Название | Das Verschwundene Tal |
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Автор произведения | Dietmar Preuß |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738098440 |
„Nein!“, sagte Aguilar, der solch zweifelhafter Kunst wie Geschichten und Poesie keinen Wert beizumessen schien.
„Aber, Aguilar, du gütiger und großzügiger Ehemann, willst du mir diesen Wunsch nicht erfüllen?“ Wulfiard war sehr zufrieden, dass die Schöne ein gutes Wort für ihn einlegte. Das war schon der halbe Weg zum Ziel, wie er aus Erfahrung wusste.
„Der Nichtsnutz soll verschwinden, bei seinen rauen Göttern! Sein Magen knurrt so laut, dass er die anderen Kunden vertreibt. Kunden mit Geld, die nicht kommen, um zu betteln.“
„Welche Kunden, liebster Aguilar?“ Medeme griff nach seiner Hand und streichelte sie. „Es ist kaum noch jemand auf den Strassen, mein Gatte, denn bald schlägt die Mittagsstunde und wir bauen ab“, sagte sie, wobei sie Wulfiard Blicke zuwarf, die ihn hoffen ließen.
„Das liegt an diesen verfluchten Ssadesti“, flüsterte der dicke Händler. „Das Volk, das sich jetzt noch vor die Türe wagt, ist solch Gesindel wie dieser da!“
Der Pfeffersack lässt sich nicht erweichen, erkannte Wulfiard. Aber wenn ich lange genug in der Nähe bleibe, ergibt sich bestimmt eine Gelegenheit. Außerdem könnte ich wirklich eine anständige Mahlzeit vertragen. Lass dir etwas einfallen, Geschichtenerzähler! „Ihr habt Recht, edler Herr und Meister des Handels. Was scheren euch Reim und Sang? Heute Abend werdet ihr in den Armen eurer jungen Frau liegen. Der Genuss, den sie euch bereiten wird, ist meiner belanglosen Kunst natürlich vorzuziehen. Handfeste Arbeit biete ich Euch also, den Stand will ich abbauen und die Waren auf den Wagen laden, während Ihr Euch im Schatten vom harten Geschäft erholt. Und nicht mehr verlange ich dafür, als etwas zu essen, ein halbes Brot oder ein Schälchen Reis. Ihr aber trinkt ein kaltes Minzwasser, schließt die Augen oder wagt euer Glück beim Spiel! Das Glück ist mit dem Tüchtigen, und dass ihr tüchtig seid, das sieht man sofort.“ Solche blumigen Ansprachen kamen Wulfiard nach über einem Jahre in den Ländern Scimmiens leicht von den Lippen. Wenn Vater oder die Brüder mich so hätten reden hören, sie hätten mich zu einem Goden gebracht, um mir ein Loch in den Kopf bohren zu lassen, damit die bösen Geister entweichen können! Ohne Wehmut dachte er an seine Sippe zurück. Ohne Wehmut? Nein, der Gedanke an die alte Mutter und die kleinste der Schwestern verursachte ein ärgerliches Brennen in der Brust.
Der dicke Händler schaute zum Himmel, schaute seine Frau und dannn den freundlich lächelnden Wulfiard an. Tatsächlich war es ein überaus heißer und trockener Tag gewesen, und er war auf den Beinen, seit die Tengristochter aufgegangen war. Die meisten Leute, die den Bazar soeben noch zu einem quirligen Platz gemacht hatten, waren in die Schatten der Tavernen und Schlaftempel geflüchtet. Nur noch ein paar schmutzige Kinder zeigten Interesse für die Stände und Waren. Dazu hatte ibn Golg noch den Heimweg auf dem schaukelnden Ochsenkarren vor sich! Noch einmal musterte er Wulfiard aus zusammengekniffenen Äuglein und versuchte gar nicht erst, sein Misstrauen zu verbergen. „Und sobald ich weg bin, raubst du mir Wagen und Ware.“
Wulfiard machte ein einfältiges Gesicht. Auf seinen Reisen hatte er festgestellt, dass den Simpeln und Dummen nichts Böses zugetraut wurde. Dabei hatte er zuhause – nein, das ist nicht mehr mein Zuhause - die Erfahrung gemacht, dass die Dummen lediglich die Schlechtigkeit ihres Tuns nicht erkannten. „Euer tugendhaftes Weib mag nur laut rufen, falls ich dergleichen tue. Es sind genug anderer ehrbare Kaufleute da, die ihr beistehen und Euch Bescheid geben werden. Lasst mich die Arbeit machen, für eine Mahlzeit, Herr!“ Während er vom Essen redete, wurde der Hunger Wulfiards immer bohrender, und auch der Durst.
Aguilar ibn Golg dachte darüber nach, konnte aber nichts finden, was sein Misstrauen rechtfertigte. “Medeme, sieh nach, was wir auf dem Wagen zu essen haben. Gib dem Halunken kein Rauschgras, das ist viel zu gut für ihn, und erst recht keine vergorene Milch.“ Er wandte sich an Wulfiard. „Sag uns noch, wie du über den Unsteten Pfad gekommen bist.“
Wulfiard hatte sich auf seiner Wanderung bereits daran gewöhnt, dass jedem Fremden, der vom nördlichen Kontinent kam, diese Frage gestellt wurde. „Hinter mir stürzten Schmuggler ins Meer, aber für mich war der Pfad breit und sicher.“
Wie alle, die ihm diese Frage gestellt hatten, nahm auch Aguilar ibn Golg die Antwort als Zeichen dafür, dass er nichts Übles im Schilde führte, und fasste einen Entschlus. „Ich habe noch etwas in der Teestube zu besprechen. Zur Mittagsstunde baust du den Stand ab. Hör zu, Fremder, wenn du nach zwei Stunden den Karren nicht beladen hast, gibt es nichts zu essen! Verstanden, Medeme?“
Medeme, ganz gehorsames Weib, senkte den Kopf und sagte mit dem richtigen Maß Unterwürfigkeit: „Ja, Herr, ich werde deine Rückkehr herbeisehnen.“
Der Pfeffersack meinte wohl, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, dachte Wulfiard. Hat sich zwei Stunden schweißtreibender Arbeit unter der heißen Tengristochter erspart, so dass er am Abend noch genügend Kraft für sein Weib haben wird. Wulfiards Mundwinkel umspielte ein wissendes Lächeln, als der dicke Händler ihm den Rücken zukehrte und mit würdevollen Schritten zur Teestube ging, die sich zwei Gassen weiter befand.
Der Kupferschmied zur Linken und die Händler gegenüber sprachen selbst darüber, ihre Stände abzubrechen. Dass der dicke Aguilar einen armen Tropf bezahlte, in der Hitze für ihn zu schuften, war ihnen wohl nicht neu. Medeme hatte sich züchtig in den Wagen zurückgezogen. Doch zwischen den roten Stoffbahnen, die vor dem Einstieg hingen und in einem Bogen über die Ladefläche gespannt waren, warf sie ihm einen wollüstigen Blick zu. „Wie heißt du, Helfer meines Mannes?“
„Mein Name ist Wulfiard von Gandra. Das ist weit im Norden der Greiflande, in Runland. Und ich muss zugeben, dass ich sehr hungrig bin. Ich würde gerne etwas essen, bevor ich mit meiner, ähm, Arbeit beginne.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die blonden Haare.
Medeme gefiel offenbar dieses Spiel, und sie wollte es noch ein wenig hinauszögern, bis es ernst wurde. „Haben die Frauen im Norden auch solch goldenes Haar wie du, Wulfiard? Da werden dir die Frauen unseres Landes bestimmt nicht gefallen.“ Sie verschwand hinter den Wollbahnen des Karrens.
Aber nicht doch, schöne Medeme, dachte Wulfiard und wollte ihr in den Wagen folgen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Er zuckte zusammen, drehte sich um und war verwundert, dass niemand zu sehen war. Erst als er nach unten schaute, entdeckte er einen schmächtigen Mann, der den roten Burnus und das Wappen der Stadtwache an seinem blauen Turban trug. Eine spitze Nase, vorstehende Zähne und ein dünner, zu den Seiten abstehender Schnurrbart zierten sein Gesicht. Dazu sprach er mit einer hohen, pfeifenden Stimme. „Wie ist dein Namen und was machst du in dieser Stadt, Fremder?“
Wulfiard musste sich ein Grinsen verkneifen, denn jetzt legte das Männlein ihm eine Hand auf den Arm, als könne er ihn mit seinen schwächlichen Kräften festhalten. Aber er hütete sich zu lachen, denn er ahnte, dass der kleingewachsene Scimmier auf Schmähungen übel reagieren würde.
„Raus damit, sonst lasse ich dich aus der Stadt werfen. Du sprichst mit Mussad Baba, dem Kommandanten der hochlobzupreisenden Stadtwache von Fayum!“
„Mein Name ist Wulfiard von Gandra. Ich bin hier, um die Schönheit des Landes zu besingen und Gedichte über den Mut seiner Männer zu schreiben.“
Der Blick des Kommandanten blieb misstrauisch.
„Soeben arbeite ich für den Händler Aguilar, um mir eine Mahlzeit zu verdienen.“
„Ein hungerleidender Haimamud aus dem Norden also! Ich werde dich im Auge behalten, merke dir das! Wenn du vorhast, dich unbeliebt zu machen, wird dir das Ärger einbringen!“
In diesem Moment schob Medeme die Wagenplane beiseite. „Ich habe Hirse gekocht, Fremder, und einen Rest Lammfleisch hineingeschnitten. Komm und iss, bevor es kalt wird.“
Der