Название | Balkanmärchen auf 251 Seiten |
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Автор произведения | Johann Heinrich August Leskien |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742763082 |
Einmal fragte ihn der Alte, was er für seine Arbeit
haben wollte. Der Junge antwortete: »Etwas Geld, so
viel, um in die Fremde zu gehen.« – »Schön«, sagte
der Alte, wollte ihn aber nicht allein gehen lassen und
suchte ihm einen Gefährten. Da begegnete ihm ein
Neger, der sagte, er möge ihn nehmen. »Nein,« erwiderte
der Alte, »du wirst ihm nicht gefallen.« –
»Nimm mich nur,« sagte der Neger, »und wenn er
mich nicht mag, werde ich schon wieder gehen.« So
nahm der Alte ihn mit, und als der Junge ihn sah, gefiel
er ihm.
Am nächsten Morgen machten sie sich auf die
Reise. Als sie zu einem Brunnen kamen, sagte der
Neger zu ihm: »Höre, Bruder, wir wollen jetzt in die
Fremde gehen; laß uns hier einander schwören, daß
keiner dem andern etwas verheimlichen wird, daß wir
immer zusammen bleiben, Tag und Nacht, und wenn
wir künftig mit Gottes Hilfe zurückkehren, daß wir
bei diesem Brunnen alles, was wir erworben haben,
aufs Haar gleichmäßig und brüderlich teilen.« Das
beschworen sie und zogen weiter.
Unterwegs kamen sie an eine Einöde, und die
Leute, die ihnen begegneten, sagten ihnen, sie möchten
nicht dahinein gehen, sie würden umkommen.
Aber der Neger hörte auf niemand. Am Abend kehrten
sie in einer verlassenen Herberge ein, der Junge
legte sich in eine Stube und schlief ein, der Neger
aber ging durch alle Stuben und fand eine Lamia mit
drei Köpfen, die die Menschen fraß, die sich dort aufhielten,
ihr Geld nahm und die ganze Stube damit anfüllte.
Der Neger erschlug sie, verschloß das Zimmer
mit dem Gelde und sagte dem Jungen nichts. Am
Morgen zogen sie weiter und kamen in die Hauptstadt
eines Zaren.
Dort war eine Tochter des Zaren, die war vielmal
verheiratet gewesen, aber die Männer waren nicht am
Leben geblieben, sie waren alle schon in der ersten
Nacht gestorben. Der Neger ging nun zum Zaren und
bewarb sich im Namen des Jungen um die Tochter.
Der Zar sah sich den Jungen an und richtete sogleich
die Hochzeit an. Viele Leute sagten ihm, er möge sie
nicht nehmen, denn er werde in seinen jungen und
blühenden Jahren sterben – der Junge war nämlich
sehr schön –, aber der Neger sagte ihm, er möge unbesorgt
sein, er sei ja bei ihm. In der ersten Nacht, als
sich das junge Ehepaar schlafen legte, verlangte der
Neger, in derselben Stube zu schlafen. Der junge
Mann bat ihn, für sich zu schlafen, aber der Neger erinnerte
ihn an den Schwur, und er schwieg.
Sie waren eben eingeschlafen, da machte die junge
Frau den Mund auf und fing an zu schnarchen. Der
Neger stand auf, zog seinen Säbel und stand über sie
gebeugt still. Nach kurzer Zeit, sieh da, kam eine
große Schlange aus dem Munde der Frau heraus und
schickte sich gerade an, den Mann zu beißen, als der
Neger ihr ein Stück abhieb, ungefähr eine Spanne
lang, soweit sie herausgekommen war, samt dem
Kopf. Das übrige Stück aber kroch wieder hinein. Als
sie am Morgen aufgestanden waren, freute sich das
ganze Schloß, daß der Schwiegersohn am Leben geblieben
war.
Nach einiger Zeit rüsteten sie sich zur Abreise und
nahmen von dem Zaren nichts als vierzig Maultiere
und vierzig leere Säcke. Als sie zu der verlassenen
Herberge kamen, belud der Neger die Maultiere mit
dem Gelde der Lamia, und sie zogen nun mit der jungen
Frau der Heimat zu. Eines Tages gelangten sie an
jenen Brunnen. »Jetzt«, sagte der Neger, »müssen wir
teilen.« Da teilten sie die Maultiere und alles andere
zur Hälfte. »Jetzt also«, sagte darauf der Neger, »wollen
wir auch die Frau teilen. Faß du das eine Bein, ich
nehme das andere, und wie du willst, teilen wir quer
durch oder der Länge nach.« »Bewahre Gott,« antwortete
der junge Mann, »laß ab, nimm du sie ganz,
wir wollen sie doch nicht umbringen.« – »Nein,«
sagte der Neger, »denk an den Schwur!« Es blieb
nichts übrig, der Mann ergriff das eine Bein, und
sowie der Neger das Messer zog, schrie die Frau auf,
erbrach sich vor Schrecken und spie das übrige Stück
der Schlange aus. »Da hast du sie jetzt,« sprach der
Neger, »das wollte ich gerade, daß auch dies Stück
der Schlange herauskäme.« Dann erzählte er ihm alles
und auch, daß er der Mensch sei, den er ehrenvoll begraben
hatte. Damit verschwand er.
Der junge Mann bekreuzigte sich und sprach:
»Fürwahr, eine gute Tat geht niemals verloren.« Dann
stieg er zu Pferde und brachte seinem Vater vierzig
Lasten Gold. Später wurde er Zar und in der ganzen
Welt berühmt.
3. Der neidische Arzt
Es war einmal ein Zar, bei dem war ein Arzt; der
konnte viel, war aber sehr neidisch und hielt nicht einmal
einen Diener, damit niemand von ihm lernen
könnte. Es gab aber einen klugen Burschen, der stellte
sich stumm, ging in die Welt, sein Glück zu suchen,
und kam auch zu dem Arzt. Als der sah, daß der Bursche
stumm war, sagte er zu sich selbst: »Ah! das ist
ein Diener für mich, und wenn er auch die Kunst
lernt, kann er mir doch nicht gleichkommen, da er
stumm ist.« Und so behielt er ihn bei sich.
Der Bursche blieb sieben Jahre bei ihm, und niemand
merkte, daß er sprechen konnte. Der Arzt hatte
kein Geheimnis vor ihm, so daß er gelehrt wurde wie
der Arzt und fast noch mehr.
Der Zar hatte eine Tochter, die schon eine Zeitlang
an Kopfschmerzen litt. Da befahl der Zar dem Arzt,