Название | Der Stechlin |
---|---|
Автор произведения | Theodor Fontane |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754175422 |
»Guten Morgen, Krippenstapel«, sagte Dubslav. »Ich bring’ Ihnen Besuch.«
»Sehr schmeichelhaft, Herr Baron.«
»Ja, das sagen Sie; wenn’s nur wahr ist. Aber unter allen Umständen lassen Sie den Baron aus dem Spiel… Sehen Sie, meine Herren, mein Freund Krippenstapel is ein ganz eignes Haus. Alltags nennt er mich Herr von Stechlin (den Major unterschlägt er), und wenn er ärgerlich ist, nennt er mich ›gnäd’ger Herr‹. Aber sowie ich mit Fremden komme, betitelt er mich Herr Baron. Er will was für mich tun.«
Krippenstapel, still vor sich hin schmunzelnd, hatte mittlerweile die Tür zu der seiner Schulklasse gegenüber gelegenen Wohnstube geöffnet und bat die Herren, eintreten zu wollen. Sie nahmen auch jeder einen Stuhl in die Hand, aber stützten sich nur auf die Lehne, während das Gespräch zwischen Dubslav und dem Lehrer seinen Fortgang nahm. »Sagen Sie, Krippenstapel, wird es denn überhaupt gehen? Sie sollen uns natürlich alles zeigen, und die Schule ist noch nicht aus.«
»Oh, gewiß geht es, Herr von Stechlin.«
»Ja, hören Sie, wenn der Hirt fehlt, rebelliert die Herde…«
»Nicht zu befürchten, Herr von Stechlin. Da war mal ein Burgemeister, achtundvierziger Zeit, Namen will ich lieber nicht nennen, der sagte: ›Wenn ich meinen Stiefel ans Fenster stelle, regier’ ich die ganze Stadt.‹ Das war mein Mann.«
»Richtig; den hab’ ich auch noch gekannt. Ja, der verstand es. Überhaupt immer in der Furcht des Herrn. Dann geht alles am besten. Der Hauptregente bleibt doch der Krückstock.«
»Der Krückstock«, bestätigte Krippenstapel. »Und dann freilich die Belohnungen.«
»Belohnungen?« lachte Dubslav. »Aber Krippenstapel, wo nehmen Sie denn die her?«
»Oh, die hat’s schon, Herr von Stechlin. Aber immer mit Verschiedenheiten. Ist es was Kleines, so kriegt der Junge bloß ‘nen Katzenkopp weniger, ist es aber was Großes, dann kriegt er ‘ne Wabe.«
»‘ne Wabe? Richtig. Davon haben wir schon heute früh beim Frühstück gesprochen, als Ihr Honig auf den Tisch kam. Ich habe den Herren dabei gesagt, Sie wären der beste Imker in der ganzen Grafschaft.«
»Zuviel Ehre, Herr von Stechlin. Aber das darf ich sagen, ich versteh’ es. Und wenn die Herren mir folgen wollen, um das Volk bei der Arbeit zu sehen - es ist jetzt gerade beste Zeit.«
Alle waren einverstanden, und so gingen sie denn durch den Flur bis in Hof und Garten hinaus und nahmen hier Stellung vor einem offenen Etagenschuppen, drin die Stöcke standen, nicht altmodische Bienenkörbe, sondern richtige Bienenhäuser, nach der Dzierzonschen Methode, wo man alles herausnehmen und jeden Augenblick in das Innere bequem hineingucken kann. Krippenstapel zeigte denn auch alles, und Rex und Czako waren ganz aufrichtig interessiert.
»Nun aber, Herr Lehrer Krippenstapel«, sagte Czako, »nun bitte, geben Sie uns auch einen Kommentar. Wie is das eigentlich mit den Bienen? Es soll ja was ganz Besondres damit sein.«
»Ist es auch, Herr Hauptmann. Das Bienenleben ist eigentlich feiner und vornehmer als das Menschenleben.«
»Feiner, das kann ich mir schon denken; aber auch vornehmer? Was Vornehmeres als den Menschen gibt es nicht. Indessen, wie’s damit auch sei, ›ja‹ oder ›nein‹, Sie machen einen nur immer neugieriger. Ich habe mal gehört, die Bienen sollen sich auf das Staatliche so gut verstehen; beinah vorbildlich.«
»So ist es auch, Herr Hauptmann. Und eines ist ja da, worüber sich als Thema vielleicht reden läßt. Da sind nämlich in jedem Stock drei Gruppen oder Klassen. In Klasse eins haben wir die Königin, in Klasse zwei haben wir die Arbeitsbienen (die, was für alles Arbeitsvolk wohl eigentlich immer das Beste ist, geschlechtslos sind), und in Klasse drei haben wir die Drohnen; die sind männlich, worin zugleich ihr eigentlicher Beruf besteht. Denn im übrigen tun sie gar nichts.«
»Interessanter Staat. Gefällt mir. Aber immer noch nicht vorbildlich genug.«
»Und nun bedenken Sie, Herr Hauptmann. Winterlang haben sie so dagesessen und gearbeitet oder auch geschlafen. Und nun kommt der Frühling, und das erwachende neue Leben ergreift auch die Bienen, am mächtigsten aber die Klasse eins, die Königin. Und sie beschließt nun, mit ihrem ganzen Volk einen Frühlingsausflug zu machen, der sich für sie persönlich sogar zu einer Art Hochzeitsreise gestaltet. So muß ich es nennen. Unter den vielen Drohnen nämlich, die ihr auf der Ferse sind, wählt sie sich einen Begleiter, man könnte sagen einen Tänzer, der denn auch berufen ist, alsbald in eine noch intimere Stellung zu ihr einzurücken. Etwa nach einer Stunde kehrt die Königin und ihr Hochzeitszug in die beengenden Schranken ihres Staates zurück. Ihr Dasein hat sich inzwischen erfüllt. Ein ganzes Geschlecht von Bienen wird geboren, aber weitere Beziehungen zu dem bewußten Tänzer sind ein für allemal ausgeschlossen. Es ist das gerade das, was ich vorhin als fein und vornehm bezeichnet habe. Bienenköniginnen lieben nur einmal. Die Bienenkönigin liebt und stirbt.«
»Und was wird aus der bevorzugten Drohne, aus dem Prinzessinnentänzer, dem Prince-Consort, wenn dieser Titel ausreicht?«
»Dieser Tänzer wird ermordet.«
»Nein, Herr Lehrer Krippenstapel, das geht nicht. Unter dieser letzten Mitteilung bricht meine Begeisterung wieder zusammen. Das ist ja schlimmer als der Heinesche Asra. Der stirbt doch bloß. Aber hier haben wir Ermordung. Sagen Sie, Rex, wie stehen Sie dazu?«
»Das monogamische Prinzip, woran doch schließlich unsre ganze Kultur hängt, kann nicht strenger und überzeugender demonstriert werden. Ich finde es großartig.«
Czako hätte gern geantwortet; aber er kam nicht dazu, weil in diesem Augenblick Dubslav darauf aufmerksam machte, daß man noch viel vor sich habe. Zunächst die Kirche. »Seine Hochwürden, der wohl eigentlich dabei sein müßte, wird es nicht übelnehmen, wenn wir auf ihn verzichten. Aber Sie, Krippenstapel, können Sie?«
Krippenstapel wiederholte, daß er Zeit vollauf habe. Zudem schlug die Schuluhr, und gleich beim ersten Schlage hörte man, wie’s drinnen in der Klasse lebendig wurde und die Jungens in ihren Holzpantinen über den Flur weg auf die Straße stürzten. Draußen aber stellten sie sich militärisch auf, weil sie mittlerweile gehört hatten, daß der gnädige Herr gekommen sei.
»Morgen, Jungens«, sagte Dubslav, an einen kleinen Schwarzhaarigen herantretend. »Bist von Globsow?«
»Nein, gnädiger Herr, von Dagow.«
»Na, lernst auch gut?«
Der Junge griente.
»Wann war denn Fehrbellin?«
»Achtzehnter Juni.«
»Und Leipzig?«
»Achtzehnter Oktober. Immer achtzehnter bei uns.«
»Das ist recht, Junge… Da.«
Und dabei griff er in seinen Rock und suchte nach einem Nickel. »Sehen Sie, Hauptmann, Sie sind ein bißchen ein Spötter, so viel hab’ ich schon gemerkt; aber so muß es gemacht werden. Der Junge weiß von Fehrbellin und von Leipzig und hat ein kluges Gesicht und steht Red’ und Antwort. Und rote Backen hat er auch. Sieht er aus, als ob er einen Kummer hätte oder einen Gram ums Vaterland? Unsinn. Ordnung und immer feste. Na, solange ich hier sitze, so lange hält es noch. Aber freilich, es kommen andre Tage.«
Woldemar lächelte.
»Na«, fuhr der Alte fort, »will mich trösten. Als der Alte Fritz zu sterben kam, dacht’ er auch, nu ginge die Welt unter. Und sie steht immer noch, und wir Deutsche sind wieder obenauf, ein bißchen zu sehr. Aber immer besser als zu wenig.«
Inzwischen hatte sich Krippenstapel in seiner Stube proper