Название | Wilde Welt |
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Автор произведения | Gerstäcker Friedrich |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753135984 |
Der Blick des argentinischen Officiers fiel zuerst wieder auf den Fremden, aber die muntern Töne der Guitarre regten in dem lebensfrohen Völkchen rasch die Lust zum Tanz. Die Stühle wurden bei Seite geschoben, die Tische aus dem Wegc gerückt, und ein paar junge Gauchos zogen lachend die Wirthstochter mit ihrer Base in die Mitte der Stube und begannen mit ihnen, während die Aelteren der Gesellschaft die Instrumente aufgriffen und ohne Weiteres in den volksthümlichen Tact- einfielen, den fröhlichen Fandango.
Der Wirth hatte dabei nicht zu viel versprochen und in weniger als einer Viertelstunde alles Tanzfähige ans dem kleinen Ort zusammengerufen. Das geschah aus so eigenthümliche wie ächt argentinische Art. Sein draußen angebundenes Pferd nämlich besteigend - denn es fällt keinem Gaucho ein, auch nur hundert Schritt zu Fuß zu gehen, wenn er nicht nothgedrungen muß - galoppirte er die Straße hinab; an jeder Thür aber zügelte er ein, schrie das Wort „Fandango" hinein und sprengte dann weiter. Große Toilette brauchten die Damen ebenfalls nicht zu machen; sie warfen ihre Mantilla um, und der Anzug war vollendet. Wie auch immer dabei die politischen Verhältnisse des Landes standen, ja, wenn die Indianer selber draußen im Lager gewesen wären und sie bedroht hätten, der Aussicht auf einen Fandango würden sie doch nicht haben widerstehen können, - noch dazu mit einem Lieutenant und zwei Fähnrichen im Ort. Wer wußte denn, ob ihnen solche Gelegenheit so bald wieder geboten wurde.
Bald nahm auch der Tanz Aller Aufmerksamkeit vollkommen in Anspruch. Während ihn aber im Ansang ein und zwei Paare abwechselnd aufführten, trat, wie der Abend weiter vorrückte, auch wohl eine einzelne Senorita auf. Stumm und lautlos schauten ihr dann die Uebrigen zu; aber ein Beifallssturm lohnte sie, wenn sie den schwierigen Anforderungen dieses Tanzes vollkommen genügt hatte. Ja, nicht selten flogen auch kleinere Silbermünzen, selbst Dollars, in den Ring, als ehrendes Geschenk für die Tänzerin, das sie mit einer freundlichen Verbeugung acceptirte und selber aufhob.
Don Diego hatte sich von alle dem ziemlich zurückgehalten. /28/
Es schien fast, als ob er noch einmal Gelegenheit suche, sich Josefa zu nähern. Wäre das aber wirklich der Fall gewesen, so vereitelte sie der argentinische Osficier vollkommen, indem er das trauernde Mädchen nicht aus den Augen ließ.
Wohl hatte Don Pasquale sogar versucht, sie trotz allem Weigern dazu zu bewegen, an dem fröhlichen Tanze Theil zu nehmen; aber sie wies ihn jedesmal, wenn auch nicht unfreundlich, doch ernst zurück, und er ließ sich endlich an ihrer Seite nieder, suchte die Hand zu ergreifen, die sie ihm jedoch entzog, und knüpfte ein leises, lebhaft geführtes Gespräch mit ihr an, das dem schönen Mädchen bald die Thränen in die Augen trieb. - Und dazu tönten die Guitarren, jauchzten die Zuschauer und hüpften die lachenden Tänzer und Tänzerinnen lustig im Zimmer auf und ab. Don Diego konnte den Anblick endlich nicht länger ertragen.
Er sprang auf, und in den Kreis der ihm willig Raum gebenden Zuschauer tretend, fand er Donna Beatriz gerade mitten in einem Fandango, den sic mit unbeschreiblicher Grazie und unter dem Beifalljauchzen der Gauchos ausführte.
Das junge Mädchen tanzte wirklich reizend, und so graziös wie züchtig bewegte sie sich bei den raschen, lebendigen Klängen der Melodie im Kreis und setzte dabei die kleinen niedlichen Füße so zierlich und gewandt, daß, als sie endlich schloß, ein Beifallssturm sie lohnte. Aber dabei blieb es nicht. Ein paar der jungen Burschen hatten rasch ihr Messer bei der Hand, und von den Gürteln die Dollarknöpfe losschneidend, warfen sie die der jungen Schönen zu.
„Silber? Caramba!" rief Don Diego, „lohnt Ihr mit Silber einen solchen Tanz? - der verdient Gold, denn es war die reine Musik der Füße, wie sie über den Boden mehr dahin spielten als tanzten," und mit seinem Messer eine Unze vom Gürtel trennend, warf er das große Goldstück vor die Füße des schönen Mädchens, das sich leicht erröthcnd und lächelnd gegen ihn neigte.
„Das ist kein Unitarier, Seňor," flüsterte der Wirth schmunzelnd dem Officier zu, der indessen ebenfalls aufgestanden war, dem Tanze zuzuschauen, „denn denen fehlt's /29/ immer am Besten, am rothen Golde, während es unser Amigo so leichtherzig von sich wirft, als ob er es gestern erst auf der Straße gefunden hätte."
„Der Teufel traue ihm, Compaňero," murmelte der Soldat leise vor sich hin. - „Sein voriges Lied hab' ich ihm noch nicht vergessen, und ehe wir Beiden von einander scheiden, soll er mir noch mehr Rede stehen, als ihm vielleicht lieb ist, oder - wir trennen uns gar nicht so bald wieder. Hat er Euch gesagt, wie lange er hier zu bleiben gedenkt?"
„So viel ich weiß, wartet er auf den Correo," sagte der Wirth, „der ihm Briefe von Buenos Ayres bringen soll."
„Briefe? - hm - es ist gut. Sein Name?"
„Don Diego."
„Aber weiter."
„Thut mir leid, Seňor, weiter kann ich nicht dienen. Ich habe noch nicht mehr davon gehört."
„So sorgt dafür, daß Ihr bis morgen früh mehr davon wißt," sagte der Officier streng. - „Ich weiß nicht, ob ich mich geirrt habe, aber mir schien, als ob Ihr in das vorige Viva la libertad jenes verdächtigen Burschen ebenfalls mit eingestimmt hättet, und da -"
„Seňor, ich bitte Euch um Gottes willen!" rief der Wirth erschreckt. „Ich halte dies Gasthaus nur durch die Gnade Sr. Excellenz, unsers vielgeliebten Don Manuel Rosas, dem der Allmächtige ein langes segensreiches Leben schenken möge. Ihr werdet doch nicht etwa glauben -"
„Ich sagte Euch, daß ich cs nicht gewiß weiß."
„Aber schon ein bloßer Verdacht genügte -"
„Da Ihr das wißt," erwiderte der Officier mit einem bedeutungsvollen Blick, „so denke ich, werdet Ihr auch wohl Alles thun, was in Euren Kräften steht, jeden solchen Verdacht von Euch fern zu halten, oder - wenn er etwa schon gefaßt sein sollte - zu entkräften. Ihr kennt Euren eigenen Vortheil viel zu gut, als daß ich Euch mehr zu sagen brauchte."
„Aber, Seňor, wenn nun -"
„Ruhig - der Tanz ist beendet. Morgen früh erwarte ich Antwort von Euch." Und ohne sich weiter um den Wirth zu bekümmern, drehte sich der Soldat von ihm ab und schritt /30/ dem Tisch wieder zu, an dem Don Diego die Männer jetzt um sich versammelte, ihm Trinken zu helfen.
Die spanische Race ist aber im trinken außerordentlich mäßig, und wenn Don Diego auch wohl unter den französischen Einwanderern in Montevideo andere Sitten angenommen hatte, konnte er hier die Leute doch nicht überreden, mehr als ein oder zwei Gläser von dein starken Wein mit ihm zu leeren. Der Abend war überdies auch schon ziemlich weit vorgerückt; die Frauen und Mädchen zogen sich in ihre verschiedenen Wohnungen zurück, die Männer folgten größtentheils dem Beispiel, und auch für die Gäste der Pulperia wurden, so weit es der Raum erlaubte, die Lagerstätten nothdürftig hergerichtet.
Dazu bedurfte es freilich keiner großen Vorbereitungen. Den Poncho, der die Nacht als Decke diente, führte jeder bei sich, eine Kuhhaut auf den nackten Boden oder auf eine dazu an der Wand angebrachte Lehmbank gebreitet, verrichtete Matratzendienste, der Sattel mit den dazu gehörigen Schaffellen bildete das Kopfkissen und das Bett war fertig.
Eine halbe Stunde später, und nicht ruhiger und stiller lag die Nacht draußen anf der dunkeln schweigsamen Steppe, als auf dem kleinen, von Bewaffneten gefüllten Ort, in dem kein einziges Licht mehr Leben und Bewegung kündete. Aber welch ein lebendiges Bild bot der nächste Morgen.
V.
Hell und klar stieg die Sonne aus dem weiten, ununterbrochenen Horizont der Pampas wie über einem Ocean empor, und der leichte Duft, der auf der Steppe lag, schwand in dem warmen Schein, oder strich in leichten wechselnden, oft phantastischen Schwaden vor der schwachen Ostluft hin, die dem Sonnenaufgang vorauszog. Ueberall, wohin das Auge traf, weideten kleine Hcerden von Rindern und Pferden, in Gruppen über den grünen Plan zerstreut, und besonders stachen /31/ die Rinder mit ihren bunten Farben