Название | Wie der Fünfzehnjährige den Krieg überlebte und einer Hoffnung erlag |
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Автор произведения | Gerhard Ebert |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738002348 |
Wenig später geschah so Ungeheuerliches, dass alle anderen Probleme verblassten. Tante Else, auf die Uwe echt Groll hatte, wurde vom Schicksal derart böse mitgespielt, dass Uwe Mitleid haben musste. Die Tante, in seinen Augen eine alte Frau, brach eines Tages unerwartet, ja, sie brach regelrecht in die Wohnstube herein, hemmungslos schreiend und ihre Handtasche wild in eine Ecke schleudernd. Desolat und erschöpft ließ sie sich auf einem Stuhl nieder und heulte Rotz und Wasser. Noch bevor Uwe begriff, was vorging, hatte Mutter verstanden.
"Gottfried!" schrie sie schrill, "Gottfried!" Tante Else nickte und presste sich ein Taschentuch ins Gesicht.
Jetzt begriff auch Uwe. Sein Cousin Gottfried, vor kaum vier Wochen mit seinen achtzehn Jahren zum Militär geholt, war schnurstracks an die Ostfront transportiert worden und beim ersten Gegenangriff der Russen auch schon umgekommen. Entsetzlich! Uwe konnte sich fast ausrechnen, wann er an der Reihe sein würde. In diesem Moment hoffte er inbrünstig, dass die Feinde dem Krieg bald irgendwie ein Ende machen würden.
Es war ja ohnehin alles ganz anders gekommen, als Hitler den Deutschen versprochen hatte. Anfangs hatte die Wehrmacht in Ost und West nur Siege gefeiert, ja sogar in Afrika jagte sie Engländer in die Flucht. Obwohl niemand so recht wusste, was die Deutschen nun auch noch in Afrika sollten. Reichte Europa denn nicht? Und überhaupt: Waren das wirklich alles Feinde? Uwe hatte da echte Zweifel. Andererseits: Etwas anderes als ein deutscher Sieg kam eigentlich nicht in Frage. Wie sollte es sonst weitergehen mit Deutschland? Gar nicht auszudenken. Aber seit Stalingrad sah es leider nicht mehr nach einem deutschen Endsieg aus.
Prompt musste noch jemand aus der Verwandtschaft zum Militär. Während Vater, dieser wahre Glückspilz, inzwischen wieder zu Hause war, weil er auch in der Genesungs-Kompanie im Ersatz-Bataillon erfolgreich gehinkt hatte, musste Onkel Erich, Tante Elses Mann, in den Krieg. Er war sogar einige Jahre älter als Vater, also zum Kriegsdienst bestimmt nicht mehr geeignet. Aber offenbar war bereits Not am Mann.
Uwe ahnte nichts Gutes für Deutschland, wenngleich ihn sein eigenes Schicksal natürlich viel mehr beschäftigte. So sann er vorsorglich schon einmal ernsthaft darüber nach, welche Chance wohl bestand, heil aus einer Schlacht herauszukommen. Denn Hinken, das erfolgreiche Mittel seines Vaters, kam nicht in Frage. Er hatte keine Wunde aus dem 1. Weltkrieg. Alle Überlegungen endeten immer wieder bei der Erkenntnis, dass er, Uwe, eigentlich nur eine reale Chance hatte, nämlich dann, wenn der Krieg zu Ende ging, bevor er alt genug dafür war. Neuerdings holten sie schon ganz junge Leute für die Flakabwehr, was ohne Zweifel nicht ganz so gefährlich war, denn da blieb man ja meist in der Heimat zum Schutz irgendwelcher Rüstungsfabriken.
Das Fatalste für junge Männer war ohne Zweifel, ins Gras beißen zu müssen, noch bevor man mit seinem Pimmel wenigstens einmal im Leben so richtig losgelegt hatte, wie das von der Natur ganz offenbar vorgesehen war. Seinem Cousin war das wahrscheinlich so widerfahren. Oder hatte der als Jüngling schon mal probiert? Genaues wusste Uwe nicht. Fest stand, dass man angesichts der aktuellen Lage auf gar keinen Fall zu lange warten durfte. Doch wie die Sache anstellen? Wo sollte er eine Frau hernehmen? Am ehesten hatte er in der Schule Kontakt. Doch da war keine Schülerin, die ihn so ganz toll interessiert hätte.
Eines Tages machte Uwe abends in der Dunkelheit eine Beobachtung, die ihn für lange Zeit völlig durcheinander brachte. Beim arglosen Schlendern im nahen Park hatte er plötzlich hinter einem Gebüsch ein seltsames Keuchen gehört. Starr war er stehen geblieben und hatte gelauscht. Neugierig wie er nun einmal war, hatte er sich alsbald vorsichtig nähergeschlichen. Viel war nicht zu sehen gewesen, aber so viel denn doch, dass da ein junger Bursche einem anderen, der sich vorbeugte, von hinten auf dem nackten Hintern hockte.
Um genauer zu sein: Er hockte nicht, sondern wuchtete seinen Schoß immer wieder kräftig gegen den nackten Popo des anderen, der dabei immer heftig aufstöhnte. Das ging so eine Weile, dann ächzte einer, als werde er umgebracht. In dem Moment hatte es Uwe für ratsam gehalten, das Weite zu suchen, so verdammt interessant es möglicherweise noch werden würde. In sicherer Entfernung hatte er sich zwar sofort über seine Hasenfüßigkeit geärgert, aber Zeuge eines Verbrechens, gar eines Mordes hatte er nicht sein wollen.
Andererseits: Würde sich so ein Mord zutragen? Doch wohl kaum. Ein Messer hatte er nicht gesehen, einen Schuss nicht gehört. Aber was hatten die beiden getrieben? Er konnte sich einfach nicht erklären, was sich da abgespielt hatte. Warum hatte der eine einen nackten Popo, die Hosen um die Beine schlackernd? Als Uwe abends in seinem Bett lag und die seltsamen Bilder immer noch nicht los wurde, dämmerte es ihm plötzlich. Wie die Affen im Zoo! Er sah keine andere Möglichkeit als die, dass der Hintermann dem Vordermann offenbar seinen steifen Schwengel immer wieder mit aller Kraft in das Arschloch gewuchtet hatte. Dafür musste er die Hose nicht herunterlassen, dafür genügte der offene Hosenschlitz. Natürlich! So musste es gewesen sein. In den Hintern!
Uwe ärgerte sich im Nachhinein noch einmal mächtig, dass er das Schauspiel nicht bis zum Ende genossen hatte. Da war nicht irgendein Mord geschehen, sondern zwei große Lotterbuben hatten ihre Kolben bewegt. Das heißt, sie hatten sich später vermutlich sogar abgewechselt, damit jeder einmal zum Zuge kam. Wahrscheinlich sogar hatten sie beide den Gestellungsbefehl in der Tasche! Aber war derlei Sauerei die Lösung in Ermangelung eines Weibes? Herumbumsen wie die Affen?
Uwe schüttelte sich. Vielleicht war es ganz guter Ersatz. Möglicherweise sogar. Aber die Natur hatte das so gewiss nicht vorgesehen. Oder musste der Mann bei der Frau auch in den Hintern stöpseln, um sich fortzupflanzen? Jetzt erinnerte er sich, dass damals im Landheim, als der Kamerad seinen bescheidenen Haarwuchs am Pimmel vorgeführt hatte, bei den Erörterungen oft das Wort "Arschficker" gefallen war. Er hatte sich nichts darunter vorstellen können, weshalb er das Wort auch bald vergaß. Jetzt wusste er: Er hatte unvermutet zwei Arschfickern zugesehen.
Immerhin: Uwe hatte begriffen, dass der Mann für die Liebe ganz offenbar unbedingt ein steifes Ding braucht. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber wie den Kerl stramm kriegen? Mit Befehlen und frommen Wünschen war nichts zu machen. Jedenfalls war es ihm noch nie gelungen. So fest auch immer er es sich vornahm, es regte sich gar nichts. Andererseits gab es so merkwürdige Erlebnisse wie damals im Bahnabteil, als er mit Opa nach Bremen zu Tante Betty gefahren war. Da war ihm sein Kleiner angeschwollen, obwohl er ihm keinerlei Aufforderung hatte zuteilwerden lassen.
Wahrscheinlich musste die Annäherung an eine Frau grundsätzlich mit ein paar Küssen beginnen. Aber wenn man eine Frau küsst, überlegte Uwe, dann ist sie ja angekleidet. Wie kriegt man sie dazu, dass sie nun auch ihren nackten Po zur Verfügung stellt? Und wenn sie ihn herhält, dreht sie einem den Rücken zu. Also kann man sie nicht mehr küssen! Wie soll man da noch einen strammen Ständer haben?
Was den Krieg betraf, so hatte die Familie ihn bislang gut überstanden. Vater war vom Militär entlassen worden und konnte seiner Arbeit nachgehen. Anfangs hatte er noch gehumpelt, wenn er morgens losging, damit nicht irgendwer falsche Schlüsse ziehen würde. Aber nach geraumer Zeit war Vater wieder ganz gut zu Fuß. Das war just in den Tagen, als „der Klapperstorch“ Mutter eine gesunde Tochter gebracht hatte. Verständlich, dass Vater vergaß, den Leuten irgendetwas vor zu hinken.
3. Tante ausgebombt
Eines Tages kam aus Bremen die Nachricht, dass Tante Betty ausgebombt sei. Nach kurzem Briefwechsel wurde von Vater entschieden, dass Tante Betty im Haus der Eltern Unterschlupf finden würde, bis der Krieg zu Ende war.
Das bedeutete, dass Uwe diese mondäne Frau der Großstadt noch einmal wiedersehen sollte. Er hatte sie kennengelernt, als er sie mit Opa kurz vor dem Krieg in Bremen