Der gebrochene Schwur. Мэри Элизабет Брэддон

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Название Der gebrochene Schwur
Автор произведения Мэри Элизабет Брэддон
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754177310



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dem Sattel gerissen und in den Straßenkoth geworfen. Oft stand er in hellen Mondnächten unter seiner Thüre, nach den Fenstern des Herrenhauses starrend, und wünschend, daß plötzlich ein feuriger Strahl aus ihnen hervorbrechen und die rothen Flammen zum stillen Himmel aufzüngeln möchten, bis das großartige Gebäude in Ruinen zusammensänke.

      »Anderer Leute Häuser fangen doch Feuer,« murmelte er dann zornig, »aber dieses nie.«

      Als die Blattern eine kurze Zeit zum Schrecken und Entsetzen der Dorfbewohner in Lislewood wütheten, war der Thorwärter in heiterster Laune; doch die abscheuliche Seuche verschwand, ohne ihr gräßliches Gesicht innerhalb der Thore von Lislewood-Park gezeigt zu haben.

      »Anderer Leute einzige Kinder wurden ihnen entrissen,« brummte Gilbert Arnold, »ihrem scheint kein Uebel nahen zu wollen.«

      Aber der junge Baronet, obgleich er vielen Kinderkrankheiten entging durch die Aufmerksamkeit seiner Aerzte und die Pflege seiner Wärterinnen, war keineswegs ein gesundes Kind. Er war schwach und kränklich, klein für sein Alter und weit zurück im Lernen. Auch war er schwer zu unterhalten, da er einen Widerwillen gegen alle körperlichen Uebungen empfand, und selbst sehr geringes Vergnügen an kindlichen Büchern und Bildern hatte. Er saß am liebsten still im Kinderzimmer, und bestieg sein Pony nur, wenn es ihm geboten ward. Er war mit sieben Jahren nicht größer, als der Knabe Arnold’s mit sechs, und lange nicht so kräftig. Er zeigte Keinem besondere Zuneigung, selbst die Liebe zu seiner Mutter, welche ihn Vergötterte, war schwächer und lässiger Natur. Vielleicht zog er den Knaben des Thorwärters allen Andern vor, denn wenn er den kleinen James in seinem Gärtchen spielen sah, hielt er sein Pony an, stellte hunderterlei kindliche Fragen an ihn, während das wachsame Gesicht des Vaters, der stets im Schatten der kleinen Thür lehnte, verstohlen nach den beiden Kindern sah, und mit den grünlich-gelben Augen blinzelte. Es war zu bemerken, daß Gilbert Arnold stets den Sonnenschein vermied, und den Eindruck eines Mannes machte, der sich in seinem eigenen Hause vor irgend einem Feinde verbirgt; vielleicht war es eine alte Gewohnheit aus den Tagen seiner Wilddieberei, wo er oft stundenlang hinter einer Hecke oder in einem trockenen Graben verborgen gelegen. Er pflegte mit leisem, vorsichtigem Schritt um die Hütte zu schleichen, als ob er bei jeder Wendung fürchte, einem Jäger oder Constabler gegenüber zu treten. Er hielt weder auf sein Haus, noch auf seine Person etwas, sondern schlenderte das ganze liebe Jahr in derselben alten Sammtjacke herum, an der hier und da ein zerbrochener Knopf hing; ein Streifen farbigen Wollstoffs, wie einen Strick unter dem Hemdkragen gebunden, ein Paar von des verstorbenen Baronets alten Beinkleidern in schlotternden Falten um seine Beine hängend, und schlechte Kappenstiefel mit schiefgetretenen Absätzen an seinen unbeholfenen Füßen.

      Während seiner Morgenspaziergänge die Allee auf und ab hatte Hauptmann Walsingham den Mann endlich bemerkt, wie er sich im Schatten seiner eigenen Thüre am Parkeingange verkroch. Zuweilen bot er ihm einen »guten Tag,« welches der Andere mit einem Gemurmel erwiederte, das eben nicht zu einer Unterhaltung einlud.

      Der indische Officier fing an ein eigenthümliches Interesse an diesem Menschen zu finden, dessen düsteres Gesicht und scheues Wesen Neugierde für sein Vorleben einflößte, und ihn zu Fragen über den mürrischen Thorwärter veranlaßte.

      »Ein bekehrter Wilddieb,« sagte er gedankenvoll, als ein Diener des Schlosses ihm die Geschichte des Mannes erzählt hatte. »Ein alter Galgenvogel, ein mäßiger, durchtriebener Heuchler, der sich von seinem eben so thörichten als fleißigen Weibe ernähren läßt. Dacht ich’s doch.«

      Von diesem Augenblicke an schien der tölpelhafte Thorwärter eine eigene Anziehungskraft für den lebhaften Hauptmann zu besitzen, er ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein, ganz gegen Gilbert Arnold’s Willen, der kaum aus eigenem Antrieb zu sprechen schien, sondern als ob er nur dulde, daß sein Fragesteller ihm dies Worte eines um’s andere aus dem Munde ziehe. Er frug ihn unter Anderem nach seinem früheren Leben, und ab er nicht glücklicher gewesen in den Tagen des Herumstreifens und Wilderns, ja selbst im Gefängniß, als er jetzt sei. Aber Gilbert Arnold war ein zu wohlgeschulter Heuchler, um diese Fragen anders zu beantworten, als durch scheinheilige Betheuerungen seiner ehemaligen Schlechtigkeit und gegenwärtigen Reue, verschwenderisch durchspickt mit Anführungen aus des Pfarrers Tractaten.

      Doch weder seine Heuchelei noch sein mürrisches Wesen vermochten das außerordentliche Interesse zu verwischen, welches der ehemalige Wilddieb bei dem Hauptmann Walsingham erregt hatte. Von nun an kam der Officier selten zu dem Parkthore, ohne sich aufzuhalten und an der niederen Gartenhecke, die das gothische Häuschen umgab, ein Gespräch anzuknüpfen. Die gelb-grünen Augen des Wilddiebes, die aus dem Schatten der Thüre glänzten, schienen ihn zu fesseln und durch ihren Blick zu bannen, wie den Vogel der Blick einer würgenden Katze bannt.

      »Das ist einer von der Sorte, wie sie um Mitternacht in einem dunkeln Gäßchen hinter Einem mit einem Knüttel oder Pechpflaster herschleichen,« murmelte der Hauptmann, als er nach einer solchen Unterredung von dannen ging. »Er hat schlechte Streiche gemacht in seiner Jugend, und er haßt sich selbst so sehr, daß er jeden Andern haßt, der nicht gleich ihm ist. Ein gefährlicher, verrätherischer, schleichender, kaltblütiger Feigling, bei meiner Seele: und doch, trotz alledem, seh’ ich ihn gerne.«

      Fünftes Kapitel.

       Major und Mrs. Granville Barney.

      Die Eichenallee in Lislewood-Park war dicht belaubt und schattig, und Arthur Walsingham ein halbes Jahr mit dem Gegenstand seiner erstere Liebe verheiratet. Sie saßen in der Bibliothek an einem kleinen Tische beim Frühstück, den man an das gemalte Fenster gerollt hatte; das Licht, das durch die offenen Scheiben strömte, färbte das weiße Tafeltuch und Mrs. Walsingham’s faltenreiches Mousselinkleid mit aller Pracht eines Regenbogens. Der ganze Raum war vom hellsten Licht der Augustsonne überstrahlt, und Sir Rupert Lisle’s blaue Augen konnten den blendenden Schein kaum ertragen. Treibhaus-Früchte, in grünem Weinlaub halb versteckt, lagen verlockend in Porcellankörbchen, Geflügel, umgeben von zarten Fransen aus schneeweißem Papier, blinkende Gläser mit Eingemachtem und Blumenhonig, und ein kostbares silbernes Kaffee- und Theeservice bedeckte den Tisch, an welchem die Dreie saßen. Tausendfältiger Blumenduft strömte zum offenen Fenster herein; das Murmeln eines Wasserfalls in dem nahen See, das Summen der Bienen im Garten, die hundertfältigen Stimmen der Vögel, das klagende Blöcken der Schafe auf entfernten Wiesen und das laute Schnurren einer Angorakatze, die sich im Fensterwinkel sonnte, Alles vermischte sich zu einem einzigen sommerlich summenden Tone ländlicher Glückseligkeit.«

      »Claribel,« sagte der Hauptmann, »ich glaube einen herrlicheren Tag hatten wir wohl den ganzen Sommer nicht. Wir müssen heute was Besonderes vornehmen; ich will Dich und, Rupert ausfahren. Willst Du mit, Baronet?« Der Hauptmann liebte es, seinen kleinen Stiefsohn bei seinem Titel zu nennen; es lag etwas so Absonderliches in dem Contrast zwischen der würdevollen Benennung und dem blassen, kleinen Bübchen, dem sie galt, was ihm Vergnügen machte. »Willst Du mitfahren, Baronet, weit hinaus hinter die Anhöhen von Beechers Ritt durch die kleinen, netten Dörfer, wo die armen Kinder aus den Thüren laufen, und Deinen Phaëton, die schönen Pferde und Livréediener anstaunen, wie Baronet?«

      »Ja, gerne, Papa.«

      »Wird auch Dir die Spazierfahrt gefallen, Claribel?«

      »Wie Dir’s beliebt, lieber Arthur,« erwiederte seine Gemalin, einen Pfirsich schälend, von welcher Beschäftigung sie nicht aufblickte.

      Während dieser Unterredung trat ein Diener ein und legte die Zeitungen neben Hauptmann Walsingham’s Teller.

      »Ah, die Times und die Morgenpost. Gesegnet seien die Eisenbahnen, die uns um zehn Uhr schon die Londoner Blätter bringen. Brightoner Tageblatt.« Der Hauptmann entfaltete die Provinzzeitung. Lislewood-Park lag zwanzig Meilen von Brighton.

      »Die Lancer, meines Vaters Vettern, gehen im August immer nach Brighton; sieh’ nach ihren Namen, Arthur, bitte,« sagte Mrs. Walsingham.

      »Wo soll ich nachsehen?«

      »In der Liste der Gäste; es ist immer eine in diesen Blättern Sie pflegen im »Schiff« abzusteigen.«

      »Gut, wir werden gleich