Название | Kleiner Mann was nun? |
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Автор произведения | Ханс Фаллада |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752994933 |
»Lederer, fassen Sie gefälligst die Schippe vernünftig an! Mensch, faßt man so 'ne Schippe an?! Halt den Sack ordentlich auf, du Fettsau, 'ne Schnauze muß er haben. So macht man das ...«
Pinneberg bedient seine Waage. Ganz mechanisch läßt er die Sperre runter: »Noch ein bißchen, Frau Friebe. Noch eine Kleinigkeit. So, nun ist es wieder zu viel. Noch 'ne Handvoll raus. Ab dafür! Der nächste! Halten Sie sich ran, Hinrichsen, Sie sind jetzt dran. Sonst stehen wir noch um Mitternacht hier.«
Und im Gehirn geht es dabei, in Bruchstücken: »Lämmchen hat's gut. Frische Luft ... die weißen Vorhänge wehen. – Halt die Schnauze, verfluchter Hund! Ewig muß er kläffen. – Und um so was zittert man nun! So was will man um keinen Preis verlieren. Na, danke schön.«
Und wieder der dröhnende Gong: »Los mit Ihnen, Kube! Was haben Sie rausgewogen aus dem Haufen? Achtundneunzig Zentner? Hundert waren's. Das ist der Weizen aus Nickelshof. Hundert Zentner waren das. Wo haben Sie die zwei Zentner gelassen, Schulz? Ich wiege nach. Los, wieder rauf mit dem Sack auf die Waage.«
»Ist zusammengeschnurrt in der Hitze, der Weizen«, läßt sich der alte Speicherarbeiter Kube vernehmen. »War höllisch zach, als er von Nickelshof kam.«
»Kauf ich zachen Weizen? Halt du die Schnauze, du! Will hier reden. Hast ihn nach Haus getragen zu Muttern, was? Zusammengeschnurrt, wenn ich das höre! Geklaut ist er, hier mausen doch alle.«
»Das ha 'ck nich nödig, Herre«, sagt Kube, »daß Sie mir hier was von Klauen sagen. Ick meld das dem Verband. Das ha 'ck nich nödig, das wollen wir mal sehen.«
Er kiekt über seinen grauweißen Schnauzbart dem Chef grell in die Visage.
»Oh Gott, ist das schön«, jubiliert Pinneberg innerlich. »Verband! Wenn man das auch so könnte! Aber bei uns? Neese.«
Kleinholz ist gar nicht sprachlos, Kleinholz ist so was gewöhnt. »Hab ich was gesagt, daß du 'nen geklaut hast? Keinen Ton hab ich gesagt. Mäuse klauen auch, Mäusefraß haben wir immer. Müssen wir mal wieder Meerzwiebeln legen oder Diphtherie impfen, Kube.«
»Sie haben gesagt, Herr Kleinholz, ich hab hier Weizen geklaut. Da sind se alle Zeuge für auf dem Boden. Ich geh zum Verband. Ich zeig Sie an, Herr Kleinholz.«
»Nichts hab ich gesagt. Kein Wort hab ich zu Ihnen gesagt. Heh, Herr Schulz, habe ich was zu Kube gesagt von Klauen?«
»Habe nichts gehört, Herr Kleinholz.«
»Siehst du, Kube. Und Sie, Herr Pinneberg, haben Sie was gehört?«
»Nein. Nichts«, sagt Pinneberg zögernd und weint innen blutige Tränen.
»Na also«, sagt Kleinholz. »Ewig du mit deinen Stänkereien, Kube. Das will 'nen Betriebsrat sein.«
»Machen Se's sachte, Herr Kleinholz«, warnt Kube. »Sie fangen schon wieder an. Sie wissen doch von wegen. Dreimal sind Sie mit dem ollen Kube schon reingefallen vors Gericht. Ich geh auch viertens. Ich hab keine Bange, Herr Kleinholz.«
»Quasseln tust du«, sagt Kleinholz wütend, »du bist ja alt, Kube, du weißt ja nicht mehr, was du redest. So ein Mitleid hab ich mit dir!«
Aber Kleinholz hat es dicke. Außerdem ist es wirklich zu heiß hier oben, wenn man ununterbrochen hin und her läuft und brüllt. Er geht runter und macht Vesper.
»Ich geh mal auf's Büro, Pinneberg. Passen Sie hier auf, daß weiter gemacht wird. Vesper gibt's nicht, verstanden? Sie stehen mir dafür, Pinneberg!«
Er verschwindet die Bodentreppe abwärts, und sofort setzt allgemeine lebhafte Unterhaltung ein. Stoffmangel herrscht nicht, dafür hat Kleinholz gesorgt.
»Na, warum der heute so aus der Tüt ist, das weiß man ja.«
»Soll man einen auf die Lampe gießen, dann wird ihm schon anders.«
»Vesper!« brüllt der olle Kube, »Vesper!«
Emil kann noch nicht über den Hof sein.
»Ich bitte Sie, Kube«, sagt der dreiundzwanzigjährige Pinneberg zum dreiundsechzigjährigen Kube, »ich bitte Sie, Kube, machen Sie doch keine Geschichten, wo es Herr Kleinholz ausdrücklich verboten hat!«
»Is Tarif, Herr Pinneberg«, sagt Kube mit dem Walrossbart. »Vesper is Tarif. Das kann uns der Alte nicht nehmen.«
»Aber ich krieg den schlimmsten Krach ...«
»Was geht mir das an!« Kube schnauft. »Wo Se nicht mal gehört haben, daß er mir Mausehaken geschimpft hat –!«
»Wenn Sie in meiner Lage wären, Kube ...«
»Weeß ich. Weeß ich. Wenn alle so dächten wie Sie, junger Mann, dann dürften wir wohl wegen der Herren Arbeitgeber in Ketten schuften und für jedes Stück Brot 'nen Psalm singen. Na, Sie sind noch jung, Sie haben was vor sich, Sie werden ja auch noch erleben, wie weit Sie mit der Kriecherei kommen. – Also Vesper!«
Aber alles vespert längst. Die drei Angestellten stehen vereinsamt.
»Können ja weiter sacken, die Herren«, sagt ein Arbeiter.
»Sich 'nen weißen Fuß machen bei Emil!« der andere. »Dann läßt er sie vielleicht mal am Kognak riechen.«
»Nee, an Mariechen riechen!«
»Alle dreie?« Brüllendes Gelächter.
»Die nimmt alle drei, die is nich so.«
Einer fängt an zu singen: »Mariechen, mein süßes Viehchen.« Und schon singen die meisten.
»Wenn das gut geht!« sagt Pinneberg.
»Ich mach das nicht länger mit«, sagt Schulz. »Hab ich es nötig, mich hier vor allen Bock schimpfen zu lassen?! – Oder ich mach der Marie ein Kind und laß sie sitzen.« Er grinst schadenfroh und düster.
Und der starke Lauterbach: »Man müßte ihm mal auflauern, wenn er sich nachts besoffen hat, und ihn im Dunkeln gehörig vertrimmen. Das hilft.«
»Und tun tut keiner was von uns«, sagt Pinneberg. »Die Arbeiter haben ganz recht. Wir haben ewig Schiss.«
»Wenn du hast. Ich hab keinen«, sagt Lauterbach.
»Ich auch nicht«, sagt Schulz. »Ich hab überhaupt den ganzen Laden hier dicke.«
»Na, denn tun wir doch was«, schlägt Pinneberg vor. »Hat er denn mit euch nicht gesprochen heute früh?«
Die drei sehen sich an, prüfend, mißtrauisch, befangen.
»Ich will euch was sagen«, erklärt Pinneberg. Denn nun kommt es ja doch nicht mehr darauf an. »Mir hat er heute früh erst von der Marie was vorgequasselt, was sie für ein tüchtiges Mädchen ist. und dann, daß ich mich zum Ersten erklären soll, was, weiß ich eigentlich nicht, ob ich mich freiwillig abbauen lassen will, weil ich doch der Jüngste bin, also die Marie.«
»Bei mir war's auch so. Weil ich Nazi bin, davon hat er solche Unannehmlichkeiten.«
»Und bei mir, weil ich mal mit 'nem Mädchen ausgehe.«
Pinneberg holt tief Atem: »Na, und?«
»Wieso und?«
»Was wollt ihr denn zum Ersten sagen?«
»Was sagen?«
»Ob ihr die Marie wollt?«
»Ganz ausgeschlossen!«
»Eher stempeln gehen!«
»Na also!«
»Was na also?«
»Dann können wir doch auch was verabreden.«
»Aber was denn?«
»Zum Beispiel: wir geben unser Ehrenwort darauf, daß wir zu der Marie alle drei Nein sagen.«
»Von der wird er schon nicht reden, so dumm ist Emil nicht.«