Название | Die Narben aus der Vergangenheit |
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Автор произведения | Sabine von der Wellen |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Narben aus der Vergangenheit |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752902280 |
Daniel geht schon durch die Tür in den Tanzschuppen, in dem ich gleich Carolin finden werde. Länger hatte ich es nicht ausgehalten, den Ort, an dem sie sich befindet, zu stürmen. Aber vor der Tür fängt mich Ulf mit einigen Freunden ab.
„Ah Erik, dich brauche ich! Wann können wir mal wieder bei dir in der Villa abfeiern? Wir wollen mit ein paar Freunden ordentlich Party like Erik machen“, sagt er grinsend.
Ich will schnell Daniel folgen und habe gar keine Lust, mich mit Ulf auseinanderzusetzen. „In nächster Zeit nehme ich keine Partys mehr an“, murmele ich ausweichend.
Ulf stößt einen seiner Kumpels an und meint wichtig: „Siehste, der ist schon voll ausgebucht!“ Dann wendet er sich an mich. „Aber für einen guten Kunden?“
Ich schüttele den Kopf. „Nein, keine Chance.“ Ich kann ihm schließlich nicht sagen, dass es sich ausgefeiert hat und ich da auch gar nicht mehr wohne. Es fällt mir sowieso schwer, eine passende Ausrede zu finden, warum ich keine Partys mehr organisiere.
Ulf kramt eine Karte aus seiner Jackentasche und gibt sie mir. „Aber den nächsten freien Termin bekomme ich, ja?“
Was soll ich dazu sagen? Ich nehme die Karte entgegen und nicke nur.
„Super! Und umso früher, desto besser“, meint Ulf noch und schlägt mir freundschaftlich mit der Faust gegen meine Schulter, als wären wir Freunde.
Ich überlege kurz, ob ich ihm eine reinhauen soll. Aber ich habe keine Zeit. Ich will jetzt endlich ins Alando gehen und sehen, was Carolin und ihre Mädels machen.
„Gut, also bis dann“, sagt Ulf etwas zurückhaltend, weil mein Killerblick kurz durchblitzte. Es ist erfreulich, dass der wesentlich noch Eindruck schindet.
Ich gehe an ihm vorbei zur Eingangstür ins Alando und einer der Typen raunt zu Ulf: „Der ist aber unfreundlich!“
Das lässt mich zufrieden Grinsen und ich schiebe mich durch eine Gruppe junger Männer zur Kasse und kurz darauf in den großen Raum, in dem ich bestimmt Carolin finde.
Mein Blick gleitet durch die Menge, während ich mich zwischen den Körpern hindurchschiebe.
Ich sehe zur Theke, an der ich Ellen und Daniel stehen sehe. Auf einem Hocker, mir mit dem Rücken zugewandt, sitzt ein blondes Mädchen mit locker hochgesteckten Haaren und es dauert eine Sekunde, bis mir klar ist, dass das Carolin ist, die nicht mehr so aussieht, wie sie bei uns aus dem Haus gegangen war. Eine weitere Sekunde verstreicht, bis ich peile, dass ein ausgesprochen gutaussehender Typ neben ihr steht und gerade seinen Arm um sie legt. Er hat dunkelbraunes, welliges Haar und eine schlanke Figur mit breiten Schultern. Als er den Kopf etwas neigt, sehe ich die Silhouette eines feingeschnittenen Gesichts mit dunklen Augenbrauen.
Daniels Hand greift nach ihm und ich sehe, dass Daniel wütend ist. Sein Blick gleitet an dem Typ vorbei in mein Gesicht und er lässt seine Hand wieder sinken. Auch Ellen sieht mich an und ich schiebe die letzten Hindernisse, die mich daran hindern, an die Theke zu gelangen, energisch zur Seite. Ich stürme regelrecht auf Carolin und den Typ zu, packe seinen Arm mit einer Hand und reiße ihn von Carolin runter, die sich nicht weniger energisch des aufdringlichen Typs zu entledigen versuchte.
Ich drehe ihm wütend seinen Arm auf den Rücken und er verzieht erschrocken und vor Schmerzen das Gesicht. Gnadenlos und von einer unbändigen Wut getrieben, drücke ich seinen Arm noch höher, was ihn fast in die Knie gehen lässt und fauche: „Alter, such dir eine andere. Die gehört mir!“
Ich nehme am Rande Michaela wahr, die mich anstarrt. Aber sie hat mittlerweile wohl geschnallt, dass unsere gemeinsame Nacht keine Bedeutung hatte und sie nicht dazu berechtigt, sich einzumischen.
Carolin lässt sich von ihrem Hocker rutschen und greift nach meiner Hand, die den Typ unerbittlich in die Knie zwingen will. Ihr Blick trifft meinen und sie brüllt gegen die Musik an: „Das ist Julian - mein Bruder!“
Langsam erfasse ich ihre Worte. Der Typ soll Julian sein?
Nur widerwillig lasse ich den Arm los und Daniel, sowie Ellen starren Carolin fassungslos an.
Der Kerl richtet sich auf und reibt sich die Schulter. Sein Blick aus tiefdunkelbraunen Augen trifft mich und ich kann diesen Enrique Iglesias Verschnitt an Carolins Seite kaum ertragen.
„Das soll dein Bruder sein?“, frage ich aufgebracht.
Carolin nickt. „Das ist Julian. Mein und Tims Bruder“, erklärt sie eindringlich, als müsse ich ihr jetzt unbedingt glauben. Und tatsächlich, mit Tim hat er eine gewisse Ähnlichkeit.
„Oh Mann! Verdammte Scheiße!“, flucht Daniel in dem Moment und Ellen fragt ihn verdattert: „Kennst du ihn?“
Carolin ist blass und schiebt sich mit unsicheren Bewegungen auf den Hocker zurück.
Julian reibt sich immer noch den Arm und sieht sie mit einem Blick an, als solle sie ihn trösten.
Ich kann nur fassungslos von diesem Schönling in Dunkel auf meinen hellen Falter starren. Und Carolin sieht mich an, als hätte ich ihr den Arm umgedreht.
Daniel antwortet Ellen gerade: „Aus der Uni. Er sprach mich an, ob ich ihm sagen kann, wo wir immer zum Feiern hingehen, weil er sich hier nicht auskennt. Poor, es tut mir leid!“, höre ich Daniel zerknirscht antworten.
Julian richtet sich zu seiner ganzen Größe auf und sieht Daniel verächtlich an. „Hat ja auch gut geklappt. Ich habe auf deine Empfehlung hin auch gleich gefunden, was ich gesucht habe. Ich hatte gar nicht erwartet, meine Schwester so schnell hier in der Stadt zu finden.“
Carolin wird eine Nuance blasser und ich starre Julian wütend an. Er ist fast so groß wie ich, hat aber bestimmt nicht meine Kraft. Er ist allerdings weitaus durchtrainierter als Tim, was wohl auf seine Zeit im Knast zurückzuführen ist. Ich weiß nur zu gut, dass man dort zum Liegestützenjunkie wird, um die Zeit totzuschlagen und um sich abzureagieren.
„Was willst du von Carolin?“, brumme ich und weiß, ich habe meinen Killerblick drauf. „Halt dich von ihr fern! Du tust ihr nicht noch einmal etwas an.“
Carolins Bruder wirkt erschrocken. „Habe ich auch nicht vor! Ich will nur, dass sie mir verzeiht und dass wir wieder wie früher Geschwister sein können und ich sie sehen kann. Mehr will ich nicht. Ehrlich!“ Seine Stimme klingt mit jedem Satz flehender.
„Das sollen wir dir glauben? Du hast sie das letzte Mal schlimm verletzt“, knurre ich aufgebracht. Mein Blick gleitet von dem Iglesias-Gesicht in Carolins, als sie mit unsicherer, dumpfer Stimme raunt: „Julian …!“
Alle Blicke richten sich auf sie. Auch Julian sieht sie verunsichert an.
„Julian, wie stellst du dir das vor? Du kannst nicht einfach wieder in mein Leben platzen und so tun, als wäre nichts gewesen. Du hast mich unter Drogen gesetzt, dass ich dachte, ich muss sterben, und das zweimal. Du hast Tim vor meinen Augen übel zugerichtet und uns beide glauben lassen, dass du uns umbringen wirst. Außerdem hast du mir mit einem Messer in den Hals geschnitten, dass ich fast dabei draufgegangen bin. Und jetzt tauchst du hier auf und meinst, ich muss dich als deine Schwester in die Arme schließen und es ist alles vergessen?“ Carolin klingt erschreckend aufgebracht und Tränen laufen ihr über die Wangen. Ihre Hände zittern und auch ihr ganzer Körper beginnt zu vibrieren.
Ich schiebe Julian unsanft aus dem Weg und schlinge meine Arme um ihren zitternden Körper. „Beruhige dich. Es kann dir nichts passieren. Komm, ich bringe dich nach Hause. Atme tief ein und versuche dich auf deine Atmung zu konzentrieren“, raune ich ihr eindringlich zu und hoffe, sie beruhigt sich und driftet nicht erneut in einen Zusammenbruch.
Sie sieht mich nur aus ihren tränenverschleierten Augen hilflos an, dass es mir einen Stich versetzt.
Ellen kommt an unsere Seite und legt Carolin ihre Hand auf den Rücken. Sie sieht genauso besorgt aus,