Wilde Welt. Gerstäcker Friedrich

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Название Wilde Welt
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753135984



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Freunde in /65/ Eurer Nähe und so lange ich wenigstens athme - seid Ihr sicher vor irgend einem Leid. - Leider müssen wir noch m der Gesellschaft der Indianer, wenigstens für eine kurze Strecke, bleiben, den jedenfalls nachdrängenden Soldaten auszuweichen; heut Abend aber, denk' ich, trennen wir uns von dem Haupttrupp, und sei es auch nur, einen anderen Stamm aufzusuchen, bis ich Euch sicher nach Montevideo zurückführen kann."

      „So handelt denn, wie Ihr es für gut und nützlich findet," flüsterte Josefa, indem ein leichtes Erröthen ihre lieben Züge überflog, „ich gebe mich ganz in Eure Hand, und der Himmel möge Euch verqelten, was Ihr an der armen Waise thut."

      „Was sagt sie?" frug Osantos, dem das ihm unverständliche Gespräch zu lange dauerte, - „nicht in meiner Zunge redet sie, nicht in der Deinen; Osantos ist ein großer Häuptling, warum bleibt sein Ohr verschlossen?"

      „Sie ist noch erschüttert von dem letzten Kampf, Osantos," entgegnete ruhig Diego, „und sehnt sich danach, zu ihren Freunden und Verwandten zurückzukehren. Osantos ist ein großer Häuptling; das Bewußtsein wird ihn erfreuen, ein armes schwaches Weib aus den Händen ihrer Feinde gerettet zu haben."

      „Ugh!" sagte der Wilde, aber mit einem so völlig ausdruckslosen Antlitz, daß es nicht möglich war, darin zu lesen, wie er dies halbe, noch gar nicht verdiente Lob aufgenommen. Möglich, daß er auch einer weiteren Besprechung hierüber vor der Hand ausweichen wollte, denn er deutete mit seiner Lanze der eben davonsprengenden Horde nach, gab seinem Pferd die Sporen und galoppirte davon, ohne sich weiter um seine Gefangenen oder Bundesgenossen - der alte Felipe wußte nicht, für was er sich eigentlich halten sollte - zu bekümmern.

      „Caracho," murmelte dieser seinem neuen Herrn, Diego zu, „wie wäre es, Compaňero, wenn wir hier ein wenig hielten, bis die rothen Schufte aus Sicht sind, und dann unsern Weg allein suchten. Den rothen Ponchos wollten wir schon ausweichen, wenn Euch nicht besonders viel daran läge, /66/ ihnen wieder mit den Postpaketen zu begegnen, und ich glaube fast -"

      Ehe Don Diego etwas erwidern konnte, wandte sich Osantos im Sattel, und als er sah, daß die Weißen ihm noch nicht folgten, warf er sein Pferd herum und winkte ungeduldig mit dem Arm.

      „Es geht nicht, Amigo," sagte Diego rasch. „Die Pferde der Indianer sind noch frisch, die unseren aber von dem Tagesmarsch ermüdet. Osantos würde mit seiner braunen wilden Schaar den Augenblick auf unseren Fährten sein, und sich dann in vollem Recht glauben, uns zu behandeln, wie es ihm gut dünkt. Vorwärts, daß er nicht ungeduldig wird. Haltet Euch nur an meine Seite, Seňorita. Bis heute Abend findet sich schon Gelegenheit, das Weitere zu besprechen, und auch Ihr, Felipe, daß wir keinen Verdacht erregen; wir haben überdies schon zu lange gezögert."

      Bei den ersten Worten hatte er sein Pferd vorwärts getrieben, den Indianern nach, und während sich Josefa und Felipe dicht hinter ihm hielten, holten sie bald den ihrer wartenden Osantos ein. Osantos sagte aber kein Wort weiter; die Lanze vor sich schräg über die Mähne seines Pferdes gelegt, ließ er seinem wackern Hengst die Zügel, und bald setzte der kleine Trupp in voller Flucht durch das hohe Gras der Pampas, so viel Raum als möglich zwischen sich und die Feinde zu bringen, ehe diese zu einer Verfolgung herbeieilen konnten.

      Dabei gebrauchten sie oft die List, mit dem Haupttrupp kurze Strecken nach rechts oder links abzubiegen, während sie einzeln wieder davon abgingen, ihre alte Richtung aufzunehmen. Sie wußten, wie sehr eine solche gestörte Fährte den Feind beirren und aufhalten mußte, um so mehr, als sich die Soldaten - wenn nicht in sehr starker Zahl - kaum getrauen durften, tiefer in das indianische Gebiet vorzudringen.

      Dort waren die Rothhäute unumschränkte Herren, denn wenn auch Rosas auf der Landkarte dies Gebiet beanspruchte, hatte er es nur durch eine dort bleibend unterhaltene Militärmacht auch behaupten können. Wie ein Ocean von Gras lag die weite Steppe ausgebreitet, und zog ja einmal eine /67/ Schwadron der leichten Gaucho-Reiter hindurch, den Indianern in's Gedächtniß zurückzurufen, wer hier eigentlich den Oberbefehl beanspruche, so wichen die rothen Schaaren wohl eine kurze Strecke vor ihnen zurück und ließen sie ungehindert eindringen, so weit sie wollten, kaum aber traten sie den Rückweg an, so drängten die verschiedenen Horden von allen Seiten wieder herbei, wie die Fluth in das Fahrwasser des davoneilenden Schiffes quillt, und die Pampas gehörten den Indianern wie vorher.

      IX.

      Die Pferde der Weißen bedurften indessen einer kurzen Rast, an der sie durch den Ueberfall der Wilden verhindert worden. Die Thiere waren erschöpft, und Don Diego besonders lag daran, sie nicht unnöthiger Weise noch mehr zu ermatten, sondern ihnen ihre Frische und Kraft zurück zu geben. An einer Stelle angelangt, an der sie frisches klares Wasser fanden, bat er Osantos, einige Zeit zu halten, und während die Pferde ruhten, erbrach und durchflog er die verschiedenen Depeschen des Gouverneurs, die wichtigsten für sich zurück zu behalten und die übrigen, um nicht unnöthig damit beladen zu bleiben, zu vernichten.

      Hier erkannte er denn auch, welch großer Gefahr er selber entgangen war. Denn wäre er nach San Luis gebracht und dort erkannt worden, so war sein Tod beschlossen und gewiß.

      Lange ließ ihm Osantos, der bei der Untersuchung der Papiere neben ihm saß und ihm geduldig zuschaute, aber keine Zeit. Ihm lag daran, aus Gründen, die er freilich dem Weißen nicht angab, sobald als möglich seinen Hauptstamm zu erreichen, und einmal erst wieder im Sattel, setzten sie ihren Weg rasch und ungehindert immer gen Süden hin fort.

      Einige Male begegneten sie auch kleinen Streifzügen anderer Stämme, und Osantos schien diesen besondere Befehle zu geben, denn jedesmal veränderten sie, nach kurzer Unter-/68/redung mit ihm, ihre Richtung. Diego frug den Häuptling deshalb, denn noch gestern hatten sie einen gemeinsamen Kriegszug gegen die Argentiner verabredet, in dem die Indianer durch jene verfolgten und von Rosas als seine bittersten Feinde betrachteten Unitarier unterstützt werden sollten. Heute schien er aber nicht mehr darauf eingehen zu wollen, gab ausweichende Antworten und vertröstete ihn auf eine spätere Zeit. - Der Weiße war ihm in seinen neuen Plänen lästig geworden, und er suchte ihn los zu werden.

      Gegen Abend erreichten sie ein Dorf der Indianer. Frauen und Kinder kamen den Anreitenden in dichtem Trupp entgegen, und die kleinen braunen nackten Burschen sprangen in tollem Uebermuth auf die Pferde, oder faßten sie an den Schwänzen und ließen sich im raschesten Lauf mit fortziehen, ohne loszulassen. Jubelnd und kreischend tobten Andere hinterdrein, und Josefa bebte schaudernd in sich zusammen, als sie sich mitten in dem ungewohnten wilden Lärm jetzt sogar noch von den Freunden getrennt fand. Osantos hatte nämlich, als sie das Dorf erreichten, den Zügel ihres Pferdes ergriffen, und während die Eingeborenen in jubelnder Lust um den Häuptling herdrängten, trennten sie ihn von seinen weißen Begleitern. Allerdings versuchte Diego, ihm nachzukommen, aber es war nicht möglich, und von den Wilden überhaupt mit mißtrauischen Blicken betrachtet, mußten sie endlich ihre Pferde einzügeln, um nicht ein oder das andere Kind niederzureiten.

      „Das geht recht schlecht," brummte Felipe leise seinem Begleiter zu, „denn der rothe Halunke da vorn hat Böses im Sinn. Ich fürchte fast, wir werden das arme Mädchen als Senora Osantos hier zurücklassen müssen, um später einmal die Mutter einer zahlreichen Nachkommenschaft von solch‘ halbrothen kleinen Teufeln zu werden, wie sie da überall an den Pferdeschwänzen hängen."

      Diego griff seinem Thier in die Zügel, daß es hoch aufbäumte, und im wilden Trotz suchte die Hand unter dem Schutz des Ponchos nach dem Messergriff - aber was hätten sie jetzt - hier gegen die Ueberzahl der Feinde ausrichten können! /69/

      „Er darf sie nicht haben, Felipe," zischte er endlich mit kaum verhaltener Wuth - „Du hast Recht, das ist sein Plan! Aber erst soll er meinen letzten Tropfen Blut genommen haben, ehe er das Mädchen sein nennen darf."

      „Würde er auch mit dem größten Vergnügen nehmen," spottete der alte Gaucho bitter vor sich hin. „Die Dirne hat ihm einmal den Kopf verrückt, und er will und - wird sie haben, ja, und wenn er uns allen Beiden und noch zwanzig Anderen die Köpfe deshalb abschneiden sollte. Was liegt solch einem rothen Halunken an einer Menschenkehle? - Ihr dürft Euch aber eigentlich gar nicht beklagen," fuhr der Alte leiser fort, als ihm Don Diego kein Wort darauf erwiderte. „Ich habe Euch gewarnt, den rothen Canaillen zu sehr zu vertrauen, und Euch, um der heiligen Jungfrau