Название | Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln |
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Автор произведения | Martina Dr. Schäfer |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745017182 |
Ausserdem löste Herbert Kühns Methode der Symboldeutung natürlich ein Dilemma des Kossinna`schen Ansatzes: Wie sollte man denn in den vorsprachlichen Kulturepochen die geistige Kontinuität, analog der ethnischen, zurückverfolgen? Denn was nützt eine völkische Kontinuität, wenn dieses «Volk» dann nicht auch das Richtige «denkt»? Sprache ist nämlich ein Bedeutungsträger, Keramik, Steingeräte und andere Artefakte sind das aber erst einmal nicht, auch nicht die Muster und Verzierungen auf ihnen. Das Alles kann nur der typologischen, chronologischen Einordnung dienen. Geht man aber davon aus, wie Herbert Kühn, dass diese Muster auch Bedeutungsträger sind und gewissermassen auf überzeitliche, allgemein gültige Deutungsmöglichkeiten hinweisen, so lässt sich dieser Brückenschlag locker machen, ohne irgendeine «Sprache» prähistorischer Menschen zu kennen: Wenn also in historischen Texten oder auf Darstellungen die Gleichung:
Mond=Frau=Erde=Fruchtbarkeit gilt, so gilt sie eben auch dann, wenn man auf das scheinbare Abbild des Mondes, einen Kreis, oder des Wassers, einer Welle, beispielsweise auf neolithischer Keramik, stösst.
Auch diese Art Symbol- und Mythendeutung fand sich noch lange nach dem Ende des Nationalsozialismus in der populärwissenschaftlichen Literatur. (SCHÄFER 2001)
Die Deutung prähistorischer Bilder und Zeichen, im Sinne eines wie auch immer gearteten Weltbildes, mit Hilfe symbolischer und mythologischer Analogien, ist die Fortführung von Gustav Kossinnas Ansatz, nur mit anderen Mitteln. Statt einer ethnischen Kontinuität, dem «Volk», wird eine geistige, mythologische oder spirituelle herphantasiert.
Ich zitiere nun die von den Nationalsozialisten kritisierte Textstelle:
Beim Wechsel des Mondes regnet es, das Zeichen des Mondes wird das Zeichen des Regens. Das Mondzeichen aber ist das Rad. Der Stein von West-Kilpatrick beweist es, auf dem Sonne, Mond und Morgenstern dargestellt ist, die Sonne mit ihren Strahlen, der Stern als Punkt, der Mond aber in vier Teile geteilt, weil er sich wandelt, weil er sich teilt, er ist das Gestirn der vier Phasen, ... das Rad, das sich zum Hakenkreuz schon früh verändern kann. In dieser Form erscheint es zuerst in Susa in Mesopotamien, vor 3000 v. Chr. Geb., das älteste Hakenkreuzzeichen, das wir kennen. (KÜHN 1932/1, 12)
Herbert Kühn musste sich auf den zu seiner Zeit aktuellen Chronologiestand beziehen. Der versetzte aber die Herkunft des zentralen nationalsozialistischen Symbols Hakenkreuz aus dem «germanischen Urraum» nach Kleinasien. Mesopotamien liegt zwar nun nicht gerade nahe bei der kleinasiatischen Levante, aber doch anscheinend nahe genug, dass später Herbert Kühns Gegner daraus konstruieren konnten, er habe das Hakenkreuz als genuin aus jüdischem Gebiet kommend beschrieben. (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.34 UAK Zug 17/3213)
In den Auseinandersetzungen der verschiedenen nazionalsozialistischen Vorgeschichtsrichtungen, wie KATER (1997) und BOLLMUS (1970) sie darstellen, hatte Herbert Kühn sich einer Richtung zugewandt, die bald darauf sehr diskreditiert werden sollte. War Hermann Wirth bereits vor der Begründung des «Ahnenerbes» bei vielen Wissenschaftlern zumindestens sehr umstritten, so nahm auch Heinrich Himmler, nachdem er mit Hermann Wirths Hilfe seinen Verein «Ahnenerbe» begründet hatte in den Jahren 1935 bis 1936 mehr und mehr Abstand von ihm. Allerdings sicherlich nicht aufgrund von Erwägungen im Rahmen wissenschaftlicher Redlichkeit, sondern aus machtpolitischem Kalkül. (KATER 1997 a.div. O.)
Ich kann dieser Frage nach Herbert Kühns theoretischer und auch personellerVerortnung in den ideologischen Lagern der nationalsozialistischen Vorgeschichtsforschung nicht weiter nachgehen, da das den Rahmen und die Intention meiner Arbeit übersteigen würde. Das wird wohl Thema für weitere Untersuchungen sein. Seine Thesen bezüglich des Monotheismus, die er nach dem Ende des Nationalsozialismus vertrat, weisen ihn auch als Vertreter der «Wiener Kulturhistorischen Schule», die von Wilhelm Schmidt begründet wurde, aus.
Ich schliesse mich vorerst den Auffassungen von GOLCZEWSKI (1988) an: Herbert Kühns «jüdische Versipptheit» alleine reichte 1935 noch nicht aus, ihm die Lehrbefugnis zu entziehen. Auch die Denunziationen spielten dabei eine wichtige Rolle (GOLCZEWSKI 1988, 183 f.).
Darüber hinaus könnte aber auch Herbert Kühns theoretisches Werk, seine ideologische Nähe zu den Wirth`schen Thesen, die er auch noch in den Fünfziger Jahren vertrat, wie aus den nun folgenden Ausführungen hervorgeht, den Grund abgegeben haben, dass einige Nationalsozialisten ihn nicht mehr als geeigneten Lehrer für «die deutsche Jugend» ansahen.
Wie sahen nun Herbert Kühns theoretischen Positionen nach 1945 aus?
Es gibt nur e i n e Urwurzel, e i n e n Grundgedanken, von dem alle anderen Elemente ausgehen und in den alle wieder zurückkehren. (Kühn 1932/1, 18)
Herbert Kühn, seit 1946 ordentlicher Professor an der Universität Mainz und Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur schreibt 1950: Eines der bedeutendsten Probleme der Vorgeschichtsforschung der Gegenwart ist die Frage nach der Entstehung des Gottesglaubens, ist die Frage des Urmonotheismus. (KÜHN 1950, 1)
Ein «Urmonotheismus» war bereits Thema in den Arbeiten von Hermann Wirth, dem dieser grossen Raum einräumte. Auch die «Wiener Kulturhistorische Schule» vertrat die These eines «Urmonotheismus» als ältester Religion einer «Urkultur», von der die rezenten Sammler- und Jägervölker abstammten.
Auch die Frauenstatuetten des Jungpaläolithikums müssen wieder zum Beweis herhalten, denn jede von ihnen, ebenso übrigens wie die figürlichen Höhlenmalereien in Frankreich, verweist über sich hinaus auf ihren «Schöpfer».
Diesmal geht Herbert Kühn aber nicht in «mythischer Schau» vor, sondern zieht philologische, ethnologische und archäologische Ergebnisse zu Rate. Trotzdem schliesst Herbert Kühn nach wie vor vom religiösen Mythos auf die archäologischen Funde, beispielsweise vom Mythos der Erschaffung Evas direkt auf die paläolithischen Frauenstatuetten: Baute nämlich Gott Eva aus einer Rippe, so findet Herbert Kühn hier den direkten Bezug zu den knochengeschnitzten Figuren der Altsteinzeit: Doch Gott selber war vor der Eva da. Er ist auch der Schöpfer der Eva, und so muss sich ein Urgottgedanke noch vor den weiblichen Statuetten erweisen lassen. (KÜHN 1950, 4f.)
Wie hat man sich, nach Herbert Kühn, nun diesen göttlichen Schnitzer vorzustellen? Die Opfer der Bärenschädel in den Höhlen geben die Antwort: Wo Opfer ist, da muss auch jemand sein, dem geopfert wird, und diese Gottheit wieder offenbart sich für unseren Blick dadurch, dass sich Sitte und Brauch des Bärenopfers noch heute erhalten hat bei sibirischen Völkern. Und bei ihnen ist es der Eine Gott, dem das Opfer gebracht wird, und so sind wir zu schliessen berechtigt, dass es auch in der Eiszeit der Eine Gott war, dem man das gleiche Opfer brachte. (KÜHN 1950, 5)
Die Deduktionen sind bei beiden Beispielen gleich: Der Mythos von Eva setzt den Schöpfergott voraus, der archäologische Fund einer Statuette ihren Schnitzer, der einer Opferstelle, den Gott. Selbst wenn man gläubig wäre, ist Herbert Kühns Argumentation trotzdem, im philosophischen Sinne, unlogisch. A=B (Gott, Eva) und C=D (Schnitzer, Fund) bedeutet eben nicht A=D (Gott, Fund). Ausserdem handelt es sich um nicht aufeinander bezügliche Bereiche: 1 ungleich 2 (mythologische Inhalte und archäologische Inhalte, respektive Religion und Wissenschaft oder Worte/Bilder und Gegenstände)
Herbert Kühn referiert als Beleg seiner These drei Ausgrabungen aus den ersten zwanzig Jahren des 20. Jahrhunderts: Die Höhle Wildkirchli nahe St. Gallen im Kanton Appenzell, das Drachenloch nahe Vättis, Kanton St. Gallen und das Wildemannliloch in den Churfirsten. Diese Höhlen sind allerdings auf keinen Fall nicht weit von St. Gallen entfernt (KÜHN 1950, 7), wie Herbert Kühn behauptet. Und sie liegen übrigens eben auch nicht alle im Kanton St. Gallen, wie PROBST (1991) in seinem Buch mit dem Titel: «Deutschland in der Steinzeit» schreibt. (PROBST 1991, 148ff.)
Nur die Höhle Wildkirchli liegt in der Nähe der Stadt St.Gallen: Etwa 20 Kilometer Luftlinie, eine halbe Stunde Autofahrt, sind es bis zum Aufstieg ab Wasserauen. Sie ist mit 1400 Metern die am niedrigsten gelegene der drei Höhlen. Um den Aufstieg ab Nesslau zum 1600 Meter hoch gelegenen Wildemannliloch, das in 30 Kilometern Luftlinie, aber 70 Strassenkilometer von St. Gallen entfernt liegt, zu erreichen, fährt man mit dem Auto von St. Gallen aus etwa eine Stunde. Die Drachenlochhöhle bei Vättis liegt etwa in 90 Kilometern