Название | Der einfarbige Regenbogen, Kriminalroman |
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Автор произведения | Gerlinde Marquardt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738088182 |
Mona hatte schon gepackt. Sie durfte wieder abreisen. In einem eleganten Hosenanzug trug sie ihren Koffer zu dem luxuriösen Auto. Isa mochte ihre Schwester gar nicht ansehen. Solch vornehme Kleidung hatte ihr eigener Schrank noch nie aufbewahrt. Kurz durchzog Isa der Gedanke, wie sie wohl in Monas Kleidern wirken würde. „Ich halte es hier nicht mehr aus!“, waren Monas Worte zum Abschied. Isa bekam ein überraschend kurzes Streicheln über einen Arm, Hanjo einen leichten Schlag auf die Schulter. Er drehte sich sofort um und ging ins Haus. Franz aber, der geradewegs auf Mona zukam, durfte rechts und links auf seinem Gesicht das flüchtige Anlegen von Monas Wange fühlen. Na ja, wenigstens er, dachte Isa und hob roboterartig kurz ihre Hand, als Mona in ihrem Sportwagen davon fuhr. Allerdings war sie sich sicher, dass ihre attraktive Schwester nicht in den Rückspiegel sehen würde.
Franz nahm Isa in die Arme. Sie waren gute, sehr gute nachbarliche Freunde. Beide lebten ohne feste Beziehung. Irgendwie war immer eine gefühlte kleine Schranke zwischen ihnen. Diese ließ es nicht zu, ihrer freundschaftlichen Zuneigung mehr Innigkeit zu geben. Doch seit Mutters Unglück hatte Isa nun das Gefühl, als keimte immer mehr eine neue, nie gekannte, Vertrautheit zwischen ihnen auf. Eine Vertrautheit, die keiner Worte bedurfte. Isa spürte, dass Franz sich um sie sorgte. Er war ihr in diesen trostlosen Tagen abermals eine wirklich große Hilfe. Vielleicht wird einmal später mehr aus…, brach Isa ihren Gedanken ab und sagte: „Danke Franz, für alles, ich muss zu Hanjo.“ Weil Isa in Franz` Armen etwas irritiert war, machte sie einen kleinen Schritt nach hinten. Franz spürte durch diese Bewegung Isas Unsicherheit. „Nichts zu danken!“, erwiderte Franz und öffnete seine Arme wesentlich weiter als zur Beendigung der Umarmung nötig gewesen wäre. Dann ging er langsam in sein Haus zurück. Er war eine beträchtliche Anzahl von Jahren älter als Isa. Und erfahrener! Er wusste, dass er sie sehr behutsam behandeln musste, denn der Tod ihrer Mutter hatte in ihr eine tiefe Verzweiflung hinterlassen. Und die nun auf sie übergegangene Verpflichtung für Hanjos Betreuung belastete Isa gewiss. Franz wusste auch, dass er lange Zeit benötigen würde, um endlich ihr vollständiges Vertrauen zu ihm erfolgreich wachsen zu lassen. Isas Gedanken schweiften, als sie zu ihrem Haus ging, sehr weit in die Vergangenheit zurück. Franz hatte seit dem jähen Tod seiner Eltern weiterhin in dem zweistöckigen Nachbarhaus gewohnt. Ganz früher, als Isas Vater noch bei ihnen zu Hause war, hatte er häufig Besuch von Franz. Die beiden Männer hatten sich meistens – die Welt vergessend – in ein Schachspiel verbissen. Isa glaubte sich zu erinnern, dass eine Störung durch sie nicht geduldet gewesen war. Zu gerne hätte sie damals die hübschen Holzfiguren selbst über die schwarz-weißen Karos geschoben. Damit die Männer aber nicht gestört wurden, hatte sich Isas Mutter während des Brettspiels stets liebevoll mit ihr beschäftigt. Als Vater seine Familie verlassen hatte, waren Schachspiele und somit auch nachbarliche Besuche von Franz total abgebrochen. Die Menschen in der kleinen Ortschaft waren Franz damals sicher zu klatschfreudig gewesen. Jedenfalls hatte es Isa einmal nach Jahren für sich so zurecht gelegt. Hanjo stand an einem Fenster und Isa winkte ihm automatisch zu. Als Isa ins Haus kam, lag Hanjo auf der Couch. „Hanjo, weshalb bist du so plötzlich ins Haus zurückgegangen? Du hättest wenigstens auf mich warten können!“ „Warum? Keine Lust dazu!“ Isa war klar, dass Hanjo jetzt sein Sperrschild benutzte. Weitere Anfragen würde er über die Reling seiner Mitteilungsbereitschaft werfen. Also schwieg Isa. Hanjo ahnte nicht, dass er seiner Schwester gerade das Gefühl gab, auch ihm gleichgültig zu sein. Isa schleppte sich ins Bad, um sich etwas zu erfrischen. Ihr Spiegelbild war nicht gerade vorteilhaft, musste sie sich eingestehen. Sie sah abgespannt aus. Ihre Augenringe unterstrichen ihre Erschöpfung. Aber das war heute der einzige Unterschied zu ihrem üblichen Aussehen. Ihre Frisur umrahmte wie stets ihr blasses Gesicht. Wie Mona einmal sagte, mit einer „Prinz-Eisenherz-Frisur“. Zum waagrecht geschnittenen Pony über der Stirn hingen ihre aschblonden Haare seitlich glatt herunter. Und niemand – sofern es nicht bekannt war – käme auf den Gedanken, dass sie eine Schwester Mona hatte. Beim Zurückgehen ins Wohnzimmer fiel Isa noch ein, dass sicher auch niemand Hanjo als ihren Bruder vermuten würde. Verdrießlich ging sie zum Fenster des Zimmers und sah zu ihrem Nachbarn Franz hinüber. Er stand an seinem Haus und begutachtete seinen Garten. Regungslos, mit seinen beiden Händen in den Hosentaschen wirkte er im momentanen Gegenlicht wie eine Skulptur. Isas Gedanken schweiften zu dem schrecklichen Unglück ab, das die Eltern von Franz ereilt hatte. Isa hatte zu jener Zeit kaum verstanden, worüber sich alle Nachbarn unterhielten. Doch der unheilvolle Klang, der in den Stimmen gelegen hatte, ließ sie heute noch jene Angst von damals verspüren. Während ihres allgemeinen Schockzustands war bei den grauenhaften Darstellungen des Unglücks nie auf Isas Anwesenheit geachtet worden. Über die kleine verwundbare Kinderseele hatte sich niemand Gedanken gemacht. Und kein Mensch hatte sich dafür interessiert, ob die Vorstellung, die sich fantasievoll in ihren Kinderkopf eingebrannt hatte, der Wirklichkeit entsprach. Erst Jahre später hatte Isa mit ihrer Mutter einmal über den