Название | Saisonvorbereitung mit Seitensprung |
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Автор произведения | Uwe Berlin |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738073133 |
Dierk
„Mama, Mama, bist du da?“ Immer wieder das gleiche Spiel. Dierk zog geräuschvoll die Haustür hinter sich zu. Nur hatte er heute keine Zeit für Versteckspiele. `Zur Not finde ich sie heute halt mal nicht´, dachte er und schämte sich gleich ein wenig. `Die Polin kommt in zwei Stunden. Also kein Grund für ein schlechtes Gewissen.´ Er hielt inne. Die letzten Monate, in denen mit Margot alles schlimmer geworden war, hatten ihn gelehrt, zunächst die Sinne walten zu lassen. Er spürte: nichts. Weder übertriebene Hitze oder Kälte. Sie hatte also die Finger von der Heizung und den Fenstern gelassen. Es roch weder verbrannt noch nach vergossenen Flüssigkeiten. Selbst den Geruch von Spüli auf Kacheln bekommt man tagelang nicht aus den Räumen, wenn die Flasche nur groß genug war. Kein Piepen, Surren oder Klopfen. Dierk schüttelte den Kopf. Er war es leid. Natürlich gab es nirgendwo im Haus mehr frei herumstehende Spüli, Ajax oder sonst irgendwelche Flaschen. In jedem Raum hing mindestens ein Rauchmelder. Der Kühlschrank ließ sich verriegeln. `Ich muss raus hier´, dachte Dierk, `wenigstens mal zwei Tage.´ „Mama!“ Die Tennistasche stand schon gepackt im Flur. Er ging an ihr vorbei zur Gästetoilette. Niemand drin. Margot saß in der Küche. Als Dierk eintrat erhob sie sich vom Stuhl und ließ sich gleich wieder fallen, erhob und setzte sich wieder. „Bleib sitzen, Mama“, sagte Dierk liebevoll. Sie stand auf und setzte sich wieder. Der schwere Dierk mit der Halbglatze und dem schicken Kortsakko über dem rotweiß karierten Hemd ging zu ihr hin und streichelte seiner Mutter übers Haar. „Brav gemacht“, lobte er nach einem Rundumblick durch die Küche. Alles schien heil zu sein, auch an ihr selbst. Sie trug immer noch den blauen Rock und die dunkle Bluse unter der Strickjacke, die er ihr morgens angezogen hatte. Die Blumen hatte sie gegossen. Vom Fensterbrett tropfte noch etwas Wasser. Dierk riss ein Blatt Küchenpapier ab und wischte darüber. Es war nicht viel. Nur ein paar Tropfen, die aus der übervollen Untertasse des Übertopfes getreten waren. `Sie hat einen guten Tag´, sagte er sich. `Umso besser.´ „Hast du Hunger Mama?“ Margot sah mit ausdruckslosen Augen zu ihm herüber. „Was wollen sie?“, Die Falte zwischen ihren Augen wurde noch tiefer. Gesiezt hatte sie ihn bisher noch nicht. Dieser misstrauische Ausdruck ihrer Augen. Der Arzt hatte ihm gesagt, dass es so kommen würde. Es fühlte sich merkwürdig an. „Du brauchst mich nicht zu siezen. Ich bin dein Sohn“, sagte er ruhig. Es traf ihn mehr, als er gedacht hatte. Margot wandte ihren Blick ab und schüttelte ein paarmal heftig den Kopf. So als wollte sie einen Gedanken vertreiben. Vielleicht auch durcheinandergewirbelte Gedanken ordnen. „Hast du Hunger?“, wiederholte Dierk seine Frage. Wie gern hätte er ihren Kopf genommen und ihn so lange geschüttelt, bis alle Gedanken wieder am richtigen Platz waren. Er sah ein Tetrisspiel vor sich, in dem die Formen von oben langsam in die richtige Lücke setzten. Laut sagte er: „Ich kann dir ein Brot schmieren.“ Margot sah wieder zu ihm auf. „Da sind Dinger. Immer wieder.“ Mit der Hand fuhr sie in der Luft herum. Dierk verfolgte die kreisrunden Bewegungen mit seinem Blick. „Wer schwirrt? Dinger?“ `Gott´, dachte er dabei, `wie ich es hasse.´ Margots Gestik fiel in sich zusammen und ihr Blick senkte sich in Richtung Boden. „Frau Bogdana kommt später und macht dir ein Abendbrot. Ich muss jetzt los.“ Margot richte sich wieder auf. „Wohin?“ Dierk fiel darauf rein. Ein einziges echtes Wort und er begann sich mit ihr zu unterhalten. „Zum Tennis, das habe ich dir gesagt. Wir fahren heute nach Laboe. Ich mit der Tennismannschaft. Du weißt doch, dass ich jetzt wieder in einer Mannschaft spiele. Jetzt aber Tennis. Ein ganzes Wochenende mal nichts anderes als Sport und Freunde. Mal abschalten. Ich habe die Garagen gewonnen, Mama. Habe ich dir das schon erzählt?“ Noch während seiner letzten Worte wippte Margot wieder auf die Füße und eilte mit trippelnden Schritten in Richtung Flur. „Wer sind Sie? Immer alles Dinger.“ Sie rief es laut und schrill. Dierk schüttelte langsam den Kopf. `Gut, dass uns die Nachbarn nicht hören.´ Es war nicht mehr lange auszuhalten mit ihr. Die Polin hin oder her. Wenn er jetzt auch noch mehr Arbeit durch die Garagen hatte… „Ich hätte sie in ein Heim geben sollen. So kann ich sie doch nicht allein lassen“, flüsterte Dierk vor sich hin. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Es sei denn, er fuhr nicht mit. `Passt