Tarzans Sohn. Edgar Rice Burroughs

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Название Tarzans Sohn
Автор произведения Edgar Rice Burroughs
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753161587



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ein, ja aufzupassen, und selbst während des Trinkens warf er ab und zu rasch einen Blick hinüber nach der dichten Gebüschgruppe, die in etwa hundert Meter Entfernung das jenseitige Ufer des Wassertümpels säumte. Schließlich wandte er sich in der Sprache, die sie beide ererbt, an Jack.

      Ist es jetzt hier gefährlich? fragte er in den primitiven Lauten der Menschenaffensprache.

      Nein, kam die Antwort. Ich sah nicht, daß sich irgend etwas bewegte, während du trankst.

      Deine Augen werden dir in der Dschungel nur wenig nützen, fuhr der Affe fort. Wenn du hier überhaupt am Leben bleiben willst, mußt du dich auf deine Ohren und auf deine Nase verlassen; am meisten auf deine Nase! Als wir hierher kamen, um zu trinken, und die Zebras uns witterten, wie ich beobachtete, da wußte ich gleich, daß auf dieser Seite des Tümpels keine Gefahr lauerte; denn sonst hätten die Zebras sie schon entdeckt und wären vor unserem Auftauchen auf und davon gegangen. Aber drüben auf der anderen Seite kann gut das Unheil in den Büschen liegen, zumal der Wind nicht herüberweht. Wir können es nicht einmal wittern, weil das Verräterische uns von dort nicht in die Nase kommt. Meine Nase ist jetzt machtlos, dafür lasse ich in dieser Richtung Ohren und Augen arbeiten.

      Und du findest ... nichts! warf Jack lachend ein.

      Ich sehe, daß Numa dort drüben in dem dichten Gebüsch und dem hochwuchernden Gras herumkriecht. Und Akut deutete hinüber.

      Ein Löwe? rief Jack. Woher willst du das wissen? Ich kann nichts sehen.

      Und Numa ist doch dort, erwiderte der große Affe. Erst hörte ich ihn, wie er tief atmete. Für dich gibt es vielleicht bis jetzt noch keinen Unterschied zwischen diesem eigenartigen Atemgeräusch Numas und den Tönen, die an dein Ohr dringen, wenn der Wind durch Gras und Bäume streicht. Aber du mußt in Zukunft genau Numas Atmen erkennen lernen! Ich paßte also scharf auf, und schließlich sah ich, wie sich das hohe Gras an einer Stelle stärker bewegte, als wenn bloß der Wind darüberweht. Sieh, wie sich die Gräser zu beiden Seiten von Numas großem Körper heben und senken! Siehst du, wie er atmet? Da, wie er sich bewegt! Das ist nicht etwa der Wind. So neigt sich das übrige Gras nicht.

      Der Junge blickte scharf hinüber. Seine Augen waren gut, besser als die jedes anderen in seinem Alter. Da, ein halbunterdrückter Freudenschrei. Er hatte es entdeckt.

      Ja, ich sehe es jetzt. Er liegt dort. Dort! Und er zeigte genau nach der Richtung. Er liegt mit dem Kopf nach uns zu. Ob er uns beobachtet?

      Numa sieht uns genau, kam Akuts Antwort. Wir sind aber nicht besonders in Gefahr, wenn wir ihm nicht gerade zu nahe auf den Pelz rücken; er liegt nämlich auf seiner Beute und muß sich seinen Bauch schon ordentlich gefüllt haben, sonst würden wir es hören, wie er die Knochen seines Opfers knirschend zermalmt. Er beobachtet uns jetzt mit einer gewissen Ruhe und eigentlich nur aus Neugier; entweder setzt er bald seine Mahlzeit fort oder er erhebt sich und kommt an den Tümpel, seinen Durst zu löschen. Er fürchtet uns momentan nicht, hat auch keine Lust, über uns herzufallen, und wird daher gar nicht versuchen, uns über seine Anwesenheit im unklaren zu lassen. Das ist jetzt eine ganz ausgezeichnete Gelegenheit, Numa kennen zu lernen; du mußt es ohnehin, wenn du nicht bald in der Dschungel zugrunde gehen willst. Wo wir große Affen in der Überzahl sind, läßt Numa uns lieber allein, denn wir haben lange und scharfe Zähne und verstehen uns auch auf den Kampf. Sind wir aber allein, und ist Numa hungrig, dann ist die Erledigung eines Menschenaffen für ihn ein Kinderspiel. Komm, wir wollen einen großen Bogen um ihn machen und sehen, daß wir seine Witterung in die Nase bekommen! Je eher du damit vertraut wirst, desto besser! Aber bleibe ja immer dicht in der Nähe der Bäume, wenn wir uns jetzt außen um ihn herumschleichen; denn Numa tut auch oft gerade das, was man am allerwenigsten erwartet. Und halte mir Ohren, Augen und Nase offen! Denke immer daran, daß hinter jedem Busch, in jedem Baum und überall im dichten Dschungelgras ein neuer Feind stecken kann! Du willst Numas Pranken entgehen: Paß auf, daß du dabei nicht gerade seinem Weibe Sabor in den Rachen rennst! Folge mir nun!

      Akut machte einen großen Bogen um den Wassertümpel und den Löwen, der dort geduckt im Grase lag. Jack folgte dicht auf den Fersen. Alle seine Sinne fühlte er wach, seine Nerven waren aufs höchste gespannt. Das war Leben, wirkliches Leben! Wie weggeblasen waren mit einem Male all die schönen Vorsätze, die ihm noch vor wenigen Minuten unumstößlich schienen. Nichts mehr davon, so daß er so schnell wie möglich irgendeinen anderen Hafenplatz an der Küste zu erreichen suchen und von da sofort nach London zurückreisen wollte! Dafür jetzt nur der eine Gedanke, wie herrlich und wildgewaltig das Dschungelleben doch sein mußte, wenn man mit offenen Sinnen und unerschrocken der Macht und Tücke wilder Dschungelbrut trotzte, die die weiten Lichtungen und düsteren Urwaldpfade dieses großen unbezwungenen Erdteils lauernd und gierig durchstreifte. Gewiß, er kannte keine Furcht, denn sein Vater hatte ihm sein männliches, unerschrockenes Herz vererbt; er spürte aber auch ein Gewissen und das, was man Ehrfurcht vor dem Willen der Eltern nennt, und oft war es so, daß diese geheimen Mächte ihn peinigten, wenn sie in seinem Inneren mit seinem angestammten Freiheitsdrang um die Oberhand über sein Ich rangen.

      Sie hatten sich auf gar nicht zu große Entfernung von rückwärts an Numas Graslager herangeschlichen, als der Junge mit einem Male den unangenehmen Geruch des Raubtieres in die Nase bekam. Ein freudiges Lächeln huschte über sein Gesicht; denn irgendwie war es ihm so, als würde er diesen Geruch unter Myriaden anderer sofort erkannt haben, auch wenn Akut ihm nicht erst erzählt gehabt hätte, daß ein Löwe in der Nähe war. Etwas Eigenartiges und doch so seltsam Vertrautes lag in dem, was der Wind herübertrug, was ihm die Nackenhaare zu Berge stehen ließ und ihm ein unfreiwilliges Brummen hervorstoßen ließ, daß seine Zähne kampflustig unter der hochgezogenen Oberlippe hervortraten. Dabei hatte er das Gefühl, als dehne sich die Haut um seine Ohren, und als legten sich diese flach und dicht an seinen Schädel, alles nur, um für den Kampf auf Leben und Tod gerüstet zu sein. Er spürte ein Prickeln in seinem Körper, ein wohliges Gefühl durchrann ihn, wie er es nie in diesem Ausmaß gekannt. Mit einem Schlage war er ein ganz anderer geworden, er war vorsichtig, aufs äußerste gespannt und kampfbereit ..., die Witterung Numas, des Löwen, hatte den Jungen zum wilden Dschungeltier gewandelt.

      Nie war ihm ein Löwe von Fleisch und Blut zu Gesicht gekommen, denn seine Mutter hatte ja alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das zu verhindern. Die schier unzähligen Bilder von Löwen in seinen Büchern hatte er aber geradezu verschlungen, und so erwartete er jetzt mit wahrem Heißhunger den Augenblick, da sich der König der Tiere leibhaftig vor ihm erheben würde. Während er Akuts Spur folgte, blickte er deshalb immer mit einem Auge über seine Schulter halb nach rückwärts; denn er mochte die Hoffnung nicht aufgeben, daß Numa doch noch von seiner Beute aufsprang und sich in seiner ganzen stattlichen Erscheinung zeigte. So kam es, daß er ein Stück hinter Akut zurückblieb. Doch ein schriller Warnungsschrei des Affen brachte ihm nur zu bald bei, daß er jetzt an andere Dinge als an den rückwärts im Grase versteckten Numa zu denken habe. Er wandte sich rasch nach der Richtung, aus der ihm sein Kamerad zugerufen, allein wildes Entsetzen durchbebte seinen ganzen jungen Leib, wie er gewahrte, was da mitten auf dem Pfad ihm dräuend entgegenstarrte: Eine Löwin, glatt das Fell und beinahe majestätisch schön, noch halb im dichten Grase versunken, in dem sie den Blicken der Ankömmlinge entgangen war. Ihre hellgrünen Augen funkelten aus den weitgeöffneten, fast kreisrunden Höhlen und bohrten sich geradezu in die ihres Gegenübers, das ja kaum noch zehn Schritte entfernt war. Der große Affe stand etwa zwanzig Schritt hinter der Löwin; er brüllte Jack rasch zu, wie er sich verhalten sollte, und überhäufte gleichzeitig die Löwin mit Schmähungen schlimmster Sorte. Offenbar wollte er sie so reizen, daß sie ihre Aufmerksamkeit von Jack abwandte und sich auf ihn zustürzte, während der Junge sich dann in das rettende Geäst eines nahen Baumes schwingen konnte.

      Doch Sabor ließ sich nicht irre machen; sie hatte es eben auf den Jungen abgesehen, der zwischen ihr und ihrem Männchen, zwischen ihr und der Beute stand. Das war ihr doch zu verdächtig; vielleicht führte er irgend etwas Böses gegen ihren Herrn und Gebieter im Schilde. Wollte er sie um die Früchte ihrer Jagd betrügen ...? Eine Löwin ist stets kurz angebunden, und da dieser hier obendrein Akuts Gebrüll gar nicht paßte, ging sie mit rollendem Knurren auf Jack los.

      Auf den Baum! schrie Akut herüber.

      Der Junge wandte sich in wilder Flucht, die Löwin ihm