Kleiner Mann was nun?. Ханс Фаллада

Читать онлайн.
Название Kleiner Mann was nun?
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752994933



Скачать книгу

zuckt die Achseln.

      »Weil ihr nicht organisiert seid, ihr Angestellten«, erklärt ihm den Fall Herr Mörschel. »Weil kein Zusammenhang ist bei euch, keine Solidarität. Darum machen sie mit euch, was sie wollen.«

      »Ich bin organisiert«, sagt Pinneberg mürrisch. »Ich bin in 'ner Gewerkschaft.«

      »Emma! Mutter! Unser junger Mann ist in 'ner Gewerkschaft? Wer hätte das gedacht! So schnieke und Gewerkschaft!« Der lange Mörschel hat den Kopf ganz auf die Seite gelegt und besieht seinen künftigen Schwiegersohn mit eingekniffenen Augen. »Und wie nennt sich Ihre Gewerkschaft, mein Junge? Nur raus damit!«

      »Deutsche Angestellten-Gewerkschaft«, sagt Pinneberg und ärgert sich immer mehr.

      Der lange Mann krümmt sich völlig zusammen, so stark überkommt es ihn. »Die Dag! Mutter, Emma, haltet mich fest, unser Jüngling ist ein Dackel, das nennt er 'ne Gewerkschaft! Ein gelber Verband, zwischen zwei Stühlen. Oh Gott, Kinder, so ein Witz ...«

      »Na, erlauben Sie mal«, sagt Pinneberg wütend. »Wir sind kein gelber Verband! Wir werden nicht von den Arbeitgebern finanziert. Wir zahlen unsern Bundesbeitrag selber.«

      »Für die Bonzen! Für die gelben Bonzen! Na, Emma, da hast du dir ja den richtigen ausgesucht. Einen Dag-Mann! Einen richtigen Dackel!«

      Pinneberg sieht hilfesuchend zu Lämmchen, aber Lämmchen sieht nicht her. Vielleicht ist sie es gewöhnt, aber wenn sie es gewöhnt ist, für ihn ist es doch schlimm.

      »Angestellter, wenn ich so was höre«, sagt Mörschel. »Ihr denkt, ihr seid was Besseres als wir Arbeiter.«

      »Denk ich nicht.«

      »Denken Sie doch. Und warum denken Sie das? Weil Sie Ihrem Arbeitgeber nicht 'ne Woche den Lohn stunden, sondern den ganzen Monat. Weil Sie unbezahlte Überstunden machen, weil Sie sich unter Tarif bezahlen lassen, weil Sie nie 'nen Streik machen, weil Sie immer die Streikbrecher sind ...«

      »Es geht doch nicht nur ums Geld«, sagt Pinneberg. »Wir denken doch auch anders als die meisten Arbeiter, wir haben doch andere Bedürfnisse ...«

      »Anders denken«, sagt Mörschel, »anders denken, Sie denken genau so wie ein Prolet ...«

      »Das glaub ich nicht«, sagt Pinneberg, »ich zum Beispiel ...«

      »Sie zum Beispiel«, sagt Mörschel und kneift die Augen ganz gemein ein und feixt. »Sie zum Beispiel haben sich doch Vorschuss genommen?«

      »Wieso?« fragt Pinneberg verwirrt. »Vorschuss –?«

      »Na ja, Vorschuss«, grinst der andere noch mehr. »Vorschuss da, bei der Emma. Nicht sehr fein, Herr. Mächtig proletarische Angewohnheit ...«

      »Ich ...«, fängt Pinneberg an und ist sehr rot und hat Lust, die Türen zuzudonnern und zu brüllen: Oh, so rutscht mir doch alle ...!

      Aber Frau Mörschel sagt scharf: »Ruhig bist du jetzt, Vater, mit deinen Flaxen! Das ist erledigt. Das geht dich gar nichts an.«

      »Da kommt der Karl«, ruft Lämmchen, denn draußen klappte eine Tür.

      »Also her mit dem Essen, Frau«, sagt Mörschel. »Und recht habe ich doch, Schwiegersohn, fragen Sie mal Ihren Pastor, unfein ist das ...«

      Ein junger Mensch kommt herein, aber jung ist nur eine Altersbezeichnung, er sieht völlig unjung aus, noch gelber, noch galliger als der Alte. Er knurrt: »N'Abend«, nimmt von dem Gast keinerlei Notiz und zieht Jacke und Weste aus, dann das Hemd. Pinneberg sieht es mit steigender Verwunderung.

      »Überstunden gemacht?« fragt der Alte.

      Karl Mörschel knurrt nur etwas.

      »Laß doch jetzt die Scheuerei, Karl«, sagt Frau Mörschel, »komm essen.«

      Aber Karl läßt schon das Wasser am Ausguss laufen und fängt an, sich sehr intensiv zu waschen. Bis zu den Hüften ist er nackt, Pinneberg geniert sich etwas, Lämmchens wegen. Aber die scheint nichts dabei zu finden, es ist ihr wohl selbstverständlich.

      Pinneberg ist vieles nicht selbstverständlich. Die häßlichen Steingutteller mit den schwärzlichen Anschlagstellen, die halb kalten Kartoffelpuffer, die nach Zwiebeln schmecken, die saure Gurke, das laue Flaschenbier, das nur für die Männer dasteht, dazu diese trostlose Küche, der waschende Karl ...

      Karl setzt sich an den Tisch, sagt brummig: »Nanu, Bier ...«

      »Das ist der Bräutigam von Emma«, erklärt Frau Mörschel, »sie wollen bald heiraten.«

      »Hat sie doch einen abgekriegt«, sagt Karl. »Na ja, einen Bourgeois. Ein Prolet ist ihr nicht fein genug.«

      »Siehst du«, sagt Vater Mörschel, sehr befriedigt.

      »Du, zahl man lieber dein Kostgeld, eh du hier den Mund aufreißt«, erklärt Mutter Mörschel.

      »Was heißt siehst du«, sagt Karl gallig zu seinem Vater. »Ein richtiger Bourgeois ist mir noch immer lieber als ihr Sozialfaschisten.«

      »Sozialfaschisten«, antwortet der Alte böse. »Wer wohl Faschist ist, du Sowjetjünger!«

      »Na klar«, sagt Karl, »ihr Panzerkreuzerhelden ...«

      Pinneberg hört mit einer gewissen Befriedigung zu. Was der Alte ihm gesagt hatte, bekam er jetzt vom Sohn mit Zinsen. Nur die Kartoffelpuffer gewannen nicht sehr dadurch, es war kein nettes Mittagessen, er hatte sich seine Verlobungsfeier anders gedacht.

      Geschwätz in der Nacht von Liebe und Geld

      Pinneberg hat seinen Zug sausen lassen, er kann auch morgens um vier fahren. Dann ist er immer noch rechtzeitig im Geschäft.

      Die beiden sitzen in der dunklen Küche. Drinnen in der einen Stube schläft Herr, in der andern Frau Mörschel. Karl ist in eine KPD-Versammlung gegangen.

      Sie haben zwei Küchenstühle nebeneinander gezogen und sitzen mit dem Rücken nach dem erkalteten Herd. Die Tür zu dem kleinen Küchenbalkon steht offen, der Wind bewegt leise den Schal über der Tür. Draußen ist – über einem heißen, radiolärmenden Hof – der Nachthimmel, dunkel, mit sehr blassen Sternen.

      »Ich möchte«, sagt Pinneberg leise und drückt Lämmchens Hand, »daß wir es ein bißchen hübsch hätten. «Weißt du« – er versucht es zu schildern – »es müßte hell sein bei uns und weiße Gardinen und alles immer schrecklich sauber.«

      »Ich versteh«, sagt Lämmchen, »ich versteh, es muß schlimm sein bei uns für dich, wo du es nicht gewöhnt bist.«

      »So meine ich es doch nicht, Lämmchen.«

      »Doch. Doch. Warum sollst du es nicht sagen, es ist doch schlimm. Daß sich Karl und Vater immer zanken, ist schlimm. Und daß Vater und Mutter immer streiten, das ist auch schlimm. Und daß sie Mutter immer um das Kostgeld betrügen wollen, und daß Mutter sie mit dem Essen betrügt ... alles ist schlimm.«

      »Aber warum sind sie so? Bei euch verdienen doch drei, da müßte es doch gut gehen.«

      Lämmchen antwortet ihm nicht. »Ich gehör ja nicht rein hier«, sagt sie statt dessen. »Ich bin immer das Aschenputtel gewesen. Wenn Vater und Karl nach Haus kommen, haben sie Feierabend. Dann fang ich an mit Aufwaschen und Plätten und Nähen und Strümpfestopfen. Ach, es ist nicht das«, ruft sie aus, »das täte man ja gerne. Aber daß das alles ganz selbstverständlich ist, und daß man dafür geschuppst wird und geknufft, daß man nie ein gutes Wort bekommt, und daß der Karl so tut, wie wenn er mich mit ernährt, weil er mehr Kostgeld zahlt als ich ... Ich verdien doch nicht viel – was verdient denn heute eine Verkäuferin?«

      »Es ist ja bald vorbei«, sagt Pinneberg. »Ganz bald.«

      »Ach, es ist ja nicht das«, ruft sie verzweifelt, »es ist ja alles nicht das. Aber, weißt du, Junge, sie haben mich immer richtig verachtet, du Dumme sagen sie zu mir. Sicher, ich bin nicht so klug. Ich versteh vieles nicht. Und