Buntes Treiben. Gerstäcker Friedrich

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Название Buntes Treiben
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753132426



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wuchs und gedieh dafür weit rascher, als man je erwartet haben mochte. Anstatt den Centralpunkt der Bahn nämlich nach Karthago zu verlegen, hatte die Eisenbahndirection diesen Platz für passender gehalten. Fünf Jahre später kreuzten sich dort zwei Schienenstränge, und das Grundeigenthum wuchs, je mehr Bewohner sich dorthin zogen, rasend schnell.

      Lange noch war aber der „goldene Löwe" das einzige Wirthshaus in dem Ort gewesen, der schon anfing, sich zu einer Stadt heran zu bilden, und während sich Pechtels dabei außerordentlich gut befunden, hatte die Vereinigung der beiden Häuser auch einen wohlthätigen Einfluß aus die Kolonisten ausgeübt. Sie konnten sich nicht mehr ausweichen und mußten dort zusammentreffen, wo sich dann manches alte, lange gehegte Vornrthcil milderte oder auch ganz verschwand. /69/ Erst in der allerletzten Zeit verkaufte Pechtels, der sich viel Geld verdient hatte, ihre beiderseitigen Grundstücke mit dem „goldenen Löwen" zu einem sehr hohen Preis und zog sich dann mit Frau und Kindern nach Deutschland zurück, um hier das in Ruhe zu verzehren, was sie sich drüben über dem Ocean mit Fleiß und Sparsamkeit verdient.

      Das Mädchen von Eimeo.

      1.

      Maita.

      Ein blauer Himmel spannte sich über Tahiti - ,,der Perle der Südsee", und die Sonne glühte wohl auf die blitzende See und die bewaldeten Hänge und Spitzen des Gebirgsstocks nieder, oder funkelte in den schmalen Wasserfällen, die von den Klippbänken niedersprangen - aber ihre Gluth drang nicht zu den freundlichen Ansiedelungen nieder, die in dem Schatten zahlloser Fruchtbäume und Palmen lagen, und denen die Seebrise ihre Kühlung zufächelte. In ihrem milden Luftzug rauschten die langen gefiederten Wedel der Cocospalmen, raschelten die breiten, vom Winde ausgerissenen Blätter der Bananen, und tropften, wonnigen Duft verbreitend, die abgeblühten Blumen der Orange, deren Zweige aber trotzdem schon mit goldgelben Früchten bedeckt waren, auf den Boden nieder.

      Es war einer jener wunderbaren, zauberschönen Morgen, wie wir sie, in dieser Pracht - in diesem Reichthum wirklich nur in den Tropen finden, und während das Land hier in all' seiner paradiesischen Schöne, so frisch und jung, wie eben aus der Hand des Schöpfers hervorgegangen, lag, donnerte dazu draußen an den Korallenriffen die ewige Brandung ihr altes Schlachtenlied, das in früheren Jahrzehnten wohl das junge glückliche Volk zum Tanz gerufen, wenn sie im Tact der rollenden Wogen ihren Reigen bildeten. Jetzt aber darf es keinem solchen Zweck mehr dienen - denn die In-/71/sulaner sind Christen geworden, und alle heidnischen Gebräuche wurden von den Missionären streng verpönt.

      Aber die Brandung donnert fort; ihre mit weißem blitzenden Schaum gekrönten Häupter schleudern noch, wie in vergangenen Jahrtausenden, die krystallenen Massen gegen den Korallen-Damm; an den sonnigen Ufern flüstert die Brise in den Wipfeln der Cocospalme und malt die Sonne ihre Regenbogen in den stürzenden Wassern ihrer Cascaden. Nur das Volk ist ein anderes geworden - ob besser? - wer kann das sagen? Unverdorbener gewiß nicht, als in seiner alten Heidenzeit, denn das Wesen der christlichen Religion verstanden sie nicht zu erfassen, aber die Laster und schlechten Gewohnheiten der Fremden nahmen sie willig an, und während sie den Glauben an ihre alten Götter verloren, fehlte ihnen Herz und Sinn für den neuen Gott, dessen Wirken sie nicht begriffen, und den sie deshalb weder fürchteten noch ihn liebten.

      Dazu mochte wohl viel die starre Dogmatik der ersten Missionäre - zelotische Protestanten - beigetragen haben, die den ganzen Gottesdienst nur in der Form suchten und fanden. Da sie diesen Heiden aber nichts weiter brachten als eine - ihren ganzen Sitten und Gebräuchen, ihrer ganzen Natur nicht zusagende starre Form, so konnten sich die Indianer auch nur wenig damit befreunden. Wo sie die neue Religion annahmen, geschah es theils in dem Glauben, einen mächtigeren Gott zu bekommen, der sie in ihren Kriegen besser schützen konnte, als ihre Götzen es vermocht, theils aus Eigennutz, um sich ausgehaltene Geschenke anzueignen - selten - oh wie selten, aus wirklicher Ueberzeugung, und der Erfolg zeigte denn auch den Nutzen, den ihnen die neue Lehre brachte: sie genügten eben der vorgeschriebenen Form, und glaubten damit Alles gethan zu haben, was man von ihnen verlangte - und man verlangte auch in der That oft nicht mehr von ihnen.

      Wohin die Missionäre freilich drangen, bildeten sie einen Kreis von Anhängern um sich her; aber Viele beharrten trotzdem auf ihrem alten, von den Voreltern ererbten und für heilig gehaltenen Glauben, und daß dadurch endloser Unfrieden in Familien gebracht und viele sonst für das Leben /72/ geknüpfte Bande zerrissen wurden, läßt sich denken. Auf manchen Inseln der Südsee - ja auf sehr vielen, bildeten sich zwei feindliche Parteien; die eine, von den Missionären dazu aufgefordert, verbrannte und zerstörte die Götzenbilder, und die andere, darüber entsetzt und empört, griff in blinder Wuth zu den Waffen, um ihre bisherigen Heiligthümer zu retten oder zu rächen. Blutige Kriege wurden dabei geführt und die milde, versöhnende Lehre des Heilands, wie auf dem amerikanischen Continent, mit Feuer und Schwert verbreitet und mit rauchendem Blut bekräftigt.

      Die friedlichen Insulaner aber bekamen die ewigen Kämpfe bald satt. Ueberhaupt indolent in ihrem ganzen Wesen, und von der, ihre Gaben mit vollen Händen spendenden Natur verwöhnt, ermüdete es sie, für etwas ihr Leben einzusetzen, das ihnen bisher noch keine Unbequemlichkeit gemacht hatte. Die Meisten wurden Christen und würden auch wohl jedenfalls den christlichen Glauben für den besseren gehalten haben, wenn sie nicht die christlichen Missionäre selber darin irre gemacht hätten. Den protestantischen Geistlichen folgten nämlich katholische - oder auch umgekehrt, und lehrten dabei verschiedene Formen, indem sie die vorher von Anderen als heilig hingestellten verwarfen - ja die protestantischen Missionäre suchten sogar die Eingeborenen zu überreden, daß die Katholiken auch nichts Anderes wären als Götzenanbeter, und daß sie deren Glauben meiden sollten. Natürlich konnte das die Indianer nicht in ihrer neuen Religion befestigen. Sie mußten an einer Lehre zweifeln, über welche sich die Fremden selber noch nicht einmal geeinigt hatten, und Manche fielen heimlich wieder von dem neuen Glauben ab.

      Am unwilligsten trug aber das junge Volk den Druck, besonders die jungen Mädchen, denn die zelolischcn protestantischen Missionäre verlangten von ihnen nichts als Entsagung und Beten. Ihre Tänze, denen sich die Jugend sonst mit aller Lust hingegeben, wurden als heidnisch und sündlich verpönt und verboten. Nicht einmal mit den prachtvollen Blumen ihrer Wälder sollten sie sich mehr schmücken dürfen, weil auch das an ihre heidnischen Aufzüge und Festlichkeiten erinnerte, und dafür, anstatt lustig bei dem Toben der Brandung herum /73/ zu springen, in großen und dicken, ihnen von den Fremden gebrachten Büchern lernen und lesen, deren Sinn sie doch nicht begreifen, deren Worte sie nicht einmal aussprechen konnten. Wenn sie es aber nicht thaten, dictirten ihnen die von den Missionären gewonnenen Häuptlinge Strafen, die ebenfalls ihrer ganzen Natur widerstrebten. Straßen mußten sie bauen, deren Bedürfniß sie nie gekannt, und steinerne Kirchen, wo ihnen wie ihren Göttern bis jetzt ein Palmendach Schutz und Schirm gegeben. Während sie so der Form nach Christen werden mußten, wurden sie im Herzen Heuchler und gaben sich dem wilden Leben, wo das ungestraft oder unbemerkt geschehen konnte, nur so viel zügelloser hin.

      Aber den lästigen Zwang der Missionäre brach auf einigen Inseln die Ankunft der Feranis - wie sie die Franzosen nannten. Die protestantischen Geistlichen hatten, besonders auf Tahiti, ihnen gefährlich werdende katholische Priester selbst mit Gewalt entfernt und auf ein kleines Schiff bringen lassen, das sie an einer entlegenen Insel aussetzen sollte, und die französische Regierung hielt die Gelegenheit für passend, festen Fuß in diesen Gewässern zu fassen - Kriegsschiffe wurden abgesandt, die zuerst eine Entschädigung für die vertriebenen Priester verlangten, und dann ohne Weiteres ein Protectorat - dem Namen nach - über die Gesellschafts-Inseln anzutreten, in Wirklichkeit jedoch sich zum Herrn der von der Königin Pomaré beherrschten Inselgruppe auszuwerfen. Wie jetzt aber - was bis dahin nicht der Fall gewesen - jedem Indianer freigestellt wurde, zur katholischen Religion überzutreten, so brachten auch die lebenslustigen französischen Soldaten bald wieder einen neuen Geist - freilich nicht immer zum Guten - unter die Bevölkerung. Der starre, bigotte Zwang war aber wenigstens gebrochen - die harmlosen, gutmüthigen Indianer durften wieder frei aufathmen, die Mädchen wieder tanzen und sich mit Blumen schmücken, und wie Gespenster einer früheren Zeit gingen nur noch die jetzt blos geduldeten protestantischen Missionäre in ihren schwarzen Tuchröcken zwischen ihnen herum und drohten ihnen mit ewigen Strafen und Verdammniß.

      Aber das leichtherzige Volk machte sich deshalb wenig