Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Название Alexanders letzter Traum
Автор произведения Heinz-Joachim Simon
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862826650



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Bis auf die Blutspur, die auf den Hof führte, erinnerte nichts mehr an meinen Besucher. Abgesehen natürlich von dem Schwert, das er mir zurückgelassen hatte und das mit seiner gebogenen Form ein Prachtexemplar skythischer Schwertschmiedekunst war.

      Als ich Gelegenheit bekam, Alexander von dem Mordversuch zu berichten und ihm das skytische Schwert zeigte, hielt er die Klinge bewundernd gegen das Licht.

      „Eine wunderschöne Arbeit“, lobte er. „Da bist du für die Gefahr gut entschädigt worden. Aber warum wollte man dich töten?“

      „Vielleicht hat es etwas mit dem Mord an deinem Vater zu tun? Vielleicht, weil ich den Mörder gestellt habe?“ rätselte ich.

      „Du meinst: ein Racheakt?“

      „Könnte doch sein“, unterstützte mich Hephaistion.

      „Es stellt sich die Frage, warum er überlebt hat“, sagte Philotas, der Anführer der Gefährtenreiterei. Er war der Älteste von uns und mochte mich nicht. Ich hatte allerdings auch keine besondere Vorliebe für ihn. Philotas war der Sohn des Parmenion und bildete sich darauf eine Menge ein. Er gehörte nicht zu den Verwandten, doch als General der Gefährten war er natürlich oft bei unseren Zusammenkünften dabei. Er tat so, als wäre er uns allen überlegen und Alexander ebenbürtig. Philotas gehörte zu den Philippischen, wie wir die nannten, die immer auf die Taten des alten Königs verwiesen und ihn nicht genug rühmen konnten, was bei Alexander oft ein Stirnrunzeln hervorrief. Aber noch sagte er nichts zu den überschwänglichen Lobeshymnen auf seinen Vater, die unserer Meinung nach nur dazu dienten, ihn herabzusetzen. Doch manches stimmte auch: Es war Philipp, der Makedonien zur Hegemonialmacht über Griechenland geführt hatte. Das Heer, das in vielen Schlachten seine Unbesiegbarkeit gezeigt hatte, die unüberwindliche Phalanx, war sein Werk. Bei den Philippischen hörte es sich so an, als habe sich Alexander ins warme Nest gelegt, und sie nannten Philipp immer den Großen, besonders dann, wenn Alexander in der Nähe war.

      Also, Philotas versuchte gegen mich zu stänkern, und ich kann nur vermuten, dass er dies tat, weil Anthes der Gefolgsmann seines Vaters war. Aber wir, die Gefährten Alexanders, hielten zusammen, und Hephaistion kam mir sofort zur Hilfe.

      „Das ist aber eine Frage. Weil er einen Gott hinter sich hat.“

      „Noch einer, der mit den Göttern auf Du und Du ist!“ höhnte Philotas.

      „Ja. Dir kann das sicher nicht passieren“, ergänzte Peukestas lachend.

      „Das heißt, dass du dich in einer Schlacht auf dich selbst verlassen musst!“ setzte Ptolemaios böse lächelnd hinzu.

      „Das ist mir auch lieber. Die Götter sind mir zu wankelmütig!“ entgegnete Philotas hochmütig. Der Blick, den er mir zuwarf, ließ erkennen, dass ich mir am Hof des Königs den ersten Feind eingehandelt hatte.

      Sie stritten sich noch eine Weile hin und her, bis Alexander schließlich einschritt.

      „Leonnatos verdient meinen Dank. Nur weil er den Mörder meines Vaters gefangen hat, ist er bedroht worden.“ Er drückte mich an sich und ich freute mich wie ein frisch Verliebter.

      Aber es ist nicht wahr, was man in Athen behauptet. Wir sind nicht alle mit ihm ins Bett gehüpft. Dieses Privileg hatte allein Hephaistion. Die Freundschaft oder Liebe der beiden zueinander war etwas Besonderes und sie zeigten dies offen und erinnerten immer wieder an Achilleus und Patroklos, die homerischen Helden. Sie sahen sich wohl als eine Art Wiedergeburt der beiden. In all den Jahren, selbst als sich beide durch die titanischen Strapazen verändert hatten, habe ich sie nie im Streit erlebt.

      Alexander blieb nicht lange bei uns. Die Thebaner glaubten, nach König Philipps Tod die Vorherrschaft Makedoniens über Griechenland abschütteln zu können. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass der Sohn Philipps das Instrument, das dieser mit dem Heer geschaffen hatte, noch besser zu handhaben wusste als der eigentliche Schöpfer. Er kam über die Thebaner wie ein Ungewitter und bestrafte sie mit einer Härte, die zum ersten Mal die andere Seite seines Charakters andeutete. Tausende starben, und wer überlebte, ging in die Sklaverei. Theben wurde zerstört. Nur das Haus des Pindar, aus Achtung vor seinen göttlichen Versen, blieb unversehrt. Ich war nicht dabei, auch nicht als Alexander Athen besuchte und einen Pakt aushandelte, der ihn als Hegemon über ganz Griechenland und Oberbefehlshaber für den Strafzug gegen Persien bestätigte. Nach Theben waren selbst die widerspenstigen Athener davon überzeugt, dass dieser Sieg ein Argument war, dem man sich nicht verschließen konnte.

      Und als er wieder in Pella war, mittlerweile hatten wir dort Quartier bezogen, lud er mich zur großen Heeresversammlung ein.

      „Du sollst dabei sein!“ kündigte mir Ptolemaios an.

      „Worum geht es?“ fragte ich hoffnungsvoll. Denn ich fand, dass ich nun mit den Waffen nicht schlechter war als die Gefährten und brannte darauf, dies Alexander zu beweisen. In der Jugend glaubt man unsterblich zu sein und bedenkt nicht die Gefahren einer Schlacht. Und da wir alle jung waren, gab es kaum ein anderes Thema als Krieg und Ruhm, und die Gefährten des Königs prahlten von ihrer Kühnheit in den vorangegangenen Schlachten, und ich war eifersüchtig nicht gleiche Taten vorweisen zu können.

      „Es geht los“, offenbarte mir Ptolemaios.

      „Er wird mich nicht zurücklassen?“

      „Nein. Sonst hätte man dich kaum zur Heeresversammlung eingeladen. Du wirst bei der Proklamation dabei sein.“

      Es geschah im Saal des Rates und alle bedeutenden Generäle waren da, so dass ich etwas eingeschüchtert die Halle betrat. Ich hielt mich an Ptolemaios, der sich geschickt zu den Verwandten durchschlängelte, die hinter dem König standen. Alexander sprach von der Freiheit, die er den Ioniern, allen griechischen Städten bringen wolle. Demokratie und Selbstbestimmung sei seine Botschaft und alle nickten und klatschten, obwohl keiner von ihnen daran, sondern nur an Beute und Ruhm dachte. Selbst die Abgesandten aus Athen und Thessalien jubelten und Ptolemaios grinste mir bedeutungsvoll zu. Wir wussten, dass sie sich nur notgedrungen zu solchen Beifallskundgebungen zwangen.

      „Die Griechen werden nach Asien gehen, wie zu den Zeiten, als sie nach Troja zogen!“ rief Alexander. „In Amphipolis stehen 32.000 Mann bereit. Parmenion ist mit 12.000 Mann bereits vor Ephesos. Es ist die stärkste und beste Armee, die je gegen die Perser gezogen ist. Wir werden siegen!“

      Und alle beeilten sich, den Ruf „Wir werden siegen“ zu wiederholen.

      Als die Versammlung entlassen war und wir, die engsten Gefährten, mit Alexander zusammen saßen und er in allen Einzelheiten erläuterte, wie er sich den Kriegszug vorstellte, fiel schließlich sein Blick auf mich. Er beugte sich zu Hephaistion und flüsterte diesem etwas ins Ohr und dieser nickte zustimmend und schmunzelte dabei. Alexander winkte mich zu sich und legte mir den Arm um die Schultern und rief:

      „Unser junger Freund, der den Mörder meines Vaters gestellt hat, wird Parmenion mitteilen, wann wir eintreffen und wo er sich mit uns vereinigen soll.“ Er drückte mir dabei eine Papyrusrolle in die Hand und schlug mir aufmunternd auf den Rücken. „Du reitest noch morgen. Dieser Papyrus darf auf keinen Fall in die Hände des Feindes fallen. Übergib die Rolle Parmenion. Er wird dir eine Nachricht mitgeben und du kommst zurück nach Abydos, wo wir mittlerweile gelandet sein werden.“

      Hephaistion warf mir einen Blick zu, der wohl so etwas ähnlich bedeutete wie: Blamier mich nicht. Ich nickte dem göttlichen Paar zu und machte so etwas wie eine Ehrenbezeugung und mein Eifer ließ Alexander lächeln.

      „Attalos wird dich begleiten!“ ergänzte er. „Außerdem zehn von den Agrianen.“

      Ich war stolz darauf, dass er mich mit dieser wichtigen Aufgabe betraute und versprach mein Bestes zu geben. Attalos löste sich auf dem Kreis der Verwandten und fragte unzufrieden, wer denn nun das Kommando hätte. Eine verständliche Frage, denn schließlich gehörte er schon länger zu den Leibgardisten und außerdem stammte er aus einer Familie, mit der meine nicht konkurrieren konnte.

      „Er ist der Bote. Ein Liebling des Apollon. Du sorgst dafür, dass er Parmenion erreicht“, sagte Alexander kurz mit einem drohenden Unterton. Attalos beeilte