, und musste sogar dazu überredet werden, die Begräbnisfeier meines Vaters abzuhalten, da er auch dies zuerst ablehnte.
Der Pfarrer ahnte und spürte natürlich, dass mich der Altardienst nicht besonders interessierte und ich wusste, dass er neidisch war auf meinen entrückten Zustand, obwohl ich ihn nicht bewusst herbeiführte, sondern wie von selbst hineingezogen wurde. In meinem Herzen fühlte ich, dass all das, was hier im Namen Jesu geschah, nichts, aber auch gar nichts mit Jesus selbst und seiner wirklichen Präsenz und Offenbarung zu tun hatte. „Er“ fühlte sich so anders an. Während die Glaubensbekenntnisse gesprochen wurden schwieg ich ganz bewusst. Die Liturgie konnte ich nach kurzer Zeit auswendig und war voller Stolz, wenn ich einen „Fehler“ oder ein Auslassen in den Liturgietexten entdeckte. Schuld und Sünde waren mir merkwürdige Begriffe, und meine erste Beichte war die letzte, weil ich nicht wusste, was ich erzählen sollte und wem. Selbst das tiefe Glück, das ich oft während der Messe empfand, brachte ich nie direkt mit Jesus in Verbindung. Es war viel weiter, ohne Namen oder Person. Es war der Raum selbst, der einfach strahlte und leuchtete. Es war Glück, unendliche Fülle, Selbstvergessenheit – und nur das Herz wusste, dass es wahr ist. Gleichzeitig wurde ich überheblich und arrogant, denn es war mir bald klar, dass andere dies nicht wahrnehmen konnten und ich ließ es sie spüren, besonders den Pfarrer. Wenn ich mit meinen Freunden zusammen spielte, nahm ich mehr mit ihrem emotionalen und psychischen Zustand Kontakt auf, mit dem was nicht sichtbar ist, als mit den Dingen, die sie augenscheinlich sagten oder taten. Zu meiner Mutter war die Verbindung so eng, trotz oder gerade wegen des wenigen Kontaktes durch ihre Schichtarbeit, dass ich über sie Bescheid wusste, selbst wenn sie nicht anwesend war.
Eines Tages, zu Beginn meiner Pubertät, ungefähr im Alter von elf oder zwölf Jahren, begannen sich merkwürdige Dinge in meiner Umgebung zu ereignen. Ich saß auf der Toilette und starte auf den Boden. Plötzlich erschien auf dem Teppichboden ein Gesicht, ich schaute zur Wand, noch eine Gesicht, zur Decke, wieder und wieder das gleiche Gesicht. Jesus. Ich ging in den Flur, überall das Gesicht. Ich bekam Angst und wollte nirgends mehr hingucken, überall Jesus. Am Abend erzählte ich in der Not meiner Mutter von den Erscheinungen. Sie fuhr aus der Haut:
„Du spinnst wohl langsam, hör sofort auf damit, sonst muss ich mit dir zum Arzt gehen“. Das war das einzige und auch das letzte Mal, dass ich irgendjemandem etwas von meinen Wahrnehmungen und Erscheinungen erzählte. Diese Visionen dauerten an und irgendwann erloschen sie.
Ich begann, auf unseren Ministrantenausflügen zu bekannten katholischen Wallfahrtsorten oder Klöstern Amulette von heiligen Männern, Frauen und Märtyrern zu sammeln, die ich an den Pilgerorten im Souvenirladen kaufte. Alle Bildchen baumelten an einer Kette um meinen Hals, bis es an die fünfzehn Medaillons waren. Zusammen mit dem Kreuz von Taizé, schmückten sie meinen Hals und meine Brust.
Meine Lieblingsfilme im Fernsehen waren, neben „Daktari“ und „Dick und Doof“ die Osterpassion und Filme über Heilige. Nach einem Film über Franz von Assisi, in den ich eintauchte, wie ein trockenes Stück Brot in eine Weinsoße, war ich über und über berauscht. In der Schluss-Einstellung liegt Franz auf einem großen Felsen und stirbt mit den Wundmalen Jesu, die auf seinem Körper eindrucksvoll erschienen. Ich sah seine Hingabe, die Freude und Ekstase selbst in diesem Moment des Todes, und das Bild ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Eines Tages, im Bus auf den Weg zur Schule – ich war gerade mitten in der Pubertät und erinnere mich noch genau an meinen hormonellen Zustand und die coole Kleidung die ich trug – begann sich plötzlich ein pochender Schmerz in meinen Händen und Füßen zu manifestieren. Ich stand im Gang des Buses, nahe beim Ausgang, hielt mich an einer Metallstange fest, aber die Schmerzen wurden immer schlimmer, dass ich es kaum noch aushalten konnte. Ich schwitzte, ich wusste nicht was los war. Ich sah auf meine Hände und der Schmerz bildete einen roten Flecken auf den Handflächen ab, der tief nach innen zu dringen schien. Meine Chakrapunkte an Händen und Füssen brannten wie Feuer. Die Schmerzen schienen keine Grenzen zu kennen.
Ich bekam Panik und war froh als ich aussteigen konnte. Ich konnte nur unter Mühe gehen und beschloss das Ganze einfach zu ignorieren, wie ich es oft mit den Erscheinungen, Vorsehungen und Visionen in der Kindheit getan hatte.
Ich wollte sie nicht, sie waren eine emotionale und körperliche Qual. Ich konnte keinerlei Sinn darin erkennen. Im Film hatte Franz auf seinem Felsen viel glücklicher ausgesehen.
Dieselbe Erfahrung kehrte ein paar mal wieder, aber ich konnte nicht mehr unterscheiden, ob es meine Einbildungskraft war oder meine Angst von etwas Fremdem beherrscht zu werden, das ich nicht unter Kontrolle hatte. Ich wollte diesen christlichen Weg nicht „erfüllen“, der so ganz und gar nichts mit meiner eigenen Erfahrung und Wahrnehmung von Glück und Ekstase zu tun hatte. Am meisten zuwider war mir die martialisch-grausame Darstellung von Jesus am Kreuz und die Herabwürdigung des Weiblichen zur nicht greifbaren, blütenreinen Jungfrau. Warum gab es keine Priesterinnen und warum wurde die weibliche Schönheit und Leidenschaft in schwarz-weiße Tücher gehüllt, bis die Augen einem ganz verbittert und vertrocknet anblickten? Die Hälfte der Menschheit war scheinbar von der Teilnahme am Sakralen und der Ekstase ausgeschlossen.
Nach dem Eintritt in die Pubertät begann sich Jahr für Jahr mehr und mehr die Langweile in mir auszubreiten. Das Angebot der Schule entsprach in keinster Weise meinen Bedürfnissen. Die Vermittlung des Schulwissens, das junge Menschen auf das westliche Leben vorbreiten sollte, war quälend und nichtssagend. Meine ekstatischen Zustände wurden immer seltener.
Die meiste Zeit verbrachte ich mit meinem besten Freund. Mit gerade fünfzehn Jahren stürzten wir uns Ende der siebziger Jahre ins „Nachtleben“. Er, der Spieler, Raucher und Drogenkonsument, ich, der verrückte Modefreak, der alle Klamotten selbst entwarf und nie irgendwelche weichen oder harten Drogen anfasste. Wir waren immer per Anhalter auf Tour. Schon nach den ersten Diskobesuchen zeigte sich, dass es bei dieser Art von „Night-Fever“ letztendlich nur um Sex ging. Schauen, flirten, sich ausphantasieren und dann mit oder ohne Drogen den ersten Schritt zu wagen. Wir waren ebenso in Freakschuppen und alternativen Jugendzentren zu Hause, wie in der Schickimicki-Szene. Ich wollte ausgelassen tanzen und schöne Mädchen bewundern, die sich reiche ältere Herrschaften